Mittwoch, 6. Januar 2021
Yamato Nadeshiko -7-
An einer Weggabelung probt sie den Aufstand. Sie will die Führung übernehmen und nimmt die entgegengesetzte Abzweigung, als diejenige die ich vorschlage. In ihrer Richtung erkennt man im Mondlicht die dunkle Silhouette eines Waldes.

„Wir werden uns im Wald verbergen bis es hell ist und wir uns orientieren können, wohin wir uns wenden können!“ bestimmt sie.

„Nachts ist es zu gefährlich im Wald, wegen der Bären!“ gebe ich zu bedenken.

„Du wirst mich beschützen!“ befiehlt sie.

„Ich nehme von der Tochter des Shachou -Präsidenten- einer Firma, wie groß sie auch sei, keine Befehle entgegen,“ antworte ich, folge ihr aber in Richtung des Waldes.

„Du musst mich beschützen,“ wiederholt sie, diesmal mit flehendem Unterton.

„Warum?“ frage ich ungehalten.

„Weil ich deine Hilfe brauche!“ antwortet sie wütend.

„Bittest du mich um diesen Gefallen?“ frage ich in ruhigem Ton.

Sie senkt den Kopf und beugt ihren geraden Oberkörper leicht vor, während ihre Hände flach an ihren Oberschenkeln anliegen.

„Hai -Ja-, ich, die Tochter des Präsidenten der Amatsuka Werft Corporation, bitte dich um deinen Schutz.“

„Wie kann ich wissen, dass du es ernst meinst?“

Eine lange Gedankenpause entsteht, während wir dem Wald immer näherkommen.

„Ich weiß, worauf du jetzt wartest,“ bemerkt Amatsuka-San im ruhigen Ton.

Eine Sekunde später kniet sie vor mir auf dem Pfad und beugt ihren Oberkörper tief hinab. Ohne den Kopf zu heben, sagt sie mit klarer Stimme:

„Ich unterwerfe mich dir.“

Nun gehe ich in die Hocke, hebe mit dem Zeigefinger ihr Kinn an und sage:
„Ich nehme deine Unterwerfung an.“

Jetzt bin ich für ihre Sicherheit und ihr Wohl verantwortlich. Nun hätte sie sich auch meiner Führung unterwerfen müssen. Ich hätte auf der Stelle umkehren und den anderen Weg einschlagen können. Aber ich bleibe bei ihr und dringe mit ihr tiefer in den Wald ein.

Plötzlich steht vor uns ein dunkler Schatten. Ein tiefes, gefährliches Brummen ertönt.

„Auf den Baum!“ rufe ich.

Sie klettert und ich hebe sie. Der Bär hat sich zur Attacke entschieden und kommt schnell näher. Im letzten Augenblick weiche ich hinter den Stamm aus. Der Bär läuft noch eine kurze Strecke und wendet dann. Er kommt zurück.

„Höher!“ rufe ich und klettere selbst den Stamm hoch.

Dort verweilen wir eine Zeitlang, bis der Bär sich trollt. Als es allmählich zu dämmern beginnt, klettere ich zu Boden und helfe ihr herunter. Schließlich hat sie es geschafft, trotz ihrer Angst abzustürzen. Da es nun heller ist, halten wir uns neben dem Pfad hinter der ersten Baumreihe in Deckung.

Wir erreichen eine abschüssige Lichtung. Kein idealer Platz für eine Landung des Quadrokopters, aber ich vertraue auf das fliegerische Können des Piloten. Also sage ich zu Amatsuka-San:

„Wir werden hier neben der Lichtung in Deckung der Bäume rasten!“

Wir setzen uns auf den Waldboden und schweigen uns eine Weile an. Irgendwann erhebt sie das Wort und sagt:

„Du hast mich befreit und das Leben gerettet in dieser Nacht!“

Ich nicke.

„Hast du etwas zu essen?“

„Sumimasen, zan’nen’nagara ie -Entschuldigung, leider nein-,“ antworte ich. „Wir werden warten müssen, bis wir etwas finden.“

Wieder vergeht eine längere Zeit des Schweigens, bis sie fragt:
„Worauf warten wir eigentlich?“

„Du wolltest ja unbedingt in den Wald! Nun musst du auch die Konsequenz des Wartens ertragen.“

„Wir warten, dass uns die Häscher wieder einfangen!“ mutmaßt sie und wirft sich auf mich.

Schnell habe ich sie unter mir liegen, stehe gebückt über ihr und drücke einen Arm auf ihrem Rücken hoch, dass es schmerzen muss.

„Ich stelle fest, dass ich dir noch gehörigen Respekt beibringen muss,“ sage ich.

In diesem Moment vernehme ich das leise Geräusch eines fernen Hubschraubers. Das Geräusch steigert sich.

„Was ist das?“ fragt sie.

„Das hört sich nach einem Hubschrauber an, der zufällig vorbeifliegt,“ gebe ich zur Antwort.

„Sollen wir uns nicht bemerkbar machen? Dann kann man mich zu meinem Vater fliegen und du wirst fürstlich belohnt werden!“

„Oder wir werden eingefangen und in Käfige gesteckt,“ meine ich.

Ihre Körperspannung verlässt sie wieder. Ich lasse sie los und setze mich wieder an meinen Platz.

Das Geräusch wird laut. Ein dunkler Schatten schiebt sich über die Bäume auf die Lichtung hinaus. Amatsuka-San erhebt sich. Ich mache es ihr gleich. Sie erkennt die vier Motoren und wirft sich gegen mich, so dass ich zwischen den Bäumen auf die Lichtung hinauspurzele. Sie hält sich an mir fest und plötzlich hat sie eine Scherbe in der Hand, die sie mir an die Gurgel hält.

Ich bäume mich auf und werfe sie ab, bis ich sie in demselben Griff habe, den sie heute Morgen schon einmal gefühlt und zur Bewegungslosigkeit verdammt hat.

Der Pilot kann auf dem abschüssigen Boden nicht landen. Er hält den Quadrokopter in der Schwebe und öffnet die Cockpitverglasung. Ich hebe Amatsuka-San an und lege sie mir über die Schulter. Sie strampelt mit den Beinen. So nähern wir uns dem Fluggerät.

Beim Cockpit angekommen, setze ich sie auf den Boden ab und versetze ihr genervt ein paar Backpfeifen. Danach ist sie ruhig und lässt sich auf einen Sitz festschnallen. Ich setze mich neben sie und schließe die Cockpitverglasung. Sofort gewinnt der Quadrokopter an Höhe und verlässt den Wald. Wir streben der nahen Küste zu.

Unterwegs schaue ich mich suchend um und finde ein dünnes Seil und eine Einkaufstüte. Ich fasse Amatsuka-Sans Handgelenke und fessele sie. Wieder wehrt sie sich. Ich frage:

„Hast du dich mir unterworfen, oder nicht? Was ist die Unterwerfung Amatsuka-Sans überhaupt wert?“

Wieder überzeugt sie erst eine Backpfeife. Danach stülpe ich ihr den Beutel über den Kopf und setze ihr den Kommunikationshelm auf, allerdings ohne ihn in die Bordkommunikation einzustöpseln.

Jetzt erst lässt sich der Pilot vernehmen.

„Haben Sie sich einen Tiger eingehandelt, Tanaka-San?“ fragt er grinsend.

„Ich denke mir das beinahe auch,“ gebe ich zurück. „Wir werden einen Käfig brauchen.“

Nach anderthalb Stunden Flugzeit erreichen wir die Küste und der Quadrokopter senkt sich in die vorgesehene Öffnung des ‚Mutter‘-fahrzeugs. Der andere Pilot klettert zu uns herein, nachdem die Rotore verstaut sind und setzt sich mit einen etwas dümmlichen Gesichtsausdruck, wegen der übergestülpten Einkaufstüte bei Amatsuka-San, auf seinen Platz. Wieder wird die Verbindung zur Steuerung des schnittigen Unterteils hergestellt und der Motor startet. Als Speedboot geht es zurück zur Insel.

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