Donnerstag, 28. März 2024
Kiron, der Sucher -15
"Gut," meint der Junge. "Aber wie könnte ich in dieser Situation helfen, ohne bei meinem Auftritt sofort getötet zu werden. Damit wäre den Bauern auch nicht geholfen..."

Ich lächele.

"Zwei Wege," sage ich. Amal schaut mich aufmerksam an. "Du hast mich schon oft auf dem Boden sitzen und mit geschlossenen Augen nachdenken gesehen. Das mache ich, um äußere Einflüsse weitestgehend auszuschließen. Dann horche ich in mich hinein, um alsbald zu wissen, wie ich am besten vorgehe."

"Und der andere Weg?" lässt Amal nun nicht locker.

"Die waffenlose Selbstverteidigung! Unsere Vorfahren haben unsere Brüder in der Wildnis beobachtet und Bewegungsfolgen erarbeitet, die uns helfen, unsere Gegner ohne Waffen zu besiegen. Diese Selbstverteidigung nennt man Kalaripayattu."

"Kannst du mir beides lehren, Paramapaavan -deine Heiligkeit-?"

"Ich will es gerne versuchen," erwidere ich ihm.

Dies ist der Beginn eines jahrelangen Trainings in Meditation, sowie in der Selbstverteidigung. Ich führe das Training immer durch, wenn ich mit ihm in der Natur alleine bin, nicht wenn wir in einem Dorf unter Menschen sind.

Allmählich kann ich verstehen, warum mein alter Lehrer nicht mehr als einen Shishy -Schüler- gleichzeitig gewollt hat.

Treffen wir auf unseren Pfaden auf Städte, umgehen wir sie, denn dort würden wir am ehesten auf bewaffnete Menschen treffen, und ich trage die Verantwortung für meinen Shishy.

*

Wir wandern jetzt ein Dutzend Jahre von Dorf zu Dorf. Dort erzählen wir den Menschen von Siddharta und wer will, erfährt auch mehr. Ich spreche dann über 'Die vier edlen Wahrheiten Buddhas'.

Irgendeiner lädt uns danach immer ein, in seinem Haus zu speisen und zu nächtigen. Zumeist ist das mit der Bitte verbunden, ihm bei einem gesundheitlichen oder zwischenmenschlichen Problem zu helfen.

Ich bin gewohnt, dass die Menschen immer nur so viel Nahrung erzeugen, wie die Dorfgemeinschaft auch verbraucht. Nun kommen wir in eine Gegend, in der die Bauern, Viehzüchter und Fischer viel mehr erzeugen und den Überschuss in Leinensäcke verpacken und auf Wagen laden.

Auf meine Frage, wohin sie die Säcke verkaufen, wird mir geantwortet:

"Ehrenwerter Herr, das sind unsere Steuern, die wir Shahar Mandir -Stadt Tempel- schulden. Von Zeit zu Zeit kommen Saadhu -Mönche- in Begleitung von Soldaten und laden die Steuern auf große Wagen."

"Oh," mache ich erstaunt und fordere den Mann auf, sich zu setzen und mir mehr davon zu erzählen.

Wir setzen uns an Ort und Stelle im Schneidersitz auf den Boden und ich teile mit dem Mann unseren Vorrat an Früchten. Er beginnt:

"Vor vielen Jahren, als die Stadt auf Geheiß unseres damaligen Raaja -Königs- erbaut wurde, hat er nach Westen hin auch sein Mausoleum und den Tempel des Vishnu aus Sandstein errichten lassen. Wir sind damals alle noch Hindus gewesen. Um diese Steinbauten für die Ewigkeit hat man den Königspalast und die Häuser der Bewohner traditionell aus Holz errichtet. Zwischen den Häusern ist genug Platz für Felder gewesen.
Als sein Sohn an die Macht gekommen ist, sind bald buddhistische Saadhu -Mönche- erschienen. Sie haben den neuen Raaja zu ihrem Glauben bekehrt, was sehr leicht gelungen ist. Ihre Lehre hat folgende Merksätze:
Zuerst: Die Schwachen verdienen ihr Schicksal. Kümmere dich um deine Stärke, denn Stärke ist Macht.
Sodann: Lebe mit Leidenschaft, denn sie gibt dir Kraft. Mit der Kraft erringst du Siege.
Drittens: Lass dich vom Zorn leiten, denn Zorn macht dich stark. Durch Zorn geleitete Aggressivität ist unaufhaltsam.
Viertens: Bekämpfe deine Angst und frage deine Feinde, was sie als ihre Stärke betrachten, was deren größte Angst ist, was sie am Meisten schätzen. So wirst du wissen, wie du deine Feinde schlagen kannst. Frage sie dann, worum sie dich am Meisten bitten, so wirst du wissen, wie du sie auf ewig unterdrücken kannst."

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