Mittwoch, 13. März 2024
Kiron, der Sucher -10
Er bleibt eine Weile stumm. Nach einigen Schritten sagt er:

"Ich habe schon viel Leid erfahren. Meine Eltern sind nicht mehr und die anderen Kinder akzeptieren mich nicht als ihresgleichen..."

"Ich unterweise dich, Amal. Geh mit mir den Pfad Buddhas. Darüber wird dein Charakter geschult und du erhältst viele Antworten auf drängende Fragen deines Lebens."

"Theek hai shukriya -In Ordnung, danke-," antwortet der Junge und lächelt zurück.

Allmählich wird es dunkel. Wir gehen bis zu einem Baum mit weit ausladender Krone. Dort lasse ich mich am Stamm nieder, schlage die Beine unter und fordere den Jungen auf, sich neben mich zu legen und zu schlafen. Dann beginne ich mich zu entspannen. Ich schließe die Augen und horche in mich hinein. Irgendwann sehe ich das Prana -Lebenshauch- fließen und beobachte auf diese Weise meine nähere Umgebung, damit uns in der Nacht nichts zustößt.

Ich bemerke dadurch, dass wir nicht allein bleiben in der Nacht. Aber unsere Brüder, die Tiere, begegnen uns friedfertig. Sie bleiben auf Abstand.

Als Amal am darauffolgenden Morgen erwacht, erhebe ich mich und fordere ihn auf, mit mir zum nahen Fluss zu gehen. Dort führen wir unsere Morgenhygiene durch. Dadurch gebe ich den wildlebenden Tieren in unserer Nähe Gelegenheit, sich ungesehen zu entfernen.

Ich selbst wandere mit dem Jungen am Flussufer entlang. In einigen Stunden werden wir so das nächste Dorf erreichen. Die Ansiedlungen der Menschen sind fast immer in der Nähe von Wasserläufen errichtet. So erhalten sie frisches Trinkwasser und bei größeren Wasserläufen auch Fische.

Es dauert nicht lange, da beginnt Amal zu sprechen:
"Du hast mir von Siddhartas Lebenslauf erzählt, Paramapaavan -deine Heiligkeit-, aber was ist denn nun Buddhas Lehre?"

Er schaut dabei zu mir auf. Ich nicke ihm freundlich lächelnd zu und beginne die heutige Unterweisung:

"Wir Anhänger Buddhas glauben an 'Die vier edlen Wahrheiten'. Sie heißen Dukkha, Samudaja, Nirodha und der Achtfache Pfad. Der erste Merksatz 'Dukkha' bedeutet, das Leben ist voller Leid.“

"Das kenne ich," gibt er mir zurück. "Aber woher kommt das Leid?"

"In den meisten Fällen fügen Menschen ihren Mitmenschen wissentlich oder unwissentlich Leid zu," antworte ich ihm. "Dann gibt es da noch die Schicksalsschläge, für die niemand verantwortlich ist."

"Warum fügen Menschen eigentlich ihren Mitmenschen Leid zu?" nutzt er ein in seiner Altersgruppe oft gebrauchtes Fragewort.

Innerlich freue ich mich darüber und antworte ihm lächelnd:

"Unwissentlich geschieht das meist aus Gedankenlosigkeit, Amal. Die Leute denken nicht nach über die Folgen ihres Tuns.
Das wissentlich oder absichtlich herbeigeführte Leid wird im zweiten Merksatz Samudaja beschrieben. Er bedeutet, die Ursache für das Leid ist Habgier."

"Um meinen Mitmenschen kein Leid anzutun, muss ich also auf mich und mein Tun achten," resümiert er.

"Ja, genau!" rufe ich freudig aus. "Achte stets auf das, was du sagst oder tust. Der dritte Merksatz Nirodha besagt, dass ein Anhänger Buddhas die Habgier überwinden muss."

"Wie ist das aber dann, wenn mich jemand in böser Absicht überfällt und mir Leid zufügen will?" bohrt Amal weiter.

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