Freitag, 23. September 2022
Kaede, die Samurai -12
Ich habe ihn zuerst ungläubig angesehen und langsam nur ist die Erkenntnis in mir gereift, was er mir da gesagt hat. Ich nehme seine Hände, drücke sie an meine Lippen und schaue ihn mit großen Augen an. Dann hebe ich die rechte Hand, wedele damit in der Luft und meine:

"Das ist nicht gut! Überall werden seine Leute sein. Wir werden gefangen und misshandelt werden!"

"Es werden noch andere da sein, die mir helfen, Moe-San. Vertraue mir!"

Er hat mich in die Arme genommen, an sich gedrückt und mich auf die Stirn geküsst.

"Wenn ich entkommen könnte, würde ich mit Ihnen überall hingehen, Ito-San!" habe ich voller Hoffnung gehaucht.

"Ich bin auf der Flucht," hat er geantwortet. "Wie kann ich verlangen, dass du dein Leben mit dem Meinen teilst?"

Ich habe eine raumgreifende Geste gemacht und geantwortet:

"All das hier gehört mir nicht! Es bedeutet mir nichts!"

Als sich Stimmen über den Korridor nähern, muss Ito-San fortschlüpfen. Ich schaue in den Spiegel. Das Gesicht, das mir von dort entgegensieht und das die Männer so sehr begehren, hat mir nur Unglück gebracht. Ich habe genau die Dummheit begangen, vor der mich die One-San und meine Freundin Umeko-San gewarnt haben: Ich habe mein Herz verloren.

Unaufhaltsam vergeht die Zeit an diesem Tag, an dem ich Fujimoto-Sama gegenübertreten muss. Eine Dienerin ist hereingekommen, um mir zu helfen mich vorzubereiten.

"Ich wünschte, du müsstest nicht gehen, Moe-San," sagt sie ohne aufzuschauen. "Vielleicht begegnet mir eines Tages auch jemand wie Fujimoto-Sama. Er muss reicher sein, als alle anderen auf der Welt!"

In ihren Augen habe ich den Mann erobert, nachdem sich jede Frau in Yoshicho sehnt. Er hat mich sogar freigekauft - und sie scheint darüber erstaunt zu sein, dass ich mich nicht glücklich zeige.

"Er muss viele Häuser besitzen," plappert sie bei der Arbeit weiter. "Er wird auf dem Grundstück seiner Residenz ein Extrahaus für dich gebaut haben!"

"Heute Abend wird er seine Freunde mitbringen," erwidere ich. "Vielleicht verguckt sich einer davon in dich."

Wir stimmen ein befreites Lachen an. Eine Maiko -Geisha in Ausbildung- springt vom Balkon herein und dreht sich in der Mitte des Zimmers mit flatternden roten Ärmeln.

"Schau zu!" ruft sie. "Diesen Tanz werde ich heute Abend aufführen!"

Sie spitzt ihre Lippen, kommt auf mich zugelaufen und umarmt mich.

"Ich werde dich vermissen, große Schwester!" sagt sie mit piepsiger Kleinmädchen-Stimme. "Ich wünschte, du würdest nicht fortgehen!"

Meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich neige den Kopf. In diesem Moment kommt Umeko-San mit einem riesigen Bündel herein. Sie lächelt mir beruhigend zu, legt ihre Last ab und holt Kämme heraus, öffnet Tiegel mit Wachs und Pomade, die den Raum mit moschusartigem Geruch erfüllen. Ich wende mich zu den Dienerinnen und der Maiko:

"Ab mit euch in eure Räume! Macht euch nun ebenso fertig für heute Abend!"

Nachdem ich mit Umeko-San alleine bin und sie ihr Handwerk beginnt, sagt sie:

"Gib dich gegenüber Fujimoto-San glücklich und aufgeregt! Vermittele ihm das Gefühl, du wärest begeistert und hättest die letzten Tage ungeduldig auf ihn gewartet. Niemand darf argwöhnisch werden!"

Ich nicke ihr zu.

"Das fällt mir nicht schwer. Das Herz einer Geisha ist aus Stein. Sie will nichts. Sie fühlt nichts. Sie ist eine Künstlerin der dahinströmenden Welt!"

"Ich habe mit der Besitzerin des Chrysanthemen-Teehauses gesprochen. Ich darf am Bankett teilnehmen. Natürlich nur am Rande! Wenn ich dir ein Zeichen gebe, sei bereit sofort zu verschwinden!"

"Welches Zeichen?"

"Du wirst es schon erkennen, wenn du es siehst, Moe-San."

Dann beugt sie sich über ihr Bündel und breitet es auf den Tatami-Matten aus. Es enthält einige verschlissene Kimonos. Sie drückt sie mir in die Hand.

"Rasch, zieh das an!" sagt sie eindringlich.

Ich nehme die Kimonos und laufe hinter einen der faltbaren Wandschirme. Dort entkleide ich mich bis auf den rotseidenen Unterrock. Nun ziehe ich eine engbeinige blaue Unterhose an und stopfe den Unterrock hinein. Darauf folgen eine Bluse und darüber ein Unterkimono. Dann ziehe ich noch einen weiteren Kimono darüber an. Schließlich ziehe ich den teuren Chrysanthemen-Kimono darüber und lasse mir von Umeko-San mit dem Brokat-Obi helfen.

Anschließend drehe ich mich vor ihr und lasse mich von allen Seiten begutachten. Sie zupft an den Nähten und schaut, dass sie korrekt liegen. Nun bückt sie sich und hebt eine Geldbörse vom Boden auf.

"Nimm sie und verstaue sie in einem Ärmel!" sagt sie und übergibt sie mir zusammen mit einem Amulett. "Für eine gute Reise und ein langes Leben!"

Ich atme tief durch. Wieder wird es lebhaft vor der Tür. Sie wird aufgeschoben und eine Gruppe Maikos füllt das Zimmer, schwatzend und lachend. Sie sprechen mit mir ihre Tänze für den Abend ab. Kurz darauf bin ich wieder mit Umeko-San alleine.

*

Eine Woche später fragt ein Soldat des Südens in der Abenddämmerung die Torwache von Yoshicho nach der Haarkünstlerin Umeko-San. Dieser beschreibt ihm den Weg. Aber der Soldat in der Uniform des Südens gibt der Wache den Blick auf vier weitere Soldaten frei. Er sagt dabei:

"Sumimasen -Entschuldigung-, Kamerad. Ich würde gerne von dir zu dem Haus geführt werden. Meine Kameraden werden in der Zeit die Torwache übernehmen! Ich verspreche dir, dass niemand erfährt, dass du meinetwegen deinen Posten verlassen hast!"

Die Torwache nickt und wendet sich zum Gehen. Angesichts der Übermacht bleibt ihm kaum etwas anderes übrig. Während der Mann den Soldaten in das Innere des Hanamachis führt, wo heute der Sake in Mengen fließt, robben unzählige Soldaten des Südens in das Innere von Yoshicho. Sie verteilen sich unter den Teehäusern und warten auf das Zeichen der Glocke, die Mitternacht einläutet.

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