Samstag, 16. Januar 2021
Yamato Nadeshiko -12-
„Gefalle ich meinem Meister?“ fragt sie schließlich.

Statt der Alltagskleidung einer Meido hat sie im Regal ein durchsichtiges rotes Seidentanzkleid gefunden und angezogen. An ihren Fußgelenken hängen winzige Tanzglöckchen. An Daumen und Zeigefinger jeder Hand hat sie winzige Fingerzimbeln befestigt. Sie beugt ein wenig die Knie und hebt anmutig die Hände über den Kopf. Ihre Fingerzimbeln klingen auf und dann beginnt Moe-chan für mich zu tanzen.

„Ja,“ antworte ich und lächele.

Mehrere Minuten tanzt sie vor mir und ihr Kleid schimmert im Licht der aufgehenden Sonne. Ihre bloßen Füße huschen über die Reisstrohmatten. Mit einem letzten Klirren ihrer Fingerzimbeln fällt sie vor mir zu Boden, ihr Atem geht schnell und in ihren Augen steht Verlangen. Ich beuge mich zu ihr hinunter und nehme sie in meine Arme. Ihr Herz schlägt heftig gegen meine Brust. Sie schaut mir in die Augen, ihre Lippen zittern.

„Das solltest du des Öfteren machen,“ flüstere ich und lege meine Lippen auf die ihren.

Minutenlang halte ich sie so in der Schwebe, dann richte ich mich auf und ziehe sie ebenfalls auf ihre Füße.

„Jetzt solltest du aber deine Meido-Kleidung aus dem Schrank nehmen und dich umkleiden!“

Sie zieht eine Schnute, kleidet sich dann aber doch wie eine Meido. Minuten später, kurz alles zurecht gezupft, präsentiert sie sich mir lächelnd. Sie dreht sie sich vor mir und fällt mir dann hingebungsvoll in die Arme.

„Ich weiß, warum die meisten Mägde ihren Shujin nicht ausreißen wollen,“ sagt sie.

„Warum denn?“ frage ich zurück.

„Weil wir sie lieben und ihnen gefallen wollen,“ stellt sie fest.

„Komm, wir holen unser Frühstück!“ sage ich lächelnd.

Ich lasse sie neben mir her gehen, ohne sie anzuleinen. Unterwegs treffen wir meinen Vater. Er trägt die Kleidung des Kanrisha -Ortsvorstehers-. Moe-chan macht große Augen und verbeugt sich tief bei geradem Oberkörper.

„Aisatsu -Hallo-, Tanaka-kun,“ sagt er. „Ich beglückwünsche dich zu deiner Meido. Du kennst aber auch die Vereinbarung?“

„Hai -Ja-, ehrenwerter Outo-San,“ entgegne ich ihm. „Wir werden beizeiten bereit sein!“

„Gut,“ sagt er und lächelt.

Zurück in meinem Zimmer und nach dem Essensritual fragt Moe-chan:

„Darf ich etwas fragen, Meister?“

„Nur zu!“ fordere ich sie auf.

„Du bist Sohn des höchsten Mannes hier?“

„Das hat nichts zu sagen!“ weise ich sie zurecht. „An deiner Stellung würde sich nichts ändern, wärest du die Magd des Sohnes eines Stiefelputzers!“

Sie schaut zu Boden.

„Du bist ein Nichts!“ erkläre ich ihr. „Erst durch mich bist du eine Meido, egal welche Position ich in der Gesellschaft bekleide. Selbst wenn ich auf der untersten Stufe der Hierarchie stünde. Bei den Meidos gibt es untereinander keine Hierarchie. Alle Meidos sind gleich!“

„Ja, ich weiß,“ flüstert sie. „Was meinte der ehrenwerte Vater meines Shujin mit der Vereinbarung?“

„Eine Meido ist nicht neugierig!“ gebe ich zurück.

*

Ich habe ihre private Kleidung zum Waschen und Ausbessern gegeben. Ein Tag darauf bin ich in die Wäscherei gerufen worden. Dort zeigt man mir ihre Kleidungsstücke, in denen sie von der Gokudo -extremer Weg (Yakuza)- aufgegriffen worden ist und die sie dort hinter Gittern getragen hat, während die Leute auf ihr Lösegeld gewartet haben.

Sie sind zum Teil irreparabel und würden schäbig aussehen. Ich beauftrage die Leute nun, neue vergleichbare Kleidung in ihrer Größe zu besorgen und mir schnell zukommen zu lassen. Am Vormittag des nächsten Tages klopft es an meine Tür. Eine Meido steht dort, verbeugt sich tief und streckt mir ein Kleidungspaket entgegen. Mich bedankend, nehme ich das Paket an und schließe die Tür.

Nun drehe ich mich zu meiner Meido um, die neben dem Tisch kniet und auf einen Auftrag von mir wartet. Ich sage:

„Lege deine Kleidung ab und zieh diese hier an!“

Sie erhebt sich und schaut, was ich auf den Tisch lege.

„Das sind Kleidungsstücke für den Alltag,“ meint sie. „Warum muss ich meine Meido-Kleidung gegen diese hier tauschen?“

„Wir erhalten heute Mittag Besuch aus Japan. Da ist es besser, in Zivil aufzutreten,“ erkläre ich ihr.

Ich nehme ihr den Halsreifen mit der Erklärung ab, dass ich ihn bei einem örtlichen Juwelier ändern lassen will. Während sie sich zurechtmacht, verlasse ich sie kurz. Als ich zurück bin, steht eine junge Frau vor mir in Rock und Bluse, sowie Pumps. Ich lächele sie an, lege selbst einen Business-Anzug an und sage danach zu ihr:

„Komm, wir gehen schnell zu dem Juwelier und schauen, wie weit er ist.“

Dort zeigt mir der Mann einen Halsreifen mit meinem Namen innen und dem Namen, mit dem ich sie als Meido rufe: ihrem Vornamen Moe -Spross, Knospe-. Den Halsreifen übernehme ich in einem Schmuckkästchen. Anschließend darf sie sich Uhr und Schmuck aussuchen, wie sie sie am Tag ihrer Entführung getragen hat. Danach gehen wir wieder zurück in mein Zimmer.

Schon unterwegs fragt sie mich:
„Der Halsreifen ist mit meinem Namen versehen worden. Warum darf ich ihn nicht tragen?“

„Möchtest du den Halsreifen im Alltag in Japan rund um die Uhr tragen, auch wenn du wieder zu deiner Familie zurückkämst?“

„Deshalb muss ich Zivil tragen? Jemand aus meiner Familie kommt mich holen?“

Ich lächele.

„So ist es, meine Meido. Bald bist du wieder die Freie Frau Amatsuka-San und kehrst in dein früheres Leben zurück.“

Sie sinkt vor mir auf die Knie und beugt sich, bis die Nase fast den Boden berührt.

„Warum darf ich nicht bei meinem Shujin bleiben?“

„Heißt es nicht, ‚alles was du frei gibst und aus eigenem Willen zu dir zurückstrebt ist dein‘? Außerdem würde dein Vater denken, wir würden dich gegen deinen Willen auf der Insel gefangen halten. Das gäbe Probleme, nicht nur für die gegenseitigen Geschäftsbeziehungen.
Geh mit ihm und komm zurück, wenn deine Sehnsucht übermächtig wird. Das wiederum würde dein Vater verstehen.“

Ich helfe ihr auf und zusammen gehen wir zum Balkon, der an den Ratssaal angebaut ist. Dort ist schon ein Tisch für elf Personen gedeckt worden. Alle Anwesenden tragen Business-Outfits, bis auf vier Personen in nautischen Uniformen, die mit ihrem Vater gekommen sind. Zwei Plätze zwischen Moe-chans ehrenwerten Eltern und meinem Vater sind noch nicht besetzt. Wir steuern darauf zu und ich überlasse ihr den Platz neben ihrem Vater.

*

Amatsuka-San fährt mit ihren ehrenwerten Oya-San -Eltern- in ihre Heimat zurück. Dort nimmt sie ihr Studium wieder auf. Sie erhält einen Bodyguard zur Seite gestellt. Irgendwann erhalte ich einen Anruf von ihr via Skype. Im Hintergrund höre ich einen Dozenten sein Referat halten.

„Moshi moshi –‚Ich werde reden‘ (Begrüßung im Bekanntenkreis)-“

„Hajimemashite -Schön, dich zu treffen-, Amatsuka-San,“ begrüße ich sie.

„Dozo yoroshiku -Ich bitte um deine Freundlichkeit-. Moe desu -Ich bin Moe-!“ mault sie mit spitzen Lippen.

Ich lächele in die Frontkamera und meine:
„Solltest du nicht gerade aufpassen, was der Dozent vorträgt?“

„Ich kann mich nicht konzentrieren,“ gibt sie zu. „Ich habe solche Sehnsucht. Ich musste dich unbedingt jetzt sehen und hören, mein Shujin.“

„Hm,“ mache ich. „Wenn das Gefühl so stark und scheinbar unstillbar ist, solltest du mit deinem Vater reden. Du solltest ihm ehrlich sagen, dass du deine Zukunft an meiner Seite siehst. Ich werde mit meinem Vater ein ebensolches Gespräch führen. Unsere beiden Otou-San -Väter- werden miteinander in Verhandlungen treten.“

Ihre Augen beginnen zu strahlen wie zwei Sonnen.
„Dir geht es also genauso wie mir! Du willst mich heiraten…“

„Moe-chan, ist es dein Wunsch, meine Meido zu sein für den Rest deines Lebens?“ frage ich sie.

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