Freitag, 26. Juli 2024
Eine neue Hoffnung -25
Es beginnt mit der Selbstbeobachtung während des Sitzens in meditativer Stille. Die Aufmerksamkeit nimmt wahr, dass sich der Geist bestimmte Gedankenbilder spinnt, doch sie identifiziert sich nicht mit der Geschichte, lässt sich nicht von ihr ködern. Der 'Beobachter' hält keinen Gedankensplitter an.

Das unkontrollierte, alltägliche Bewusstsein lässt sich einfangen, lächelt der sehr attraktiven Frau in meiner Nähe zu und stellt sich vor, was wohl geschähe, wenn man den Mut hätte, sie darauf anzusprechen und und und...

Die Gedanken, die in meinem Kopf kreisen, beeinflussen auch meine Physis. Daher sollte ich mich nicht wundern, warum ich die letzte Nacht schlaflos verbracht habe. Ich werde mich jetzt und hier einer Selbsterforschung widmen. Auf diese Weise eröffnet sich mir die Möglichkeit, eine gewisse Beeinflussung meines Denkens vorzunehmen. So erschaffe ich mir hilfreiche Vorstellungen im Geist. Leni fühlt etwas in meiner Nähe, habe ich mehrfach festgestellt. Sie will es sich nur nicht eingestehen. Ich darf sie nicht mit meinen Gefühlen überrumpeln. Das lässt sie zurückweichen. Sie mag das Kind in mir, die witzigen Einfälle des kleinen Jungen von damals, wie sie sich geäußert hat.

Sobald ich mir bewusst darüber werde, dass vorgestellte Bilder eine Wirkung haben, kann ich das Prinzip für die Beruhigung des Geistes, für die tiefere Meditation und die Entwicklung des Zeugenbewusstseins anwenden.

Hat man mit einiger Übung diesen Zustand erreicht, beginnen der Ausbau und die Pflege dieses vom zwiegespaltenen Denken befreiten, des 'störungsfreien' Bewusstseins. Mein Ich-Bewusstsein beginnt nach diesem Zustand zu streben, wie es mir Babaji beigebracht hat.

In den späten Morgenstunden betritt jemand den Balkon, der von mehreren Zimmern aus erreichbar ist. Meine Augen öffnend erkenne ich Leni. Sie trägt ein rückenfreies Kleid. Ich erhebe mich und zusammen treten wir an die Balkonbrüstung.

"Hier ist alles so leicht und unbeschwert," meine ich.

Während sie stumm in die Ferne schaut, berühre ich sie sanft an ihrem Schulterblatt und lasse den Finger ganz sanft über ihre Rippen abwärts wandern. Sie wendet sich mir zu und schaut mich mit sehnsuchtsvollen Augen und offenen Lippen an. Ich halte ihrem Blick lächelnd stand. Unsere Lippen nähern sich einander und vereinigen sich zu einem innigen Kuss. Für einen langen Moment genießt Leni die intime Nähe.

Plötzlich wendet sie sich ab und sagt, als schelte sie sich selbst:

"Nein! Ich hätte das nicht tun dürfen!"

Entschuldigend antworte ich:
"Es tut mir leid!"

Wir schauen beide in eine andere Richtung in die Weite der Natur, bis Frau Meyer uns an den gedeckten Frühstückstisch ruft. Den Rest des Tages gehen wir uns weitgehend aus dem Weg. Sie beschäftigt sich demonstrativ mit ihrem Laptop. Ich schaue, welche Bücher in dem offenen Bücherschrank stehen und nehme mir eines mit auf mein Zimmer. Auch beim Mittagessen bleiben wir auf höflicher Distanz.

Ich bin darüber traurig. So nah bei dem geliebten Menschen, und mental doch so weit voneinander entfernt. Immer wieder spüre ich ihre Gefühle für mich. Dann aber zieht sie eine Mauer zwischen uns und alles ist wie zwischen zwei zufälligen Bekannten.

Am darauffolgenden Tag lässt Leni nach dem Mittagessen von Frau Meyer einen Picknick-Korb füllen und die belegten Brötchen mit einer mehrfach gefalteten Folie abdecken. Am Morgen habe ich noch gedacht, die Tage auf der Mainau verlaufen alle ähnlich in der Art, dass jeder seiner Wege geht. Aber Leni fordert mich heute mit einem Lächeln auf, mit ihr zu kommen.

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