Freitag, 26. Mai 2023
Der Mond leuchtet so schön -08-
"Hm," meint sie nachdenklich. "Er zeigt eine energische Miene. Er bestimmt sicher gerne, wo es lang geht."

"Ja, das macht er," bestätige ich, verträumt lächelnd.

Ich biete den Beiden Platz am Esstisch an, gehe an die Küchenzeile und stelle die vorbereiteten Sushi-Rollen auf ein Tablett. Anschließend bringe ich das Tablett und danach grünen Tee auf den Tisch. Nun setze ich mich hinzu und serviere jedem eine Schale Tee aus der Teekanne.

Im Anschluss herrscht erst einmal Ruhe. Die Gäste genießen das Essen. Irgendwann meint Yvonne:

"Sag mal, Riko, hast du die Zeichnungen an den Wänden von Japan mitgebracht...?"

"Nicht wirklich, Yvonne," antworte ich, höflich lächelnd. "Hier in der Stadt gibt es auch ein japanisches Einrichtungshaus..."

Sie hebt das Kinn, als will sie "Ah" sagen, bleibt aber stumm. Alsbald nach dem Essen verabschieden sich die Beiden wieder, wobei sie das Wort führt und er hinter ihr herdackelt. Dies ist wohl nicht die Umgebung, in der sie sich wohlfühlt, denn ein angeregtes Gespräch ist nicht zustande gekommen. Sicher hat Yvonne sich in meinem Charakter getäuscht, weil ich im Selbstverteidigungs-Kurs die Männer schnell unter Kontrolle gehabt habe. So ist die nipponjin josei eben. Zuhause ein Kätzchen, nach außen aber ein Tiger.

*

Vier Jahre nach Studienbeginn habe ich mein Diplom. Nun kann ich in Firmen und Auslands-Vertretungen als Dolmetscher arbeiten. Vor einem Jahr habe ich meinen Bachelor erhalten und wakai Tanaka-San hat mir einen Heiratsantrag gemacht. Ich habe ihn gebeten, noch zu warten bis ich mein Diplom in der Tasche habe. Denn nur damit kann ich bei Bewerbungsgesprächen in der Heimat punkten.

Nach der feierlichen Überreichung des Diploms an meine Mitstudenten, die auch den Diplom-Kurs mitgemacht haben, und mich, fliege ich zurück in die Heimat. Ich beziehe wieder mein Zimmer in meinem Elternhaus und sende Bewerbungen an Firmen, die mit Deutschland Geschäfte machen und die Verwaltung der Hauptstadt unserer Präfektur.

Wakai Tanaka-San besucht mich und wir spazieren den Nachmittag durch den nahen Park. Nach einer Weile des unverbindlichen Geplänkels über die Schönheit der Pflanzen um uns herum, meint er:

"Tsuki ga kirei desu ne -Der Mond leuchtet so schön-."

Er macht eine Pause, verhält im Schritt und wendet sich nach mir um. Dabei fragt er mich nach meinem Vornamen:

"Anata no na o oshiete moraemasu ka -Darf ich deinen Vornamen erfahren-?"

Das kommt in Japan einem Heiratsantrag gleich. Ich nicke, stelle ihm jedoch eine Bedingung:

"Versprichst du mir, dein ganzes Leben lang auf mich zu achten und mich mit aller Kraft zu beschützen?"

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