Donnerstag, 11. Februar 2021
Yamato Nadeshiko -25-
- FEMINIZUMU TAI DENTO – Feminismus gegenüber Tradition -

Schon lange weiß ich, dass ich nicht so bin, wie mich meine Umwelt gerne sieht. Meine wahre Natur steht in völligem Widerspruch zu der heutigen Emanzipation und dem Feminismus. Jahrelang habe ich meine wahre Natur zu verbergen versucht. Doch sie kommt immer wieder in mir hoch. Sie behindert mich bei der Partnerwahl, denn die Männer wollen heute eine starke Frau an ihrer Seite.

Bin ich wirklich so anders als alle anderen? Bin ich wirklich so schwach, dass ich eine starke Schulter regelrecht brauche?

Wie oft habe ich mich in meinem Bad nach dem Duschen schon nackt im Spiegel betrachtet. Jedesmal erschrecke ich mich. Im Spiegel sehe ich dann eine andere Frau als die, die meiner Umwelt bekannt ist. Eine unmoralische Frau, eine Frau, deren dunkle Bedürfnisse denen entsprechen, die vor Jahrhunderten unfreien Frauen abverlangt wurden. Eine Frau sehe ich im Spiegel, deren Bedürfnisse älter und tiefgreifender sind, als in der modernen Zeit ‚politisch korrekt‘ wäre.

Ich stehe vor dem Spiegel und fühle mich beschämt und erregt. Ich weiß, die Frau da im Spiegel ist niemand anders als ich selbst. Mich betrachtend erzittere ich und drehe mich langsam. Ich gefalle mir als Frau. Männer sind früher einmal viel stärker gewesen als wir, bis wir sie in den letzten Jahrzehnten dazu gebracht haben, sich gegen sich selbst zu richten, sich in unsere Hände zu geben.

Ich frage mich in Gedanken, ob es irgendwo noch echte Männer gibt? Männer, die den Schrei der Bedürfnisse in einer Frau beantworten können, die uns als Frauen behandeln können. Aber leider kann ich nicht wirklich daran glauben.

‚Dennoch,‘ denke ich, ‚irgendwo muss es noch solche Männer geben! Irgendwo in der Natur muss es sie geben. Es muss einen Grund für meine Gefühle geben, eine Erklärung für diese Bedürfnisse, die angesichts meines Umfelds und meiner Bildung geheimnisvoll und unerklärlich scheinen, weil sie all diesem völlig entgegengesetzt sind. Sind meine Bedürfnisse nicht Teil eines Ganzen? Gehören sie nicht in eine natürliche Beziehung, wie es sie schon immer gegeben hat? Was entspricht in der Natur diesen überwältigenden, hartnäckigen Gefühlen in mir, die mich immer wieder so bedrängen und verunsichern?‘

Ich ahne, was in der Natur meinen Bedürfnissen entsprechen könnte und mir graut davor. Ich fühle die Wirkung meiner Begierden und was es bedeutet, ihnen ausgeliefert zu sein.

Ich schaue die Frau im Spiegel weiter an. Ich finde sie schön. Glücklicherweise gibt es Männer, wie die in meinen Träumen, nicht mehr. Aber wofür wäre dann diese Schönheit hier in meinem Spiegel da? Soll sie nicht zu meinem Schicksal in den Händen von Männern werden, die damit umzugehen wissen? Warum bin ich nicht in einer anderen Zeit geboren worden?

„Freue dich, Enie,“ scheint mir mein Spiegelbild zu sagen, „dass es Männer, wie die in deinen Träumen nicht gibt; weil du nicht weißt, wie hilflos du ihnen gegenüber sein würdest. Sie würden mit dir machen, was sie wollen. Was würde dann aus dir werden?“

Die Frau im Spiegel schaut mich erschreckt an, dann macht sie einen Schmollmund.

„Du hast gerade nichts an!“ sagt sie zu mir. „Tanze!“

Ich bewege mich in fließenden Bewegungen vor dem Spiegel. Erschreckt sehe ich mein Spiegelbild an.

„Wer bist du?“ frage ich mein Spiegelbild. „Wer hat dir beigebracht, dich so lasziv zu bewegen? Bist du wirklich Enie? Du bist nicht die Enie, die ich bis jetzt gekannt habe. Niemand hat mir bisher solch einen Tanz gezeigt! Hat solch ein Tanz die ganze Zeit in mir geschlummert? Ich muss damit aufhören! Du bist die Enie, die ich verstecken muss; die Enie, der ich um keinen Preis erlauben kann, gesehen oder auch nur erahnt zu werden! Und doch bist du mein wahres Ich. Ich weiß das! Also muss ich mein wahres Ich verleugnen und verstecken!“

Mein Spiegelbild tanzt weiter. In ihrer Schönheit und Weiblichkeit und in ihrem Tanz besitzt sie unglaubliche Macht.

Endlich kann ich mich von dem Spiegelbild losreißen. Ich ziehe meinen Frottee-Bademantel über und verlasse das Bad.

*

Mein Name ist Enie Burger. Ich arbeite in der Schmuckabteilung eines bekannten Kaufhauses. Eines Tages betritt ein Mann die Abteilung. Er sieht sich suchend um, also komme ich hinter dem Tresen hervor und nähere mich ihm.

„Hallo!“ begrüße ich ihn lächelnd. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“

„Ja!“ antwortet er lächelnd. „Wissen Sie, ich suche ein ganz besonderes Schmuckstück für den Hals.“

„Darf ich Ihnen unsere Colliers zeigen?“ frage ich und führe ihn zu einer Vitrine, in der wir unseren Halsschmuck ausgestellt haben und preise ihm verschiedene Stücke an.

Er schaut sich die Ausstellungsstücke an, lässt mich reden und fragt anschließend:

„Ist dies alles, was Sie an Halsschmuck haben?“

Ich hebe die Brauen etwas und meine:
„Wir haben unter der Glasplatte der Theke noch einige einfache Stücke.“

„Ich hätte auch sie gerne gesehen!“ wünscht der Mann.

Wir gehen also zum Tresen. Ich schlüpfe hinter das Möbel und weise auf die Stücke, die in ihren offenen Schmuckkästchen unter dem Glas sichtbar sind.

„Dieser hier gefällt mir!“ sagt er und weist auf einen schmucklosen Halsreifen, der gerne von jungen Frauen aus der Gothic- und Mittelalter-Szene gekauft wird. Entsprechend preiswert wird er auch angeboten.

Ich preise ihn an, als wäre er etwas Besonderes:

„…und Sie können ihn gerne mit zusätzlichen Edelsteinen haben. Unser Juwelier fügt dem Reif gerne eine Anzahl Rubine oder Saphire an. Oder wären Ihnen Diamanten lieber?“

Der Mann nickt.

„Im Karton präsentiert, entfaltet der Reif nicht dieselbe Wirkung, wie am Hals einer schönen Frau,“ resümiert er und fordert mich auf: „Legen Sie den Reif bitte einmal für mich an!“

Ich ziehe die Schublade auf und nehme den Ring heraus. Vor seinen Augen öffne ich den Ring. Dazu besitzt er ein fast unsichtbares Scharnier.

„Dazu gehören natürlich die Wurmschraube und der Inbusschlüssel,“ erkläre ich und zeige auf die beiden Teile auf dem Stoff des Kästchens.

„Legen Sie den Ring einmal für mich an!“ wiederholt er. Nun spricht er in einem Ton, der keinen Widerspruch zulässt. Ihn erschrocken anschauend, erfülle ich ihm seinen Wunsch sofort und lege ich mir den Ring locker um den Hals. Dabei drücke ich die beiden Teile so zusammen, dass sie für den Moment halten mögen.

Sein Ton hat etwas kompromissloses, etwas das mich irgendwie triggert und meine innersten Bedürfnisse hochkommen lässt. Ich fühle mich nackt vor seinem Blick. Wie er mich ansieht, fühlt es sich jedoch ganz anders an, als die lüsternen Blicke von Männern, die mich wohl in ihren Gedanken ausziehen. Diese Augen hier schauen tiefer, da bin ich mir sicher! Schnell senke ich den Blick und wende den Körper ein wenig ab, wobei ich die ihm zugewandte Schulter anhebe, als wollte ich mich dahinter schützend verbergen. Ich fühle mich winzig vor ihm und lächele scheu.

„Ja!“ meint der Mann. „Er sieht wunderbar aus!“

Ich nehme den Ring von der Schulter und atme seufzend aus.

„Darf ich Ihnen den Ring als Geschenk einpacken?“ frage ich leise.

„Ja, gerne,“ antwortet der Mann lächelnd.

Während ich mich nun an die Arbeit mache und schließlich ein Band nehme, um eine Schleife zu binden, fragt er:

„Sind Sie eine moderne Frau?“

„Natürlich!“ antworte ich, vielleicht etwas zu heftig.

„Ja,“ stellt er fest, „ich kann sehen, dass das stimmt. Sie sind gehemmt und zieren sich.“

Ich will ärgerlich werden. Was erdreistet sich dieser Mann? Doch seine Augen nageln mich an meinen Platz und ersticken jedes Aufbegehren.

„Sind Sie eine der modernen Frauen, die mich zerstören wollen?“ fragt er nun lauernd.

Erschrocken schaue ich ihn an.

„Sind Sie eines solchen Verbrechens schuldig?“ lässt er nicht locker.

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden,“ antworte ich scheu. „Nehmen Sie ihr Geschenk und gehen Sie damit zur Kasse!“

Er lächelt wissend.

„Sie sind eine Suchende!“ sagt er mir auf den Kopf zu. „Sie suchen eine Welt, die sich sehr von Ihrer Umwelt unterscheidet! Sie sehnen sich nach einer Welt, die sehr viel einfacher ist, weniger heuchlerisch… dabei lebendiger und wilder als Ihre.“

„Als meine?“ frage ich.

Wie oft an Vormittagen ist auch heute nicht viel los in meiner Abteilung. Sonst hätte ich den Mann abgewimmelt und mich dem nächsten Kunden zugewandt. Das ist leider nicht möglich.

„Es ist eine Welt, in der Männer und Frauen dem Feuer des Lebens näherstehen,“ ergänzt er sich.

„Diese Welt ist vergangen!“ stelle ich fest.

„Es gibt sie immer noch!“ entgegnet er mir.

„Das ist Unsinn!“ sage ich.

„Ich habe sie gesehen!“ behauptet der Mann.

Prüfend schaue ich ihn an. Er meint tatsächlich, was er sagt.

„Ich schenke Ihnen den Halsreifen!“ hebt der Mann wieder zu Sprechen an. „Geben Sie mir den Produktzettel, der in die Kasse eingelesen wird, damit ich zahlen kann!“

Mit zitternden Händen überreiche ich dem Mann den Zettel. Er geht zur Kasse, zahlt und kommt mit dem Bon zurück. Ich lasse den Bon und das Geschenk unter dem Tresen in meine Tasche gleiten.

Als ich mich wieder aufrichte, ist der Mann verschwunden. Mir wird schwindlig und ich fühle mich schwach. Noch einmal schaue ich mich um, und kann ihn nirgends entdecken. Mir wird schlecht und ich eile zur Damentoilette.

*

Nach Feierabend in meiner Wohnung angekommen, stelle ich meine Tasche in der Garderobe ab und bereite mir in der Küche ein warmes Essen. Danach sitze ich am Tisch und genieße meine Eigenkreation. Ich lasse währenddessen den heutigen Tag gedanklich Revue passieren.

Am Nachmittag habe ich einige wunderschöne Schmuckstücke verkaufen können. Auch ein teurer Collier ist darunter gewesen, dass ein Mann für seine Frau erstanden hat. Dieser Mann ist mir sehr zurückhaltend erschienen. Ich habe ihn sehr gut durch die Verkaufsverhandlung führen können und schließlich hat er mit pochendem Herzen und dem Collier das Kaufhaus verlassen.

Der Mann ist das komplette Gegenteil des Mannes gewesen, der mich heute Vormittag besucht hat! Jetzt fällt mir siedend heiß der Halsreifen in meiner Tasche ein.

Obwohl ich noch nicht zu Ende gegessen habe, erhebe ich mich. Wie fremdgesteuert gehe ich in die Garderobe zurück, nehme meine Tasche auf und angele mit zwei Fingern das eingewickelte Schmuckkästchen heraus. Vorsichtig öffne ich die Schleife. Aber dann nehme ich das Papier an zwei Ecken und zerreiße die Umhüllung. Anschließend öffne ich das unscheinbare Schmuckkästchen und schaue auf den Ring darin. Ich zögere erst, dann aber nehme ich den Ring heraus und lege ihn mir um den Hals.

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