Donnerstag, 20. April 2023
Hao Ling -41
Die folgenden Wochen verlaufen in der üblichen Parlamentsroutine. Endlich haben wir im Ausschuss den Antrag hieb- und stichfest, wie wir glauben. Der Experte Li Yun Tao stellt ihn im Plenum vor.

Anschließend eröffnet der Sprecher des Plenums die Aussprache. Der ehrenwerte Li Yun Tao hat mit den Ausschussmitgliedern lange diskutiert und auf diese Weise eine Menge Argumente gesammelt. Nun erlebe ich in der Plenarsitzung ein Déjà-vu.

Der Nachfolger des Delegierten Sun Shi Yan, ebenfalls mit Verbindungen zum nationalen Bankenverband, macht den Vorschlag, doch erst einmal eine Gruppe Inspektoren in die Gebi -Wüste Gobi- zu entsenden, bevor man ins Blaue hinein entscheidet.

Dieser Vorschlag findet lautstarken Zuspruch, so dass der Sprecher darüber abstimmen lässt, ob unser Antrag oder der Vorschlag aus der Finanzwelt den meisten Zuspruch erhält. Wie befürchtet, wird der Vorschlag des Delegierten Ba Tai Ji angenommen. Als Inspektoren werden der ehrenwerte Kollege Ba Tai Ji, dessen Vorschlag es gewesen ist, zuerst Inspektoren zu senden, und die Vorsitzende unseres Ausschusses bestimmt, die ehrenwerte Kollegin Lang Jin Jin. Ich rufe ihre Nummer in meinem Handy aufs Display und bitte um eine Unterredung.

Sie sagt, ich solle mich mit den anderen Ausschussmitgliedern in unserem Besprechungsraum einfinden. Dort wird die neue Lage besprochen. Nach einer halben Stunde löst sich die außerplanmäßige Ausschusssitzung auf, aber ich habe keine Eile in den Plenarsaal zurückzukehren. Stattdessen begleite ich meine Kollegin in ihr Büro.

Dort stellt sie fest:
"Verehrte Kollegin Lai Yi Ni, Sie sind seit der Sitzung heute so aufgeregt..."

"Ich hatte ein Déjà-vu," gebe ich unumwunden zu. "Genau wie jetzt ist es meinem ehrenwerten Vorgänger ergangen, als er Hilfe für das Volk der Deng angefragt hat. Auch damals sollten erst Inspektoren vor Ort ergründen, ob Hilfen überhaupt und in welcher Höhe angemessen seien."

Sie neigt den Kopf.

"Das ist parlamentarische Praxis, ehrenwerte Kollegin Lai Yi Ni!" antwortet sie mir.

Ich nicke und sage: "Ja, leider. Ich muss Ihnen etwas beichten, verehrte ältere Kollegin: Mich hat das Thema 'Gebi' auch im Urlaub nicht ruhen gelassen. Also habe ich mit unserer verehrten Königin darüber gesprochen. Anwesend war auch der Bu Men unseres Klosters und der Premierminister. Zu Viert haben wir einen Plan erarbeitet, der natürlich mit finanzieller Hilfe aus Peking effektiver umgesetzt werden könnte. Ich will damit auch klarstellen, dass meine Loyalität nicht nur meinem Volk gilt, sondern allen Chinesen. Wobei mein Herz denen gehört, die in Not geraten sind!"

Die ehrenwerte Lang Jin Jin schaut mich gespannt an. Ich greife noch einmal zurück:

"Sie haben es ja miterlebt, unser Notfall vor Jahren ist in verbrecherischer Absicht herbeigeführt worden. In der Gebi liegen die Dinge etwas anders. Sie sind eher vergleichbar mit den Verhältnissen in Ostafrika, wohin ich meinen Vater zu einer Entwicklungshilfe-Mission begleiten durfte. Auch dort darben die Menschen und die fehlende Bildung verhindert, dass sie ihr Schicksal selbst verbessern können.
Nun hat der ehrenwerte Bu Men Chen eine Gruppe aus zwanzig Mönchen zu den Familien in die Gebi entsandt, um dort zu sondieren und einen Ort für ein Kloster zu finden. Es soll gewissermaßen ein Kristallisationspunkt werden. Die jungen Menschen sollen dort geschult werden und später Arbeit finden. Die umherziehenden Familien sollen dort Wasser für ihre Tiere erhalten und Nahrung finden."

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