Sonntag, 16. Juli 2023
Der Mond leuchtet so schön -25-
Sie macht mir alles vor und ich muss es nachmachen bis sie zufrieden ist. Sie übt mit mir auch den Gang einer Geisha, die Bewegungen beim Setzen und Aufstehen. Sie zeigt mir, wie man elegant bedient und dem Mann subtile Botschaften sendet, wie das Entblößen des normalerweise bedeckten Handgelenkes, und andere.

Das virtuose Bewegen des Kamoku -Fächers-, genauso wie das des Kasa -Schirms- und anderer Gegenstände beim Tanz lerne ich von ihr. Es ihr recht zu machen ist eine schweißtreibende Angelegenheit.

Im Laufe der Jahre üben wir während der Trainingsstunden auch viele alte Instrumente. Ich muss dafür eine Menge Gedichte auswendig lernen und Fabeln aus unserer Shinto-Mythologie. Auch eine Menge Aphorismen gehören zu meinem Lernstoff. Zur Unterstützung habe ich mir Bücher zu den Themen gekauft. Schon in der Schule früher habe ich viel gelesen und oft versucht, eigene Gedichte zu schreiben. Das ist etwas, das mir viel Spaß macht!

Zur Konversation meint Sakamoto-Sama, dass man dazu einzig diplomatisches Geschick und einen wachen Verstand braucht. Eine geschickte Geisha versucht nun, Angemessenes zu einer Diskussion beizusteuern, ohne dabei durch eine kontroverse Meinung aufzufallen. Auch dies übt sie mit mir, während wir teetrinkend am Tisch sitzen und meinen Trainingsstand besprechen.

Eines Tages fordert sie mich auf, ihre Wohnung zu verlassen und zusammen mit ihr im Kimono auf die Straße zu gehen. Langsam und bedächtig folge ich ihr, immer darauf bedacht, alles so zu machen, wie sie es mir beigebracht hat. Draußen auf dem belebten Bürgersteig gibt sie mir plötzlich den Auftrag:

"Suche jemanden für mich."

Ich schaue mich suchend um und meine schulterzuckend:

"Der Herr dort in dem grauen Mantel."

Sakamoto-Sama schwebt in kurzen Trippelschritten auf den älteren Herrn zu und nahe an ihm vorbei. Dieser dreht sich nach ihr um und übersieht dabei einen anderen Passanten, mit dem er zusammenstößt. Wortreich entschuldigt sich der Herr vor dem Anderen. Man könnte Mitleid mit ihm haben.

Sakamoto-Sama bleibt an der nächsten Einmündung einer kleinen Nebenstraße stehen und wartet dort auf mich.

"Und nun du!" sagt sie. "Siehst du den jungen Mann, der uns auf dem Fahrrad entgegenkommt?"

Ich schaue mich schüchtern lächelnd um und nicke. Sie geht näher an eine Hauswand heran, während mir das Herz wild von innen gegen die Rippen klopft. Endlich fasse ich all meinen Mut zusammen und schwebe in der gleichen Weise an dem jungen Mann vorbei. Er sieht mich und folgt mir mit seinem Blick. Dabei verreißt er die Lenkstange und stürzt auf den Gehweg.

Als Sakamoto-Sama zu mir aufgeschlossen hat, meint sie lächelnd:

"Siehst du! Du bist soweit."

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