Freitag, 8. Juli 2022
Aibou - Die Zofe -08
Gegen Mittag führt er uns in das angekündigte Baraetishiata -Varieté-Theater-. Er schiebt zwei Tische aneinander, so dass wir zur Viert nebeneinander Platz finden. Dort setzt er sich außen hin und seine Tsuma -Ehefrau- platziert er an seiner rechten Seite. Die junge Herrin setzt sich dann an die Seite ihrer älteren Schwester und schließlich darf auch ich wieder neben meiner Herrin Platz nehmen.

Die junge Frau in der Meido-Kleidung, die uns am Eingang willkommen geheißen hat, kommt nun, um die Bestellung aufzunehmen. Der Herr bestellt, nachdem er die junge Herrin gefragt hat, viermal das gleiche Menü aus der Karte.

Wenige Minuten danach ertönt ein Gong und vor uns wird ein Vorhang geöffnet. Zwei Schülerinnen und zwei Schüler in Schuluniformen werden gezeigt, wie sie einander Respekt zollen, die jüngeren die älteren Schüler grüßen; der 'normale Alltag' also. Eine Schülerin betritt eine zu den Zuschauern offene Wohnung, wo sie der Mutter zur Hand geht und ihr von ihren Gefühlen zu einem jungen Mann erzählt.

Plötzlich drängen auf der anderen Seite der Bühne die drei Jugendlichen in moderner westlicher Kleidung auf die Bühne. Sie kommen wohl von einer Party und sind in entsprechend aufgekratzter Stimmung. Die Jungen greifen dem Mädchen an den Hintern und lassen anzügliche Macho-Sprüche los. Auf der anderen Seite der Bühne verlässt das Mädchen die elterliche Wohnung mit einer Einkaufstüte in der Hand. Sie sieht die Gruppe und tut zuerst erschrocken und verängstigt.

Dann aber verändert sich ihre Miene in Ärger. Sie hat einen der beiden Schüler erkannt und es entwickelt sich ein Streitgespräch mit viel Mimik, in dessen Verlauf man mitbekommt, dass die beiden wohl befreundet sind. Das Mädchen ist nicht mit dem Verhalten ihres Freundes einverstanden. Der Streit eskaliert immer mehr. Der junge Mann zeigt sich als großer Macho, um sich gegenüber seinem Freund zu profilieren, während die junge Frau immer mehr in die Defensive gedrängt wird. Schließlich gehen die Streithähne zu den gegenüberliegenden Seiten von der Bühne.

Kurz darauf kommt die Schülerin mit einer gefüllten Einkaufstüte wieder auf die Bühne, betritt die elterliche Wohnung und klagt ihrer Mutter ihr Leid. Sie versucht ihre Tochter zu trösten. Der junge Mann sei es nicht wert, weiterhin ihr Freund zu sein. Sie antwortet darauf: Kein Mann sei es fortan wert, ihr Freund zu sein. Sie schluchzt und damit fällt erstmal der Vorhang wieder.

Als der Vorhang kurz darauf wieder aufgezogen wird, sitzen vier junge Männer vor einem älteren Mann, der ihnen die Tugenden der Samurai erklärt. Außerdem sollen sie mit Pfeil und Bogen auf geflochtene Zielscheiben im Hintergrund der Bühne zielen. Er erklärt ihnen, dass sie mittels Meditation zum Pfeil werden sollen, um auf diese Weise ihre Treffsicherheit zu vergrößern. Auch bringt er ihnen Ju-Jutsu bei und macht mit ihnen Fechtübungen mit dem Shinai, einem hölzernen Übungsschwert. Immer wieder müssen die jungen Männer zwischendurch die Tugenden der Samurai wiederholen.

Wieder platzen die Schüler angetrunken auf die Bühne. Von der anderen Bühnenseite kommt die Schülerin hinzu, die erschrickt und in Abwehrhaltung geht. Die Schüler lassen von der Schülerin in ihrer Begleitung ab und wollen sich über die am Boden kauernde junge Frau hermachen, angestachelt von dem jungen Mann, mit dem sie vorhin diesen Disput gehabt hat.

Der ältere Mann schaut einen seiner Schüler an und fragt laut:

"Darf ein Shinshi -Gentleman- dem zuschauen und ruhig seiner Wege gehen?"

Der angesprochene Schüler läuft zwei Schritte auf die jungen Männer zu und überwältigt sie mittels einer kurzen Vorführung von Ju-Jutsu. Sie schleichen geschlagen von der Bühne. Wieder geht der Vorhang für einen Moment zu.

Als der Vorhang wieder zur Seite fährt, kann man die junge Frau sehen, wie sie von einer älteren Frau im Kimono in haushaltsnahen Tätigkeiten unterwiesen wird. Dann bringt die ältere Frau ein Instrument und lehrt sie darauf zu spielen. Anschließend lehrt sie ihr das Tanzen, um ihren späteren Mann zu erfreuen, wie sie sagt. Sie soll auch in einem Gedichtband lesen. Schließlich erhält auch sie Unterweisung in Ju-Jutsu. Die ältere Frau erklärt das so, dass die Yamato Nadeshiko ihrem späteren Mann Hausfrau, Geisha und Samurai in einer Person sein soll. Bald darauf wird der Vorhang noch einmal zugezogen.

Nach dem nächsten Aufzug sieht man den jungen Mann, der die junge Frau vorhin verteidigt hat, und die junge Frau gemeinsam an einem Fluss sitzen (jedenfalls hört man Wasser als Hintergrundgeräusch und das Bühnenbild zeigt einen Fluss mit einer Brücke). Sie spielen gedankenverloren mit Steinen, als er zu ihr sagt:

"Dakishimetai -Ich möchte dich halten-."

Worauf sie antwortet:
"Ga inai to samishi -Ich fühle mich so einsam ohne dich-!"

Infolge wird gezeigt, wie er zu ihren Eltern geht. Was dort besprochen wird, geht aber in der aufbrandenden Musik unter. Zum Schluss wird sie in Mägdekleidung gezeigt, wie sie ihn bedient. Er trägt jetzt traditionelle Kleidung. Beide sind in ihrem Outfit nun nicht von den Bewohnern dieser Insel zu unterscheiden.

Das Essen hat aus vielen kleinen Gängen bestanden, die über die Dauer der Vorstellung verteilt wurden. Nun klatschen die Zuschauer und anschließend verlassen immer mehr Leute die Zuschauerränge. Auch Tanaka-San erhebt sich. Er wartet, bis auch wir aufgestanden sind. Auf meiner Armbanduhr sind drei Stunden vergangen.

Wir verlassen das Baraetishiata -Varieté-Theater- und schlendern langsam durch die Gänge. Man kann sehen, wie es hinter der Stirn der jungen Herrin arbeitet. Niemand von uns unterbricht die Stille.

An der Wegscheide fragt Tanaka-San nur:
"Sollen wir gemeinsam zu unserer Wohnung gehen und bis zum Abendessen ein Gesellschaftsspiel machen? Oder brauchen Sie nach der Vorstellung etwas Ruhe, Amatsuka-San? In dem Fall wollen wir Sie und ihre Zofe zu ihrem Appartement bringen!"

"Hai, sumimasen -Ja, bitte-! Ich möchte mich etwas ausruhen. Zum Abendessen können Sie ja nach uns schicken lassen," antwortet sie leise und nachdenklich.

Infolge bringen uns Tanaka-San und seine Frau zu unserem Appartement zurück. Dort verabschieden sie sich von uns und wir betreten unseren Raum. Die junge Herrin steuert sofort die Wohnlandschaft an und legt sich auf die Couch. Ihr Blick, an die Decke gerichtet, geht in weite Ferne. Ich gehe am Couchtisch in den Seiza und warte ab.

Nach einer ganzen Weile wendet sie den Kopf und schaut mich an.

"Was sagst du zu dem Theaterstück?" fragt sie.

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