Donnerstag, 30. Juni 2022
Aibou - Die Zofe -04
Auf der Rückreise zur Bunrei no Shima -Insel der Bunrei (beseelte Steine)- frage ich darum meinen Herrn:

"Mir macht das Schicksal meiner lieben Schwester das Herz schwer, Okyaku-Sama -mein Herr-. Hast du eine Idee, wie man ihr helfen könnte?"

"Hm, wir könnten deinem ehrenwerten Otou-San -Vater- eine Ortsveränderung vorschlagen. Sie soll einmal aus ihrem Schneckenhaus herausgelockt werden. Ein paar Wochen bei uns auf der Insel würden ihr guttun - und sie wäre in deiner Nähe! Ihr könntet gemeinsam ihr Problem aufarbeiten und sie könnte seelisch gestärkt nach Maizuru zurückkehren. Natürlich mit der Maßgabe, jederzeit zu uns für eine Auszeit zurückkehren zu können.
Kameko-chan muss nicht als Nokorimono no Kurisumasukeki*) -liegengebliebener Weihnachtskuchen- enden!"

*)für Japaner gilt eine junge Frau ab 25 als 'liegengebliebener Weihnachtskuchen'.
Wie dieser bis zum 24. Dezember gegessen sein soll, sollte eine junge Frau bis dahin einen Mann fürs Leben gefunden haben...

"Das ist eine wunderbare Idee, Okyaku-Sama -mein Herr-. Darf ich gegenüber meiner ehrenwerten Mutter -rippana Hahaoya- das Angebot aussprechen?"

"Aber ja, meine liebste Nadeshiko -Prachtnelke-!"

Als ich Zeit zum Telefonieren habe, setze ich mich bequem hin und rede mit meiner lieben Mira -Mama- über das Angebot von Tanaka-San für Kameko-chan. Auch sie unterbreitet zuerst beim abendlichen Essen meinem Chichi -Papa- das Angebot. Er ist der Meinung, dass Kameko-chan das Angebot rundweg ablehnen wird, wenn sie ihr die Entscheidung überlassen.

Mein verehrter Otou-San -Vater- schlägt eine gemeinsame Reise mit der eigenen Yacht vor. Da kann sie schlecht ablehnen. Sie würden mit der Yacht zu unserer Insel reisen und hier übernachten. Am Morgen wären die verehrten Oya-San -Eltern- fort und ich kann mich um meine liebe Schwester kümmern. Der Aufenthalt kann gerne ohne zeitliche Begrenzung angelegt sein. Stattdessen soll ihre seelische Verfassung als Maßstab der Dauer gelten.

*

Ich, Youki Momoi, bin jetzt ein halbes Jahr bei der Familie Amatsuka angestellt und fungiere dort als die persönliche Zofe der Tochter Amatsuka Kameko. Inzwischen habe ich herausbekommen, was mit der jungen Herrin los ist. Ich verstehe die Männer nicht! Die Herrin sieht nicht nur wunderschön aus, sie ist nun wirklich eine gute Partie. Ihr Mann wird der Kronprinz im Unternehmen ihres Vaters sein!

Nun unternimmt die Herrin nichts mehr, was geeignet wäre, einen Mann kennenzulernen. An den Empfängen im Haus ihrer Eltern nimmt sie nur widerwillig teil. Ihre miesepetrige Stimmung schlägt jeden Bewerber in die Flucht, den ihre ehrenwerten Eltern ihr dort vorstellen.
Es ist fast ein Wunder, dass die Herrin sich beim sechzigsten Geburtstag ihres Vaters wenigstens ein Stückweit aus ihrem Schneckenhaus herausgetraut und mit ihrer ehrenwerten Schwester Tanaka Moe gescherzt hat.

Ein Monat nach diesem Fest eröffnet die Otetsdai -Haushälterin- mir, dass ich den Koffer für die junge Herrin mit Sachen für etwa einen Monat packen soll. Der Herr hat sich entschlossen eine Kreuzfahrt mit seiner Yacht zu machen. Die Herrin kommt mit und ich soll die Herrin als Gesellschafterin begleiten. Ich bin total glücklich darüber und fiebere dem Start der Reise entgegen. Leider teilt die junge Herrin meine Vorfreude nicht.

Einen Tag später trage ich meinen Koffer und ziehe den Rollenkoffer der Herrin auf das kleine Hafenbecken zu, das neben der großen Slipanlage liegt, mit der man ganze Schiffe an Land zieht.

Die Aufbauten eines Schiffes in weißgestrichenem Metall mit viel Glas ragen aus dem Hafenbecken hervor. Die Herrschaft führt mich und die junge Herrin näher heran. Bald kann ich das Schiff im Hafenbecken überblicken und bin überwältigt. Was ich zu sehen bekomme, ist in meinen Augen ein kleines Kreuzfahrtschiff und keine Yacht!

Wir gehen einen schrägen Steg hinunter zu einem Schwimmkörper, an dem das Schiff festgemacht hat. Von dort führt eine steile Treppe hinauf an Deck. Der Herr sieht mich mit meiner Last die Treppe betreten und bestimmt einen der beiden Seemänner am Fuß der Treppe dazu, mir den Rollenkoffer der jungen Herrin abzunehmen. Nachdem wir die steile Treppe, das Fallreep, erklommen haben, gibt der Mann mir den Koffer zurück. Ich bedanke mich, glücklich lächelnd, mit leichten Verbeugungen.

An Deck führt uns der Herr ins Schiff hinein. Vom Foyer aus führt ein Gang innen mit vielen Türen rechts und links in Richtung Heck. Aber wir sind schon nach wenigen Metern angekommen. Ich öffne die Tür mit der Nummer 11 und bringe das Gepäck in die Kabine hinein. Der Herr hat beim Instruieren gesagt, dass ich die Koffer nicht in die Schränke auspacken soll. Nur das Nachtgewand der jungen Herrin soll ich auf den Futon bereitlegen.

Die junge Herrin ist mir gefolgt und hat sich auf die Couch gelegt. Sie starrt die Kabinendecke an. Neugierig öffne ich die Schränke. Ein Schrankbett, wie in der Villa in einem eigenen separaten Verschlag, gibt es hier nicht. Also werde ich die Nächte an Bord auf der Couch schlafen, wenn die Herrin nicht meine Nähe braucht. Eine solche Nacht, wie an meinem ersten Tag bei der Familie Amatsuka, hat es alle paar Wochen immer wieder einmal gegeben.

Auf dem Esstisch finde ich ein Faltblatt mit dem Grundriss des Schiffes. Ich informiere mich als Erstes, wo sich hier die Küche befindet, damit ich die Herrin bedienen kann. Ich habe in den vergangenen Wochen festgestellt, dass die junge Herrin von sich aus nicht zu speisen verlangt. Ich muss ihr einen geregelten Tagesablauf bieten.

Da knackt der Lautsprecher an der Decke und eine männliche Stimme spricht:

"Kore wa sencho ga hanashite iru. Go josha arigato gozaimasu! -Hier spricht der Kapitän. Willkommen an Bord!- In wenigen Minuten legen wir ab."

"Mögen Sie das Ablegemanöver im Salon vorne beobachten, Herrin?" frage ich nun.

Aber sie wendet nur den Kopf, schaut mich an und meint:

"Geh' du nur, wenn du so etwas noch nie miterlebt hast, Momoi-chan. Ich ziehe es vor, in der Kabine zu bleiben."

Da sich der Boden der Kabine jetzt leicht bewegt, verlasse ich die Kabine und laufe aus dem Kabinengang und durch das Foyer in den vorderen Salon. Dort nähere ich mich der Fensterfront und sehe, wie die Kaimauer des Hafenbeckens schnell an mir vorbeizieht. Das Schiff scheint sich wie ein Tänzer auf der Stelle zu drehen.

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