Freitag, 14. Oktober 2022
Aino sasayaki -Flüstern der Liebe- 02
"Ich habe morgen Dienst," erklärt er beiläufig, während er mir lächelnd zunickt und das Glas Tee in die Hand nimmt.

"Soll ich dir etwas zu Essen machen für die Arbeit?" fragt Mama, aber er wedelt mit der erhobenen Hand und meint:

"Ich esse auf der Arbeit."

Mein Glas ist inzwischen leer. Ich stelle es in die Spülmaschine und sage:

"Ich gehe jetzt schlafen."

"Hai. Oyasumi nasai -Ja. Gute Nacht-," wünscht mir Papa.

Nun gehe ich hinüber in mein Zimmer und lege den an der Wand lehnenden Futon in den Fußraum. Meine Tasche hebe ich vom Boden auf und lege sie auf das Regal unter dem Fenster. Anschließend wechsele ich vor dem Bad in meine Badschlappen, gehe ins Bad und mache mich für die Nacht fertig. Zurück in meinem Zimmer ziehe ich die gefaltete Decke aus dem Regal hervor und decke mich damit zu.

Am anderen Morgen sind Papa und Mama schon zur Arbeit aufgebrochen, als mein Wecker klingelt. Ich stehe schnell auf und gehe ins Bad. Danach räume ich mein Zimmer auf und gehe in die Küche. Wieder nehme ich mir ein Glas Tee und ziehe eine Scheibe Toastbrot aus der Verpackung. Nach dem schnellen Frühstück schlüpfe ich in meine Straßenschuhe und verlasse die Wohnung.

Eine Frau in Mamas Alter aus einer Nachbarwohnung kommt gerade die Treppe hoch. Sie grüßt mich lächelnd:

"Ohayo, Yuko-chan."

Ich verbeuge mich leicht und antworte ihr:
"Ohayo, Amazawa-San -Guten Morgen, Frau Amazawa-!"

Kurz darauf verlasse ich den heimatlichen Wohnblock. Mein Weg führt mich zurück zur Hochbahnstation. Ich habe mir heute frei genommen, weil ich einen wichtigen Termin wahrnehmen will. Mein Weg führt mich einige Stationen weiter zu einem Park. Darin steht ein traditionelles Holzhaus, zu dem ein Torii führt. Es ist der größte Schrein in unserer Stadt.

Dort angekommen, betrete ich den Schrein und gehe direkt zum Opferkasten. Kurz konzentriere ich mich. Je genauer man sich seinen Wunschpartner vorstellt, desto höher sind die Chancen, dass man ihn findet, heißt es. Nun verbeuge ich mich zweimal ehrfurchtsvoll, klatsche viermal in die Hände, um den Kami -göttliches Geistwesen- aufmerksam zu machen und werfe Geld in den hölzernen Opferkasten. Dann spreche ich meinen Wunsch aus. So erhören einen die Kami und helfen, den richtigen Mann zu finden!

Beim Verlassen des Schreins kaufe ich noch einen Glücksbringer, um noch ein bisschen mehr nachzuhelfen als nur mit Stoßgebeten. In wenigen Jahren bin ich 24 und bisher ist es mir versagt geblieben, einen jungen Mann zu finden, der mich respektiert und achtet, den ich lieben kann. Man sagt, bis 24 soll man einen Mann gefunden haben, sonst gilt man als Nokorimono no Kurisumasukeki -liegengebliebener Weihnachtskuchen-. Wie dieser bis zum 24. Dezember gegessen werden soll, sollte eine junge Frau bis dahin einen Mann gefunden haben.

Zuversichtlicher gehe ich zur Bahnstation zurück. In unserem Stadtviertel angekommen verlasse ich die Bahn eine Station früher, um Spazieren zu gehen und dabei meine Gedanken zu sortieren. Plötzlich sehe ich meine Freundin Shoko auf der anderen Straßenseite gehen. Ich winke ihr und rufe:

"Saikin dou, Shoko-chan -Was geht, Shoko-?"

Ich schaue rechts und links und laufe schnell über die Fahrbahn.

"Yoo, Yuko-chan -Hi, Yuko-!" antwortet sie lächelnd. "Bist du heute nicht arbeiten?"

"Ich habe mir frei genommen," erzähle ich ihr. "Ich war heute Morgen im Schrein, um für einen guten Ehemann zu beten."

Shoko nickt. Sie ist auch noch nicht verheiratet, obwohl sie schon einige Jahre älter ist. Auch sie lebt noch bei ihren Eltern, denn sie hat leider nur einen Teilzeitjob im Büro ergattern können.

"Hast du denn schon einen Kareshi -Freund-?" frage ich daher.

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