Donnerstag, 30. März 2023
Hao Ling -34
"Das ist eine Selbstverständlichkeit! Ich möchte mich aber nie dazu hergeben, irgendjemand im Kongress oder der Regierung auszuspionieren. Den demokratischen Prozess durch den Austausch von Argumenten möchte ich nicht untergraben!"

"Und die Nachrichtenagentur wird schon bald das Interesse an Ihnen verlieren, verehrte Kollegin Lai Yi Ni. Unsere verehrte Kollegin Lang Jin Jin kennt ein paar Leute, die Ihnen diese Tintenkleckser vom Hals halten können!" wirft der verehrte Kollege Zhang Lee Aang dazwischen.

"Freut mich zu hören!" antworte ich, erleichtert lächelnd.

Die nächsten Monate meiner Amtszeit im Hohen Haus des Volkskongresses verlaufen deutlich entspannter. Dank meiner Mentorin, der älteren Kollegin Lang Jin Jin, werde ich in verschiedene Ausschüsse eingeladen. Dort werde ich aufgrund meiner Erfahrungen als frühere Königin meines Volkes um meine Meinung gefragt.

Wieviel davon letztendlich in deren Anträge einfließt, kann ich nicht feststellen. Aber es gibt mir mehr und mehr Selbstsicherheit unter den meist älteren Kollegen zu sprechen.

Meine Mentorin und ich sind durchaus nicht immer einer Meinung, wenn es um die Politik geht. So diskutieren wir lange und oft abwechselnd in meinem oder ihrem Büro. Zu Beginn vertritt sie eine eher extreme Position und fordert dadurch meine Gegenrede heraus. So geht es oftmals Hin und Her, wobei die ehrenwerte Lang Jin Jin immer kompromissbereitere Töne anschlägt.

Wie Wu Hao Ling mir meist anschließend sagt, hätte sie gegen Ende der Debatten den Hauch eines Lächelns auf ihrem Gesicht entdeckt. Ehrlich gesagt, gefallen mir diese Diskussionen sogar selbst. Ich lerne viel bei diesen Disputen. Sie helfen mir, meine Argumente präziser zu formulieren. Auch die Strategie, die meine ältere Kollegin an den Tag legt, möchte ich ebenfalls verinnerlichen.

Das Ende des Sitzungszyklus ist auf diese Weise fast unbemerkt näher gerückt. Die Delegierten bereiten sich für die Rückkehr zu ihren Volksgruppen vor, um die Sommerpause des Volkskongresses dort zu verbringen. Rückblickend denke ich, dass ich stolz auf meine geleistete Arbeit sein kann.

Ich helfe meiner Zofe Wu Hao Ling beim Koffer packen. Irgendwie empfinde ich es als seltsam beruhigend, die Kleider zu falten und den Schmuck in die Kästchen zurück zu legen. Anschließend wuchten wir die Koffer auf einen Kofferkuli und lassen uns zum Bahnhof bringen. Nun steht uns wieder eine zwanzigstündige Zugreise bevor.

Einen großen Teil der Zugfahrt verbringen wir schlafend in unserem Abteil. Unser Essen lassen wir uns vom Zugpersonal bringen.

In unserer Heimatstadt angekommen, schlage ich Hao Ling vor, dass wir den Weg vom Bahnhof zum Palast der Königin zu Fuß machen wollen. Für unsere Koffer leihen wir einen Kofferkuli. Wu Hao Ling lässt es sich nicht nehmen, ihn allein zu schieben. So kann ich die Eindrücke meiner Heimatstadt unbeeinflusst auf mich einwirken lassen.

Jeder Schritt führt mich tiefer auf vertrauten Boden. Ich fühle mich so gut, wie seit Monaten nicht mehr und bin froh, wieder in der Heimat zu sein. Bald bin ich wirklich wieder zuhause. Zuerst steht aber ein Treffen mit Ihrer Majestät, der Königin, an.

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