Freitag, 28. Juli 2023
Der Mond leuchtet so schön -29-
Am Abend der Bühnenshow schalte ich alle Gedanken an Alltägliches ab. Ich fokussiere mich voll auf meinen Auftritt. Nachdem die Tänzerinnen der Vorgruppe, die One-San engagiert hat, ihr Programm beendet haben, kommt sie zu mir und sagt:

"Auf, Emi-San! Du bist dran! Gib jetzt alles! Du schaffst das."

Ich erhebe mich und konzentriere mich auf dem Weg zur Bühne. Man hat den Vorhang nach dem Abgang der Vorgruppe zugezogen. Während ich mich auf meine Startposition stelle, hebt One-San die Hand. Die Scheinwerfer gehen an und die Musik startet. Ich stehe auf schwarzen hohen Geta -Holzsandalen- und trage ein weites weißes Kostüm. In der Hand habe ich einen transparenten Schirm mit der aufgedruckten Sonne und dem heiligen Berg.

Kleine Papierschnipsel regnen auf mich herab, während ich zur Mitte der Bühne gehe. Dabei schwinge ich den Schirm, als befände ich mich in einem Sturm. In der Bühnenmitte schlüpfe ich aus den Geta und laufe einen Kreis. Schließlich falle ich auf die Knie, hebe die Arme zum Himmel und beuge mich hintenüber.

Die Scheinwerfer verfolgen mich und wechseln ihre Farbe bei der letzten Tanzfigur hin zu Rot.
Anschließend erhebe ich mich wieder und verbeuge mich tief vor dem Publikum, das aufgestanden ist und klatscht. Immer wieder mich verbeugend, gehe ich gemessenen Schrittes zu den Geta, schlüpfe hinein und verlasse die Bühne. Die Musik, die mich in ihrer Dramaturgie begleitet hat, klingt aus.

In meiner Garderobe angekommen wird es auf einmal draußen laut. Dann wird die Tür aufgestoßen. Herein tritt mein aisuru chichi -lieber Papa-. Zuerst bin ich erschrocken. Dann sehe ich, wie er an der Tür tief verbeugt.

"Yurushite saiai no musume -Verzeih mir, liebste Tochter-," sagt er. "Ich habe Falsches von dir gedacht, als deine aisuru Okaa-San -liebe Mama- mir von deinem Schritt berichtet hat!"

Ich erhebe mich, gehe die zwei Schritte auf ihn zu und verbeuge mich vor ihm.

"Liebster Papa," sage ich. "Ich kenne das Vorurteil vieler Leute. Es ist alles gut!"

Die One-San tritt hinzu und fragt, ob wir nicht gemeinsam im Restaurant des Theaters auf das Ende der Versteigerung warten sollen. Papa erhebt sich und entschuldigt sich bei der One-San. Ich nicke und meine:

"Ich möchte mich vorher gerne umziehen und die Frisur richten."

One-San ist einverstanden und ruft zwei Stylisten herbei.

Sie lädt Papa nun ebenfalls in das Restaurant ein. Auf dem Weg dorthin gesellt sich auch Mama hinzu. Im Restaurant treffe ich auf die Drei, die sich im angeregten Gespräch miteinander befinden. Ich habe neben der korrekten Frisur auch einen mehrlagigen Seidenkimono aus der Kollektion der One-San angelegt und gehe zwischen ihr und meinen ehrenwerten Eltern -rippana Oya-San- in den Seiza.

Die Szene überblickend greife ich sofort zur Teekanne und will meinen Eltern nachschenken. Leider kommen aus der Kanne nur noch wenige Tropfen. Die One-San lächelt und meint:

"Wenn es möglich wäre, würde Emi-San die Kanne für ihre lieben Eltern auswringen."

Sie hebt die Hand und ruft eine Bedienung herbei.

"Sumimasen -Entschuldigung-!"

"Hoka no mono o chumon shimasu ka -Sie möchten noch etwas bestellen-?" fragt sie.

"Hai, ureshidesu. Watashitchi hitorihitori no tame no ocha no betsu no potto -Ja, gerne. Noch ein Kännchen Tee für jeden von uns-," antwortet die One-San.

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