Sonntag, 31. März 2024
Kiron, der Sucher -16
Ich fühle mich innerlich aufgewühlt, als ich davon höre. Das sind so ziemlich genau gegenteilige Lebensregeln zu denen, die mir mein alter Meister als von Buddha kommend beigebracht und die ich an Amal weitergegeben habe. Auch den Menschen habe ich in der Vergangenheit viel Gutes damit tun können. Diese Regeln hier fördern aber den Egoismus und die Habgier! Mir kommt es vor, als hätte sich hier die dunkle Seite manifestiert. Yin und Yang sind eigentlich in einem steten Wechsel begriffen. Hier hat jemand das Rad des Schicksals angehalten, und zwar auf der in meinen Augen falschen Seite!

"Und... an was glaubst du?" frage ich daher den Erzähler.

"Ich bin Hindu," meint er. "Ich glaube an Vishnu und die anderen Götter."

"Ich freue mich, dass du dir den neuen Glauben nicht zu eigen gemacht hast, mein Freund," antworte ich ihm lächelnd. "Dann möchten wir uns nun von dir verabschieden. Shubha Labha -Gutes Gelingen!"

Wir erheben uns nun alle drei und entfernen uns freundlich lächelnd voneinander. Ich schlage den Weg ein den wir gekommen sind, bis wir so weit entfernt sind, dass wir uns gegenseitig nicht mehr sehen können. Dann wende ich mich nach Südwesten.

Wir halten uns wochenlang von jeder Ansiedlung fern, damit wir für eventuelle Verfolger unsichtbar werden. Dabei erreichen wir wieder einen Fluss. Wir wandern ihn gegen die Strömung entlang, bis wir einen Baum finden, den ein Blitz gefällt haben muss. Den ziehen wir ins Wasser und setzen uns auf den Stamm. Mit unseren Hölzern schieben wir ihn soweit, bis er in der seichten Strömung schwimmt. Nun setzen wir alles daran, dass er dem gegenüberliegenden Ufer immer näherkommt. Die letzten Meter waten wir an Land. Dort entkleiden wir uns teilweise und trocknen unsere Kesa -Umhänge-, die wir aus Stoffresten zusammengenäht und im Laufe der Jahre immer wieder ausgebessert haben.

Nachdem die Sonne unsere Umhänge getrocknet hat, können wir sie wieder anziehen. Das Trocknen der Dhoti -um die Hüfte gewickelten und zwischen den Beinen hindurch geführte Tücher- geht nun schneller. Anschließend gehen wir auf dieser Flussseite weiter gegen die Strömung am Flussufer entlang.

Amal ist inzwischen meisterlich in 'Kalaripayattu', unserer Selbstverteidigungstechnik. Auch die Meditation beherrscht er sehr gut. Leider kann er dabei keine Verbindung zu Prana -Lebenshauch- erlangen. Ob das nur wenigen Menschen gelingt?

Er hat im Laufe der vergangenen Jahre die 'vier edlen Wahrheiten Buddhas' verinnerlicht und sein Leben danach ausgerichtet. Eigentlich könnte ich Amal zu einem Guru ernennen und ihn seiner Wege ziehen lassen. Er könnte sich einen eigenen Shishy -Schüler- auswählen und ihn lehren und ich könnte es ebenfalls noch einmal tun.

Das Erlebnis im Nordosten von hier am Rande des fremden Königreiches lässt mich allerdings mit Vorsicht handeln. Es ist besser, wenn wir zusammenbleiben. Ich denke, wir sollten zuerst einmal sesshaft werden und ein Kloster gründen, das sich anfangs nicht von einem normalen Dorf unterscheidet.

Wir wandern also weiter den Fluss entlang und schauen uns dabei genau in der Landschaft um. Einerseits wollen wir keinem Bauern sein Land streitig machen, andererseits soll die Lage etwas erhabenes innehaben.

Ein Fels, der den Fluss zu einer Kehre zwingt, lässt mich aufmerksam werden.

'Von dort oben haben wir einen guten Überblick über die Landschaft!' denke ich mir.

Wir erklimmen ihn und schauen uns um. Ein kleines Plateau liegt dort oben vor einer Felsnadel, die den höchsten Punkt markiert. Die nähere Umgebung des Felsens ist steinig. Deshalb haben sich hier keine Menschen angesiedelt. Bei einem Rundblick von der Felsnadel kann ich auch in der Ferne keine Ansiedlung entdecken. Etwas weiter vom Fluss entfernt erkenne ich eine Waldinsel im Grasland. Um in allen Richtungen das nächste Dorf zu erreichen, würden wir sicher mehr als einen Tag wandern müssen, schätze ich.

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