Freitag, 7. Juli 2023
Der Mond leuchtet so schön -22-
Genauso, wie Kinder im Alltag den Eltern und Großeltern Respekt zollen, erweisen die jüngeren Schüler den Älteren ihren Respekt, indem sie grüßen und sich verbeugen, sobald sie auf einen treffen.

Nach sechs Jahren Grundschule geht Himei-chan auf die dreijährige Mittelschule. Zu dem Zeitpunkt ihres Schulwechsels ist Ichiro-kun schon in der zweiten Klasse der Grundschule.

Nach dem eigentlichen Unterricht gehen die Schüler in verschiedene schulische Clubs. Dort werden Aktivitäten durchgeführt, wie die Teezeremonie, Kalligrafie, Ikebana, Karate, Judo, Kendo. In der Mittelstufe kommen weitere Clubaktivitäten hinzu, wie der International Club, English Club, verschiedene Sportclubs. Die Sportclubs nehmen besonders viel Zeit in Anspruch, da die Schulen untereinander Wettbewerbe veranstalten. Deshalb trainieren die Sportclubs täglich, oft sogar vor Unterrichtsbeginn. All dies fördert den Gemeinschaftssinn. Die Clubs sind Wahl-Pflicht-Veranstaltungen der Schule. Himei-chan hat sich für die Clubs entschieden, die die Teezeremonie lehren, das Ikebana -Blumenstecken-, die Kalligrafie -Schönschrift- und Judo.

Nach der Mittelschule möchte Himei-chan bei einer selbständigen Geisha in die Ausbildung gehen. Sie ist jetzt 15 Jahre alt. Diese Ausbildung wird sechs Jahre dauern und nicht einfach sein. Himei-chan trägt sich schon länger mit dem Gedanken. Sie hat in dem Schulfach 'japanische Geschichte' von diesem Beruf gehört und dass es Künstlerinnen sind, die gerne für Veranstaltungen gebucht werden und bis zu 500.000 Yen an einem Abend verdienen können. Außerdem seien sie früher so bekannt gewesen, wie Models in der heutigen Zeit. Ich runzele die Stirn und antworte ihr:

"500.000 Yen an einem Abend, um eine Veranstaltung zu verschönern, ist doch etwas hoch gegriffen, Himei-chan. Rechne lieber mit etwa 50.000 Yen pro Stunde, aber erst, wenn dein Künstlername bekannt ist und die Leute Schlange stehen, um dich zu buchen."

"Rippana Okaa-San -Ehrenwerte Mutter-, als Verkäuferin in einem Kombini -Supermarkt- bekomme ich 180.000 Yen im Monat und bei den Mietpreisen bleibt mir nichts anderes übrig, als bei euch zuhause wohnen zu bleiben. Auch lernt man als Verkäuferin kaum einen Ehemann kennen."

"Das stimmt schon, Himei-chan. Aber bedenke: Die Ausbildung ist hart!"

"Ich werde mich bemühen, rippana Okaa-San!"

*

Meine Oya-San -Eltern- haben ein Zimmer unserer Wohnung als Kinderzimmer eingerichtet, in dem Ichiro-kun und ich in einem Etagenbett schlafen und jeder seinen Schreibtisch hat für die Hausaufgaben. Einige der schwierigsten Hausaufgaben habe ich über meinen Laptop durch das Internet von einer Agentur machen lassen. Okaa-San -Mutter- hat die Kosten übernommen.

Nun sitze ich, Tanaka Himei, wieder vor meinem Laptop und bemühe die Suchmaschine. Mehrere Seiten selbständiger Geishas werden mir angezeigt, die ich nacheinander aufrufe. Auf einer Seite bleibe ich länger hängen. Ich markiere sie mir als Favourit, um sie später wiederzufinden. Schließlich rufe ich die markierte Seite wieder auf. Die selbständige Geisha, die sich dort vorstellt, schreibt:

'Eine Geisha ist ein lebendes Kunstwerk. Rollen und Masken ersetzen das wahre Ich. Sie überlagern wie die Häute einer Zwiebel das, was man im tiefsten Inneren seiner Seele ist. Ihre Augen sind so tief wie der Ozean. Eine Geisha will nichts, fühlt nichts. Sie ist eine Künstlerin der dahinströmenden Welt. Sie tanzt und singt, sie unterhält die Männer, wie sie es mögen. Der Rest ist Schatten, ist Geheimnis. Was sie nicht ist: Sie ist keine Prostituierte! Sie verkauft kein Fleisch, sondern nur eine Illusion.
Manchmal kann es geschehen, dass sie nicht nur eine Veranstaltung verschönern soll, sondern auch einem besonderen Gast Gesellschaft leisten und so Gastgeber und Gast einen unvergesslichen Abend bereiten soll. Hierzu ist es notwendig, dass sie die Chadou -Teezeremonie- formvollendet beherrscht, eine interessante Konversation zu führen versteht, dezent und zurückhaltend zu flirten versteht, den besonderen Gast durch abwechslungsreiche Ideen zerstreuen kann. Sie muss auf ihr Tun achten, denn sie hat einen Ruf zu verlieren. Dazu braucht sie viel Takt und Einsicht in den menschlichen Charakter. Geduldiges Zuhören und Verschwiegenheit sind wichtige Tugenden.'

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