Montag, 26. September 2022
Kaede, die Samurai -13
Beim Haus der Haarkünstlerin bedankt sich der Soldat bei der Wache:

"Arigatou gozaimasu, Kamerad. Hier hast du ein Geschenk für deinen Dienst."

Der Soldat übergibt der Torwache eine kleine Flasche Saki. Während er nun das Haus betritt, zieht sich die Wache an ihren Platz am Tor zurück. Er bedankt sich bei den Soldaten dort und öffnet die Flasche, um sich einen großen Schluck zu genehmigen. Die Soldaten entfernen sich wie selbstverständlich ins Innere des Hanamachi.

Im Haus der Haarkünstlerin trifft der Soldat nur den Gaijin an.

"Wo ist Ito-San?" fragt er.

"Ito-San befindet sich beim Chrysanthemen-Teehaus. Sie erkennen es an der Sänfte des Fujimoto-Sensei vor dem Eingang. Die Hausherrin hier befindet sich ebenfalls dort. Ito-San hat die Umgebung des Teehauses im Blick. Umeko-San steht mit ihm im Blickkontakt und achtet auf die Geisha Moe-San, das hoffentlich letzte Opfer des Frauenhandels des Fujimoto-Sensei."

"Und Sie sind?" fragt der Soldat.

"Ich... Ich bin ein Besucher," gibt der Gaijin ausweichend Auskunft.

"Wir werden das überprüfen!" antwortet der Soldat.

Er verlässt das Haus und geht zu der Stelle zurück, an der er eben die Sänfte gesehen hat, um dort in einer dunklen Seitengasse zu verschwinden. Anschließend kriecht er unter das Haus und gibt seine Entscheidungen an die Soldaten weiter, die sich dort postiert haben. Danach kriecht er wieder zwischen den einen halben Meter hohen Stelzen hervor und umrundet das Teehaus.

An einer Hausecke an der Hauptstraße des Yoshicho trifft der Soldat auf Ito-San.

"Konbanwa, Ito-Yushu -Guten Abend, Euer Exzellenz Ito-," begrüßt er den Mann, verbeugt sich leicht und schaut durch die geöffneten Regentüren in das Teehaus.

Drinnen bedient gerade eine Geisha einen Mann in teurem Gewand, während eine Gruppe Meikos einen Fächertanz aufführt zu den Klängen der Shamisen.

"Ist das die Zielperson?" fragt er.

"Genau," sagt Ito-San. "Aber Achtung! Er hat seine Schlägertruppe dabei, die sich in ganz Yoshicho verteilt haben."

"Draußen stehen Käfigwagen bereit, um die Gefangenen nach Edo zu bringen, Ito-Yushu. Eine ganze Kompanie steht bereit, die Falle zu schließen."

"Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Major! Der Geisha darf bei der Aktion nichts geschehen! Sichern Sie sie nach allen Seiten ab beim Zugriff und öffnen Sie ihr eine Gasse, die sie zu mir führt!"

"Zu Befehl, Ito-Yushu!"

Der Soldat geht ein paar Schritte in die Gasse hinein und taucht in der Dunkelheit unter das Haus. Dort gibt er die neue Lage an seine Gruppe unter dem Chrysanthemen-Teehaus weiter.

*

Die Abenddämmerung verdunkelt Yoshicho allmählich. Die roten Laternen an jedem Haus werden entzündet. Auch an dem Okiya, der nun schon viele Monde meine Heimat ist, schrammen Leitern. Dienstboten klettern hinauf, um die Laterne zu entzünden und legen die Leiter dann an der nächsten Laterne an.

Endlich kommt die Oka-San -Mutter- und treibt uns zur Eile an. Die Gruppe der Maikos stellt sich rechts und links neben mir auf der Straße auf und geleitet mich zum Chrysanthemen-Teehaus. Insgeheim habe ich in den letzten Tagen gehofft, dass irgendetwas das Kommen Fujimoto-Senseis zumindest hinauszögert, vielleicht gar verhindern wird.

Nun, dem ist nicht so! Also muss ich mein Schicksal annehmen. Beim Teehaus angekommen, schlüpfen die Maikos auf die Bühne des Bankettsaales, während die Besitzerin des Hauses mich in einem kleinen Raum führt. Dort soll ich auf meinen auftritt warten. Ein großer ovaler Spiegel steht dort, in dem ich mein Erscheinungsbild betrachte.

Umeko-San hat sich mal wieder selbst übertroffen! Ich bin perfekt geschminkt. Das Haar ist zu einer hohen schimmernden Frisur aufgetürmt. Die Schichten meiner Kimonos hängen schwer an meinen Schultern. Sie rascheln, wenn ich mich bewege. Darunter erinnert mich das raue Kratzen der Baumwolle an mein kühnes Vorhaben.

Im Spiegel schaut mich Moe-San wie eine alte Freundin an und erfüllt mich mit Zuversicht. Als Kaede mag ich mich fürchten, aber Moe-San kann es mit jedem aufnehmen! Vom Bankettsaal nebenan höre ich das Scharren tanzender Füße, die lallenden Stimmen betrunkener Gäste und von Zeit zu Zeit schallendes Gelächter.

Die Verbindungstür zum Bankettsaal wird aufgeschoben. Die Musikerinnen lassen ihre Instrumente verstummen. Ich verharre einen Augenblick, um den Gästen des Banketts Gelegenheit zu geben, sich an meinem Anblick erfreuen zu können. Laute des Erstaunens ertönen im Saal, als ich auf die lichterfüllte Bühne trete.

Fujimoto-Sensei liegt ausgestreckt auf Kissen vor Schüsseln mit erlesenen Speisen. Er hat seinen Kopf auf einen Ellbogen abgestützt. Sein Gesicht hat rote Flecken bekommen. Ich begegne seinem Blick mit einem anmutigen Neigen meines Kopfes. Seine Augen verengen sich und ich kann das Verlangen darin brennen sehen. Es jagt mir einen Schauer über den Rücken.

... link (0 Kommentare)   ... comment