Montag, 18. Januar 2021
Yamato Nadeshiko -13-
„Hai -Ja-!“ ruft sie ins Handy, um sich sofort die Hand auf den Mund zu legen und verstohlen nach rechts und links zu schauen.

Mein Lächeln wird stärker. Ich antworte ihr:

„Dann soll es so geschehen! Für deine ehrenwerten Eltern inszenieren wir aber eine Shinto kekkonshiki -Shinto-Hochzeit-. So ist für sie auch die Welt in Ordnung! Dazu wird mein ehrenwerter Vater bei deinem Otou-San vorsprechen, wie es üblich ist.“

Wie verabredet spreche ich mit meinem ehrenwerten Otou-San darüber. Er nickt lächelnd und hat an diesem Abend noch ein längeres Gespräch mit Amatsuka-San, dem Shachou -Präsident (CEO)- der Amatsuka Werft in Maizuru in der Präfektur Kyoto.

Am Sonntag darauf fahren wir mit dem Speedboot nach Maizuru. Mein Otou-San nimmt seine Lieblings-Meido mit, die für diesen Besuch einen festlichen rosé-farbenen Kimono angelegt hat. Wir Männer tragen je einen anthrazitfarbenen Smoking und der Pilot trägt seine weiße Marine-Uniform.

Als wir in Maizuru ankommen, erkennen wir, dass wir nicht so einfach an Land kommen. Wir müssten die Leitern in den Spuntwänden der Werft beinahe zehn Meter emporklettern wegen Ebbe. Der Pilot sucht einen Ponton mit Brücke und findet mehrere, deren Schwimmkörper zwei Meter hoch aus dem Wasser ragen.

Inzwischen ist man auf uns aufmerksam geworden. Werftarbeiter kommen heran, denen wir zwei Taue zuwerfen können. Wir machen an einem Ponton fest. Als nun ein freundlicher Arbeiter eine Alu-Leiter bringt, winkt mein Otou-San -Vater- lächelnd ab. Er bedankt sich höflich mit Verbeugung und sagt, dass wir das anders regeln. Anschließend öffnet er und der Pilot die Stauräume hinter der Kabine und sie befestigen die Rotore an den Anschlüssen im Kabinendach.

Als beide wieder an ihren Plätzen hinter den Kontrollen sitzen und die Riegel lösen, haben sich bestimmt ein Dutzend Zuschauer eingefunden. Anschließend werden die Rotoren hochgefahren und die Kabine löst sich aus dem Unterteil. Wir steigen auf etwa fünf Meter über dem Bodenniveau des Werftgeländes und mein ehrenwerter Vater dirigiert den Piloten vor das Privathaus im Park hinter dem Verwaltungsgebäude. Dort gehen wir nieder und mein Otou-San hilft seiner Meido aus dem Quadrokopter, die wegen des Kimonos in ihrer Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkt ist.
Kaum stehen wir gemeinsam neben dem Fluggerät, als sich die Haustür öffnet und Amatsuka-San heraustritt, uns zu begrüßen.

„Konnichiwa!“ sagt er und verbeugt sich leicht.

Wir nähern uns ihm und begrüßen ihn ebenfalls. Er führt uns auf einen Weg um sein Haus herum. In einem besonderen Gartenbereich steht dort ein traditionelles Holzhaus, sein Teehaus.

Davor steht eine Bank und ein steinernes Wasserbassin unter einem offenen überdachten Bereich -Machiai-. Unser Gastgeber legt eine Schöpfkelle bereit. Danach verlässt er uns und betritt das Teehaus. Wir reinigen uns nun Mund und Hände mit dem Wasser. Nun betreten wir das Teehaus durch eine etwa ein Meter hohe Tür für die wir uns auf die Knie hinunterlassen müssen. Dabei entschuldigen wir uns für den Zutritt, wie es üblich ist, mit:
„O-jama shimasu -Ich störe jetzt-“ und ziehen unsere Schuhe aus.

In der Raummitte gibt es eine Grube, in der ein Holzkohlefeuer glimmt. In einer Tokonoma -Nische- steht ein Cha-bana -Blumengesteck-. Der letzte Gast schließt die Tür mit einem leichten Geräusch.

Über dem Holzkohlefeuer ruht der eiserne Wasserkessel -Kama- und daneben sitzt die Hausherrin, die Ushiro madama -Gnädige von hinten- im kostbaren Kimono. Wir lassen uns in den Seiza -Kniesitz- nieder. Nun serviert Amatsuka-San den Koicha, den dicken Tee. Dieser muss ‚gegessen‘ werden. Der Gastgeber bereitet eine Schale zu und reicht sie meinem Vater, die dieser mit einer Verbeugung annimmt.

Nun reicht mein Otou-San die Schale weiter. Jeder trinkt drei Schluck, dreht die Schale und gibt sie dann weiter. Mit einem „Dozo okashi-o“ fordert Amatsuka-San uns auf, von den angebotenen Süßigkeiten zu nehmen, um den bitteren Geschmack im Mund zu überdecken. Währenddessen geht die Schale zurück an den Gastgeber, der sie reinigt.

Anschließend wiederholt sich alles mit dem Usucha, dem dünnen Tee. Während der Teezeremonie sind alle Anwesenden still. Danach erst erkundigt sich mein ehrenwerter Vater höflich nach der verwendeten Teesorte und wir bestaunen und loben das teure Teegeschirr. Die leichte Konversation, die sich nun entwickelt, spart alle Themen aus, die sich nicht um Tee drehen.

Nach vielleicht zwei Stunden klingt die Teezeremonie aus. Nun wechseln wir hinüber zu der modernen Villa des Gastgebers. Dort trifft auch Amatsuka Moe auf uns, während der Pilot zum Quadrokopter geht, um die folgenden Privatgespräche nicht zu stören.

Hausangestellte servieren eine Menge kleiner Gänge. Die Väter besprechen die angestrebte Hochzeit. Amatsuka-San wendet sich auch an mich. Er sagt:

„Meine liebe Tochter hat mir ihre Befreiung dargestellt. Darf ich die Geschichte auch noch einmal aus Ihrer Sicht hören, ehrenwerter Tanaka-San?“

Ich lächele und berichte:

„Es bedurfte Geduld, um mit der Gokudo -extremer Weg (Yakuza)- eine Verbindung zu knüpfen. Dann habe ich mich mit meinem Kontaktmann von der Gegenseite getroffen und ehrlich gesagt, dass ich momentan mit leeren Händen komme. Daraufhin hat man mich betäubt und verschleppt. Vielleicht dachte man, mit meiner Person noch mehr Druck ausüben zu können. Ich trage allerdings einen Chip unter der Haut, der mit GPS angepeilt werden kann.
Ich wachte in einem traditionellen Haus in den Bergen auf. Dort war es mir möglich, mich unter den Augen des Wachpersonals außerhalb des Hauses zu bewegen. Ich ging zum Meditieren nach draußen und änderte meinen Sitzplatz bis zu dreimal am Tag. Irgendwann hatte ich hinter einem der Gitter in Bodennähe Bewegung entdeckt. Augen schauten mich an. In einer Nacht öffnete ich das Gitter und fragte, ob Amatsuka-San unter den Gefangenen sei. Sie bestätigte es mir…“

Ich schaue lächelnd zu Moe-chan hinüber.

„Dann sagte ich, sie soll sich beim Ausbruch still in meiner Nähe halten. Die Anderen sollten laut in verschiedenen Richtungen davonlaufen. Nun führte ich Amatsuka-San von der Hütte weg. Die Männer meines Vaters hatten inzwischen meinen Standort ermittelt und folgten dem Signal des Chips bis sie eine Möglichkeit des Zugriffs fanden. Dann sind wir mit dem Quadrokopter zum Boot geflogen, haben ihn darin versenkt und sind anschließend zur Insel meines Vaters gefahren, der Sie informiert hat. Ein paar Tage darauf haben Sie uns mit Ihrer Yacht besucht.“

„Und während dieser Reise haben Sie beide also Gefühle für einander entdeckt…“ meint Amatsuka-San.

„So ist es,“ sage ich mit fester Stimme und schaue unserem Gastgeber in die Augen.

Ich ziehe eine Schachtel aus der Innentasche meiner Anzugjacke, die in kostbares Papier gehüllt ist. Darin befindet sich ein Fächer mit einer kostbaren Zeichnung auf dem gefalteten Papier. Er ist in dieser Situation ein Symbol für Wachstum und Wohlstand. Auch überreiche ich ihm einen Umschlag mit goldenen und silbernen Verzierungen, dem Shugi-bukuro. Darin befinden sich einige hohe Geldscheine. Amatsuka-San nimmt sie lächelnd an und überreicht anschließend uns ähnliche symbolhaltige Geschenke. Damit bin ich mit Amatsuka Moe verlobt.

Mein ehrenwerter Vater und Amatsuka-San haben kurz darauf unseren Piloten mit einem Ingenieur der Werft bekanntgemacht. Unser Pilot zeigt dem Ingenieur wie die Kombination aus Quadrokopter und Speedboot funktioniert. Dieses Fahrzeug ist etwas kleiner als der Meisai -Tarn-. Ihm fehlt der Jetantrieb und die dafür erforderlichen Tanks. Die Werft wird das Fahrzeug auseinandernehmen und kopieren. Anschließend erhalten wir das Speedboot zurück.

Wir selbst fahren als Gäste auf Amatsuka-Sans Yacht zur Insel zurück. Für das Schiff bedeutet das eine zweitägige Fahrt. Amatsuka-San, seine Ushiro madama -Gnädige von hinten- und Amatsuka Moe begleiten uns. So haben wir ein paar Stunden für uns, an denen ich mit Moe-chan – unter den strengen Augen unserer ehrenwerten Väter – an Deck stehe. In einem stillen Moment, eins mit Wind und Wellen, äußere ich:

„Der Mond ist schön!“

Sie schaut mich verliebt an und erwidert:

„Schau den Blütenzweig! In jedem Blatt der zarten Blüten schlummert hundertfach ein liebes Wort aus unruhiger Brust.“

An der Anlegestelle unserer Insel muss ich mich schon wieder von Moe-chan verabschieden. Doch es wird nicht für lange sein!

*

Amatsuka-San hat einen Termin im größten Schrein in Kyoto, dem Verwaltungssitz der gleichnamigen Präfektur bekommen. Wir werden eine Hochzeit im Shinto-Ritus im Heian Jingu-Schrein feiern! Vorher haben wir eine amtliche Urkunde mit unseren persönlichen Siegeln versehen.

Wieder holt uns Amatsuka-Sans Yacht ab und anschließend fahren wir mit Oldtimern aus Amatsuka-Sans Sammlung die zweistündige Strecke. Vorher ist Moe von zwei Stylistinnen zurechtgemacht worden, die auf den richtigen Sitz des Kimonos geachtet haben, der aus einer Menge Stofflagen besteht und einiges wiegt. Auch die kunstvoll hochgesteckten Haare mit den Accessoires sind ihrer Hände Arbeit.

Wir treten nur in Begleitung unserer Eltern vor den Priester in seiner typischen Tracht. Moe-chan trägt dabei einen blütenweißen Kimono und eine weiße Kapuze um ihr kunstvoll hochgestecktes Haar. Die Farbe symbolisiert Reinheit und Harmonie – und die Bereitschaft der Braut, sich mit den Werten ihrer neuen Familie zu „färben“ (zu identifizieren). Ich trage als Bräutigam eine dunkle knielange Jacke und eine faltenreiche weite Hose.

Der Priester führt eine rituelle Reinigung durch, dann folgt das Ehegelübde und die Opferung von Zweigen des Sakaki-Baumes. Anschließend trinken wir gemeinsam aus drei Schalen vom Priester geweihten Sake. Nun sind wir miteinander verheiratet. Danach fahren wir nach Maizuru zurück, wo Amatsuka-San ein Restaurant angemietet hat.

Dort werden wir auf einige Professoren Moe-chans treffen und ihren Kommilitonen. Von unserer Seite nehmen die Ratsherren der Insel mit ihren Lieblings-Meidos teil. Auch Verwandte und Freundinnen Moe-chans sind eingeladen. Jeder Gast ist im Besitz einer entsprechend teuren Eintrittskarte. Sachgeschenke sind unüblich.

Bevor wir das Restaurant betreten, lassen wir eine professionelle Photo-Session über uns ergehen. Die Bilder sind auf besonderem Fotopapier gemacht und sollen angeblich hundert Jahre halten.

Anschließend hat Moe-chan Zeit sich umzuziehen. Zum folgenden Hochzeitsempfang im Restaurant trägt sie einen Hikifurisode in lebhaftem Kaminrot, übersät mit vielen Mustern. Ein bezahlter Moderator führt ab jetzt durch den anderthalbstündigen Hochzeitsempfang. Unsere Väter halten Reden. Das Hochzeitsessen… Alles ist minutiös getaktet.

Zur Sitzordnung kann man folgendes sagen: Neben den Brautleuten sitzen deren Chefs, Lehrer, Kollegen, Kommilitonen, Freunde. Erst dann kommen die Verwandten. Schließlich die Familien und ganz hinten die Eltern.

Nachdem die Väter in ihren Reden die Vorzüge ihrer Kinder herausgestellt haben, ist es an den Brautleuten, ihnen darauf zu antworten. In emotionalen Reden danken wir unseren Eltern für die erfahrene Unterstützung während der vergangenen Jahre und sprechen dabei durchaus tränenrührende Momente an. Wir überzeugen die Hochzeitsgesellschaft, dass sie die besten Eltern sind, die man sich vorstellen kann.

Moe-chans Professoren und Kommilitonen geben einige Anekdoten preis, wie auch meine Lehrer, nachdem ich auf die Insel geholt worden bin. Als Moe-chans beste Freundin ihre Rede hält, hört man viele Papiertaschentücher rascheln. Das Brautpaar, also wir verteilen nun Geschenke an die Gäste, um uns zu bedanken, dass sie der Einladung gefolgt sind. Dabei handelt es sich um Süßigkeiten und Gedenkteller, hübsch und sorgfältig verpackt.

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