Montag, 4. Januar 2021
Yamato Nadeshiko -6-
In diesem Moment tritt eine junge Japanerin an mich heran, beugt lächelnd den Oberkörper leicht vor und ‚flötet‘ mich an:
„Irasshaimaseeee -Willkommen!“

Ich nicke ihr lächelnd zu und sage, dass ich hier von Kobayashi-San erwartet werde, wie mein Kontaktmann heißt. Sie lächelt zurück und weist mit der Hand in den Raum. Ich folge ihr zu einem freien Tisch. Nach ein paar Minuten warten, tritt ein älterer Herr an meinen Tisch.

„Konnichiwa -Guten Tag-, hajimemashite -schön Sie zu treffen-. Kobayashi Ichiro to jimasu -Mein Name ist Kobayashi Ichiro-.“

Ich nicke lächelnd und antworte:
„Konnichiwa. Tanaka Masao to jimasu. Dozo yoroshiku -Ich bitte um Ihre Freundlichkeit-.“

Dabei weise ich auf den Stuhl neben mir. Mein Gesprächspartner setzt sich zu mir und wir bestellen jeder einen Tee bei der Bedienung. Nachdem der Tee vor uns steht, erkläre ich ihm:

„Ich bin von anonymer Seite gesandt worden, Ihnen zu sagen, dass das Geld bereitliegt. Ich soll mit einer detaillierten Handlungsanweisung zu einem weiteren Treffpunkt kommen und diese Anweisung demjenigen übergeben, der mich dort erwartet. Yoroshiku onegaishimasu -Sei bitte nett zu mir-.“

Mein Gegenüber nickt bedächtig.

„Kochira Kosso Oneigaishimasu – Sei bitte ebenfalls nett zu mir,“ äußert er sich. „Ich glaube, wir müssen beide noch einmal in uns gehen. Sumimasen -Entschuldigung-.“

Bei diesen Worten erhebt er sich. Ich erhebe mich ebenfalls, um ihm höflich zuzunicken. Der erste Kontakt ist wohl ‚in die Hose gegangen‘.

In diesem Moment werde ich von hinten festgehalten und man hält mir ein Tuch vor Nase und Mund.

*

Als ich erwache, habe ich leichte Kopfschmerzen und keine Ahnung, was mit mir geschehen ist und wie ich hierher gekommen bin. Ich öffne die Augen und sehe mich auf einer Futon-Matratze in einem sonst fast leeren Raum liegen.

Außer dem Futonbett, zwei Stühlen und einem Tisch, ist der Raum leer. Die Stühle haben, wie hier in Japan oft gebräuchlich, keine Stuhlbeine und entsprechend niedrig ist auch der Tisch. Der Fußboden ist mit Reisstrohmatten bedeckt und die Wände bestehen aus verschiebbaren Elementen.

Als ich mich nun in Sitzposition aufrichte, gleitet ein Wandelement zur Seite und mein Kontaktmann betritt den Raum.

„Ah, Tanaka-San, Sie sind wach!“ bemerkt er lächelnd und neigt den Kopf leicht. „Entschuldigen Sie die Umstände. Aber Sie dürfen nicht wissen, wo Sie sich hier befinden.“

Er klatscht in die Hände und in der Tür erscheint eine junge Japanerin. Ich meine, ich hätte sie schon einmal gesehen. Sie legt ihre Hände flach an ihre Oberschenkel und beugt sich mit dem ganzen Oberkörper leicht vor. Kobayashi-San spricht mit ihr, worauf sie sich wieder entfernt und kurz darauf mit Stift und Papier zurückkommt.

Mein Kontaktmann sagt nun:

„Entschuldigen Sie, aber Sie sollten die Situation, in der Sie sich befinden frei zu Papier bringen. Sie sind sich doch im Klaren, dass sie einige Zeit unser Gast sein werden? Ihre Schilderung werden wir, mit einer kleinen Erklärung versehen, an den Kontaktmann senden, mit dem wir schon wegen der hübschen Amatsuka-San in Verbindung stehen. Ich denke, dass sie das von der Ernsthaftigkeit unseres Angebotes überzeugen wird.“

Ich entwerfe also mit ein paar Zeilen meine aktuelle Situation und reiche ihm dann das Blatt zum Durchlesen. Er nickt lächelnd und meint:

„Arigatou gozaimasu. – Vielen Dank!“

„Eine Frage,“ merke ich auf, „darf ich erfahren, um was für ein Gebäude es sich hier handelt? Ist es ein einsames Bauwerk in unberührter Natur?“

„Warum interessiert Sie das?“ fragt er zurück.

„Aus verschiedenen Gründen. In der Nähe vieler Menschen dürften wir uns hier sicher nicht befinden. Da wäre bestimmt die Gefahr einer Entdeckung für Sie zu groß. Befindet sich das Bauwerk inmitten unberührter Natur, könnte ich mich – ihre Erlaubnis vorausgesetzt – vor das Haus in die Landschaft setzen und meditieren?“

Kobayashi-San grinst von einem Ohr zum anderen und nickt.

„Aber ja, das dürfen Sie gerne tun, wenn Sie sich nicht zu weit entfernen!“

„Mein Ehrenwort!“ sage ich.

*

In den folgenden Wochen gehe ich zwischen den Mahlzeiten vor das Haus und setze mich in Meditationshaltung auf das Gras. Während dieser Sitzungen, die immer an einem anderen Platz stattfinden, drehe ich mich ein wenig, so dass ich das Haus und seine Umgebung im Blick habe. Bald habe ich einen vergitterten Bereich entdeckt. Manchmal kann ich weibliche Gesichter mit sorgenvoller Miene erkennen, die nach draußen blicken.

Ich ändere meinen Tag-Nacht-Rhythmus. Nun gehe ich mit Erlaubnis Kobayashi-Sans schon um Mitternacht zum Meditieren nach draußen. Wir haben abnehmender Mond. In den nächsten Nächten dürfte das Mondlicht immer schwächer werden. Ich suche eine Möglichkeit, das Gitter zu öffnen. Ein rostiger Nagel gibt mir die Chance.

Als der Mond hinter einer Wolke verschwunden ist, mache ich mich ans Werk. Dann habe ich das Gitter offen und flüstere:

„Warten, bis eine Wolke das Mondlicht dämpft! Dann leise öffnen und loslaufen! Ist die ehrenwerte Amatsuka-San unter euch?“

„Hai -Ja!“ antwortet eine der jungen Frauen flüsternd. „Mein Name ist Amatsuka Moe.“

„Halte dich in meiner Nähe, kudasai -bitte-!“

Eine Viertelstunde später kommt wieder eine günstige Gelegenheit. Der Mond wird von einer Wolke verdeckt. Das Gitter fällt, die jungen Frauen krabbeln ins Freie und laufen davon. Dabei fächern sie sich auf.

Als das Gitter fällt, ertönt eine Sirene. Ich ducke mich und schaue mich um. Eine junge Frau kriecht neben mich.

„Wenn sie einen Scheinwerfer haben, dürfen wir nicht sichtbar sein!“ rate ich ihr. „Halte dich also immer in der Deckung von Felsen. Bezähme deine Neugier! Hebe niemals deinen Kopf aus der Deckung! – Und nun los, damit du bald wieder bei deinem ehrenwerten Vater sein kannst.“

Wir krabbeln in einer anderen Richtung davon, als der, die die jungen Frauen vorhin genommen haben.
Nach einer ganzen Weile wagen wir es, uns aufzurichten und einen Pfad entlang zu gehen.
Unterwegs hat sie mich gefragt, ob ich zu den Männern ihres Vaters gehöre und ich erkläre ihr wahrheitsgemäß, dass ich der Sohn eines Geschäftsfreundes bin.

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