Dienstag, 19. März 2024
Kiron, der Sucher -12
Plötzlich erkenne ich die ruhige Vorwärtsbewegung eines anderen Wesens im Wasser. Ich versuche den Tiger darauf aufmerksam zu machen, genauso wie ich in der Nacht die Brüder in der Natur besänftigt und schläfrig gemacht habe, damit sie uns nichts antun. Hier jedoch muss ich anders eingreifen.

Aus Sicht der Kinder geht plötzlich alles ganz schnell. Sie sehen einen Tiger in langen Sätzen auf das Wasser zu rennen und dann in deren Nähe hineinspringen. Schreiend versuchen sie das rettende Ufer zu erreichen. Sie laufen zu ihren Hütten. Von dort kommen ihnen Erwachsene entgegen. Sie sehen, wie ein Tiger seine Zähne in das Maul eines Magaramachchh -Krokodils- gegraben hat und sich mit Vorder- und Hinterpfoten auf dessen Rücken festkrallt. Das Krokodil versucht den Tiger abzuschütteln, indem es sich um seine Längsachse rollt. Irgendwann gelingt ihm das auch. Der Tiger kommt zum Ufer zurück und das Krokodil setzt seinen Weg unbehelligt fort. Ich danke dem starken Bruder in Gedanken, der sich die Feuchtigkeit aus dem Fell schüttelt und vom Wasser wegtrabt.

Einige Zeit danach schiebt ein Mann drüben das Boot ins Wasser. Amal springt hinein. Der Mann rudert den Jungen auf meine Seite des Flusses. Amal deutet auf mich und der Mann steuert das Ruderboot zu mir. Bei mir angekommen, springt Amal aus dem Boot und hält den Bug fest.

"Achchha din, Paramapaavan -Guten Tag, deine Heiligkeit-," begrüßt der Mann mich. "Darf ich dich in mein Haus einladen?"

Ich erhebe mich und antworte:
"Gesegnet sei dein Tag, mein Sohn. Ich komme gerne mit dir."

Amal macht mir Platz, damit ich einsteigen kann. Danach schiebt er das Boot ins tiefere Wasser und zieht sich an Bord. Der Mann dreht das Boot quer zur Strömung und lässt sich ein paar Meter zurücktreiben, bevor er weiterdreht und an das gegenüberliegende Ufer in Höhe der Ansiedlung rudert. Dort verlasse ich mit Amal das Boot, um dem Mann Platz zu machen. Wir halten das Boot fest, während auch er ins Wasser springt. Gemeinsam ziehen wir das Boot nun auf das Ufer.

"Bitte kommt mit," fordert er uns freundlich auf.

Wir folgen ihm zwischen die Hütten. Beim Eingang einer Hütte angekommen, bietet er uns an einzutreten. Mit einem Segen für das Haus und seine Bewohner nehme ich sein Angebot an und trete in das Dämmerlicht im Inneren der Hütte. An der Feuerstelle sitzt eine ältere Frau und bereitet gerade ein Essen vor. Eine junge Frau mit einem Baby im Arm sitzt abseits und stillt es bei unserem Eintreten.

Wir lassen uns beim Kochfeuer nieder. Unser Gastgeber schenkt uns Tee aus. Ich verbeuge mich leicht und nehme die Teeschale in Empfang. Amal wiederholt meine Verbeugung, als er seine Schale erhält.

"Paramapaavan -deine Heiligkeit-," spricht mich der Hausherr an. "Der aadaraneey pita -ehrenwerte Vater- ist vor einer Pflanzperiode gestorben, wir haben ihn eingeäschert und die Asche dem Fluss überlassen. Nun haben meine beiden älteren Brüder die Reisfelder unter sich aufgeteilt. Eine Drittelung hätte uns alle in Armut gestürzt. Für die Pflege unserer Mutter erhalte ich von Beiden eine kleine Menge ihrer Ernte. Zum Glück habe ich vor dem Tod meines ehrenwerten Vaters heiraten können. Er hat mit dem Brautvater den Brautpreis ausgehandelt und meine priy mahila -liebe Frau- ist bei uns eingezogen. Nun hat sie mir unser erstes Kind geschenkt. Aber es macht uns Sorgen. Es kränkelt trotz der Heilkräuter."

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