Dienstag, 2. Februar 2021
Yamato Nadeshiko -21-
„Ich würde mich jedenfalls freuen! Wann denken Sie, könnten Sie in die Gesellschaft eintreten?“

„Wenn ich kündige, muss ich erst einmal eine dreimonatige Kündigungsfrist abwarten. Zum Beginn des darauffolgenden Monats wäre ich dann frei.“

„Sollten Sie noch Resturlaub haben, würde ich gerne versuchen, für Sie eine Asienreise zu arrangieren! So etwa für drei oder vier Wochen? Dabei lernen Sie ein Verhältnis zwischen Herrn und Magd kennen, wie es auch hier im Mittelalter üblich war,“ meint Herr Schmidt. „Das gehört zu einem mittelalterlichen Ort, wie diesem.“

Schon wieder bin ich wie elektrisiert. Der Mann hat eine Art an sich, die Leute für sich einzunehmen! Wenn ich mir meine Freundin Gabi dauerhaft als meine Magd vorstelle, statt dass wir diese Rollen nur Besuchern gegenüber vorspielen, wird mir ganz anders.

*

Nach meiner Kündigung nehme ich noch meinen Resturlaub. Ich gebe Herrn Schmidt die Daten durch und frage, ob in dieser Zeit ein Flug nach Japan möglich wäre. Herr Schmidt bittet um etwas Geduld. Er sagt, er würde bald zurückrufen. Dann erhalte ich den erhofften Anruf:

„Herr Loose?“

„Ja.“

„Guten Tag, Herr Loose. Mein Name ist Schmidt. Sie hatten uns vor einigen Wochen besucht und sind an unserer Taverne interessiert… Ich habe mit Tanaka-Sama gesprochen. Der Termin klappt! Kaufen Sie zwei Flugkarten für Kyoto und zurück. Informieren Sie sich, ob der reine Flug oder eine Pauschalreise günstiger für Sie ist. Dann fahren Sie mit dem Zug nach Maizuru. Das ist eine Hafenstadt in der Präfektur Kyoto. Reisezeit hier etwa zwei Stunden. Aber melden Sie sich schon nach dem Auschecken in Kyoto telefonisch bei Tanaka-Sama, damit man dort ihre weitere Reise organisieren kann. Die Verbindungsdaten erhalten Sie von mir.“

Ich bedanke mich bei Herrn Schmidt und erhalte noch einen Rat:

„In dieser kurzen Zeit werden Sie kein Japanisch lernen können! Aber informieren Sie sich so umfassend wie möglich über die japanische Kultur und Gepflogenheiten. Das nimmt die Leute für Sie ein und erleichtert Ihnen vieles!“

„Das werde ich machen!“ verspreche ich. „Haben Sie vielen Dank.“

Nun liegt es an mir, die preiswerteste Verbindung zu finden und mich über das Leben in Japan zu informieren. Herr Schmidt gibt uns auch eine Telefon-Nummer für den Kontakt mit Tanaka-Sama von Kyoto aus.

Dann ist der Reisetag gekommen. Wir sind vier Stunden vor dem Abflug des Fliegers im Flughafen und informieren uns über die Gepäckabfertigung und die Formalitäten vor dem Abflug. Schließlich haben wir alles erledigt und überbrücken die restliche Zeit im Restaurant.

Als wir an Bord gehen, hat die Anzahl an Asiaten um uns herum stark zugenommen. Wir fliegen mit einer Maschine der All Nippon Airways. Gleich nachdem wir den Passagiertunnel durchschritten haben und die Maschine betreten, werden wir von Stewardessen mit einem strahlenden Lächeln melodisch begrüßt:

„Irasshaimaseeeeee -Willkommen-.“

Sie beugen dabei ihren Oberkörper vor, halten aber die Arme gestreckt am Körper angelegt. Ich nicke ihnen kurz zu, werde aber von den Passagieren hinter mir kontinuierlich weitergeschoben. Darum achte ich nur darauf, an Gabis Seite zu bleiben. Nach wenigen Minuten haben wir unsere Plätze gefunden und ich verstaue unser Handgepäck im Fach über unseren Köpfen.

Später kommt eine Stewardess vorbei und schaut nach, ob alle ihren Sicherheitsgurt angelegt haben. Hier und da hilft sie auch dabei. Dann rollt die Maschine an. Die Landschaft fliegt immer schneller am Fenster vorbei. Plötzlich werden wir in die Sitze gedrückt und die Maschine hebt in einem steilen Winkel vom Boden ab.

Als sie anscheinend die Reiseflughöhe erreicht hat, kippt die Maschine wieder in die Horizontale und die Fluggäste um uns herum lösen die Sicherheitsgurte. Wir machen es ihnen nach. Danach schaue ich in dem kleinen Bildschirm in der Rückenlehne des Vordermannes eine Dokumentation über den japanischen Alltag. Es werden die unterschiedlichsten Situationen erklärt. Über all das habe ich in den vergangenen Wochen viel gelesen, aber alles noch einmal gezeigt zu bekommen finde ich eine sehr gute Idee. Ich mache auch Gabi neben mir darauf aufmerksam.

Nach drei Stunden erhalten wir ein leichtes Mittagessen. Am Abend legen wir die Rückenlehnen etwas zurück. Die Passagiere vor uns haben damit angefangen. Nach wenigen Minuten erhalten wir Hilfe von einer Stewardess, die sich danach lächelnd verbeugt und sich mit einem „Oyasumi nasaaaai -Gute Nacht!“ verabschiedet, um sicher noch anderen Fluggästen zu helfen.

Am nächsten Vormittag rollt die Maschine auf dem Flughafen von Kyoto aus. Im Ankunftsbereich frage ich, wie wir zum Zug nach Maizuru kommen. Da der Flughafen etwas außerhalb liegt, fahren wir zuerst mit einem Zug in die Stadt. Im dortigen Bahnhof schaue ich nach dem richtigen Bahnsteig für den Zug nach Maizuru. Es dauert etwas, bis ich unseren Bahnsteig finde und die Abfahrtszeit lese. Wir haben noch etwas Zeit, also führe ich schnell das Telefonat mit Tanaka-Sama.

Danach kaufen wir Bahnkarten und steigen bald in unseren Zug ein. Kurz darauf haben wir unsere Sitzplätze gefunden und setzen uns. Beim Ein- und Aussteigen reihen wir uns geduldig in die Reihen der Fahrgäste ein. Gegenseitiger Respekt und Geduld hat in Japan einen hohen Stellenwert, habe ich inzwischen gelernt.

Tanaka-San, der Sohn des Kanrisha -Ortsvorstehers-, hat uns unterwegs angerufen und gesagt, dass wir uns in Maizuru von einem Taxi zur Amatsuka Werft Corporation bringen lassen sollen. Dort angekommen schaue ich mich suchend um. Schnell sehe ich einen etwa 30jährigen Japaner auf mich zukommen. Wir warten und als er uns erreicht, werden wir auf Englisch angesprochen:

„Hello. Are you Mister Loose from Germany?“

„Yeah,“ antworte ich lächelnd. „And you are Mister Tanaka-San?“

Mein Gegenüber nickt lächelnd und bemerkt, dass ich ihn entweder Mister Tanaka oder einfach Tanaka-San nennen soll, da das Anhängsel ‚San‘ schon Herr‘ oder ‚Frau‘ bedeutet.

Er fragt dann noch: „And this lady is Mrs. Loose?“

„No,“ stelle ich klar, „Gabi is my girlfriend, my maid, may be!“

„Ah,“ meint er, lächelnd nickend.

Er wendet sich um und weist auf den Weg, wo er hergekommen ist.

„Follow me, please.“

Nun führt er uns um eine Gebäude-Ecke herum und dort auf einen großen Quadrokopter zu, der für den Personentransport ausgelegt ist. Beim Näherkommen erkenne ich einen weiteren Mann dort hinter den Kontrollen sitzen. Wir steigen ein. Tanaka-San setzt sich neben den Piloten. Wir besetzen die Sitze dahinter, nachdem wir unseren Koffer in den Raum hinter unsere Sitze geschoben haben.

Dann erhalten wir die gleichen Helme, wie auch der Pilot einen trägt. Während Tanaka-San seinen Helm aufsetzt, erklärt er uns, was wir bei den Helmen beachten müssen. Schließlich sind unsere Helme eingestöpselt und ein Funktionstest wurde gemacht. Tanaka-San nickt dem Piloten zu und dieser fährt die Motoren hoch. Das Fluggerät hebt ab und dreht sich auf den Ozean hinaus.

„Now we go to Bunrei no Shima. It takes nearly four hours,“ erklärt er uns.

Der Quadrokopter scheint so schnell zu sein, wie ein Auto auf der Straße. Ich bin gespannt. Inzwischen knurrt mir der Magen.

*

Nachdem wir gestern auf der Insel angekommen sind und nach einem ausgiebigen Essen unser Zimmer beziehen konnten, sind wir früh schlafen gegangen. Am nächsten Tag haben wir einen Termin in der hiesigen Schule für Meidos, wie die Mägde hier heißen.

Ich werde am Morgen wach, weil Gabi an mir rüttelt und eindringlich auf mich einredet:

„Dietmar, wach auch! Es ist schon spät! Wach auf, Liebster! Herr Tanaka wartet!“

Schwerfällig richte ich mich auf und reagiere bei dem Namen ‚Tanaka‘ erst einmal mit einem „Hä?“

Meine Augen öffnend, stelle ich fest, dass wir gar nicht mehr zuhause sind. Mir fällt die Reise nach Japan und dann der Hubschrauberflug zu dieser künstlichen Insel ein und bin schnell auf den Beinen. Meine Kleidung liegt auf dem niedrigen Tisch, wo ich sie gestern Abend abgelegt habe. Schnell habe ich mich angezogen und nehme meine Hygiene-Tasche in die Hand. Das Bad liegt einige Schritte entfernt, draußen auf dem Flur.

Als ich vor die Tür unseres Zimmers trete, steht dort Tanaka-San und nickt mir lächelnd zu.

„Good morning, Loose-San,“ begrüßt er mich. „Machen Sie sich erst einmal frisch. Keine Eile!“

Ich verschwinde schnell im Bad und komme einige Minuten später zurück. Nun meint Tanaka-San:

„Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihre Kleidung hier.“

Er folgt mir in unser Zimmer und öffnet eine der Schiebetüren an der Wand. Ich erkenne, dass es sich um einen wandhohen Kleiderschrank handelt. Tanaka-San zieht einige Kleidungsstücke für mich und Gabi heraus, nachdem er unsere Konfektionsgrößen erfragt hat. Nun sollen wir uns noch einmal umziehen, während er wieder vor der Tür wartet.

Kurz darauf verlassen wir unser Zimmer in traditioneller japanischer Kleidung. Tanaka-San nickt, höflich lächelnd, und führt uns zu einem Frühstücksraum. Eine junge Japanerin heißt uns am Eingang willkommen und führt uns an einen Tisch. Dort dürfen wir uns etwas aus einer Menukarte aussuchen. Es gibt typisch japanische Speisen. Tanaka-San berät uns und fragt auch gleich nach Löffel und Gabeln für uns. Er selbst nimmt Essstäbchen aus einer Schale auf dem Tisch.

Nach dem Frühstück drängt Tanaka-San zum Aufbruch. Wir gehen auf eine andere Ebene und er läutet an einer Tür. Eine Frau öffnet, verbeugt sich und lässt uns ein. Dann holt sie geschwind einen anderen Mann herbei, den eine Aura von Strenge und Kompromisslosigkeit umgibt. Tanaka-San redet kurz mit ihm, dann greift der Mann Gabi am Oberarm und zieht sie mit sich. Ich will aufbegehren, aber Tanaka-San legt mir beschwichtigend seine Hand auf meinen Arm.

„Nothing happens to her!“ beruhigt er mich. „Watanabe-San ist der Chef unserer Schule für Meidos. Ich denke, Sie werden ihre Gabi kaum wiedererkennen am Ende des Schnupperkurses. Kommen Sie nun! Auch für Sie haben wir etwas vorbereitet!“

Tanaka-San führt mich zu einer weiteren Tür auf noch einer anderen Ebene. Dort übergibt er mich der Obhut des Waffenmeisters. Er hat mir unterwegs dorthin erzählt, dass er zu Beginn hier den Umgang mit den japanischen Samurai-Schwertern erlernt hat. Osawa-San nimmt nun auch mich in seine Obhut und lehrt mich auf meinen Wunsch hin den Umgang mit dem Kompositbogen. Daneben gibt er mir Einblick in Ju-Jutsu. Gabi werde ich wohl erst kurz vor Ende des Urlaubs wiedersehen, wenn wir nach Deutschland zurückreisen müssen.

*

Der Mann, der mich von Dietmar wegzieht, führt mich in einen kleinen Raum. Nachdem er die Tür geschlossen hat, befiehlt er mir, mich hinzuknien. Als ich danach aufrecht vor ihm knie, innerlich zitternd, schüttelt er den Kopf. Er verlässt den Raum kurz und kommt mit einer jungen Japanerin zurück.

Auch ihr befiehlt er, sich hinzuknien. Er nutzt dafür die englische Sprache, wohl um allgemeinverständlich zu sein. Nun befiehlt er mir, sie nachzumachen. Die Japanerin neben mir setzt sich auf ihre Fersen, also tue ich es ihr gleich. Wieder kommt es zu einem Temperamentausbruch bei ihm.

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