Donnerstag, 1. Dezember 2022
Aino sasayaki -Flüstern der Liebe- 18
Vor dem Spiegel drehe ich mich ein wenig nach rechts und links und begutachte mich. Ich glaube, für den Weg zu meiner One-San brauche ich noch einen Mantel darüber. Also gehe ich an den Schrank und nehme meinen Mantel heraus. Auf dem Rücken hängt daran eine lange Kapuze gegen Wind und Wetter. So zurecht gemacht und mit der Tasche über einer Schulter verlasse ich nun auch die Wohnung und gehe zur Bahnstation. Unterwegs ziehe ich mir doch die Kapuze über den Kopf.

Vor dem Haus angekommen, in dem die Wohnung der großen Geisha Emi-San liegt, klingele ich wenige Minuten vor 12 Uhr. Mit einem Summen springt die Tür auf und ich fahre mit dem Aufzug in die richtige Etage. Die Wohnungstür ist nur angelehnt.

Nun betrete ich die Wohnung und schließe die Tür leise hinter mir. Ich sage laut "Tadaima -Ich bin da-!", ziehe die Straßenschuhe aus und gehe in Hausschuhen in den Wohnraum. Die One-San sitzt im Seiza vor einem niedrigen Tisch voller Speisen. An der Zimmertür verbeuge ich mich tief und sage:

"Konnichiwa, One-San!"

"Komm näher und setze dich zu mir!" fordert sie mich lächelnd auf.

Ich gehe nun auch am Tisch in den Seiza -Kniesitz-, während sie mir ein Glas Tee ausschenkt.

"Das Training ist anstrengend!" erklärt sie mir. "Nimm ruhig reichlich."

Also fülle ich meinen Teller aus den Schüsseln vor mir und beginne erst einmal mit dem Essen. Nachdem ich fertig bin, räumt sie alles zusammen und trägt drei Schüsseln in die Küche. Ich erhebe mich und helfe beim Abräumen.

Anschließend erhalte ich von ihr zwei einfache Fächer und soll ihr zuerst einmal zusehen. Sie öffnet ihre beiden Fächer und hebt sie vor die untere Gesichtshälfte. Mich über den Rand des einen Fächers anschauend, bewegt sie ihn seitwärts, um das freiwerdende Gesicht sogleich mit dem anderen Fächer zu bedecken.

Den einen Fächer hält sie nun am langen Arm vom Körper weg, während sie sich von mir wegdreht. Nun hebt sie den anderen Fächer über den Kopf und lässt ihn im erhobenen Zeigefinger rotieren. So tanzt sie mir einige Figuren vor und fordert mich anschließend auf, meine Fächer ähnlich vor das Gesicht zu halten und zu bewegen und dabei möglichst verführerisch zu lächeln.

Es dauert mehrere Stunden bis ich die Tanzfigur, die sie mir nach dem Mittagessen gezeigt hat in all ihren Einzelschritten leidlich nachahmen kann. Nun kocht sie Tee und lässt mich Gebäck dazu auf den Tisch stellen. Bei diesem Nachmittagstee werde ich langsam etwas ruhiger.

Sie erklärt mir währenddessen:
"Geishas sind keine Ehefrauen. Sie verkaufen nicht ihren Körper, sondern ihre Gesellschaft, ihre Konversation, ihren Tanz. Sie schaffen eine andere, eine geheime Welt, einen Ort reiner Schönheit. Das Wort 'Geisha' bedeutet 'Künstlerin' und eine Geisha ist ein lebendes Kunstwerk."

Nach dem Nachmittagstee führt sie mich ins Schminkzimmer und zeigt mir, wie man sich als Maiko -Geisha in Ausbildung- dezent schminkt. Dazu setzt sie mich vor einen dreiteiligen Spiegel, die mir gleichzeitig meine Front und meine Seiten zeigt. Danach bindet sie ihr Haar zu einem Dutt. Dabei lässt sie mich wieder zusehen, um anschließend von mir zu verlangen, es ebenso zu tun. Natürlich muss sie mir dabei noch helfen.

... link (0 Kommentare)   ... comment