Dienstag, 28. Februar 2023
Hao Ling -24
Die ehrenwerte Delegierte Lai Yi Ni versteht das Zeichen. Ihr Körper strafft sich und ihre Miene wird wieder freundlich unverbindlich. Sie erhebt sich selbstsicher und weist mich an, ihr zu folgen. Gemeinsam verlassen wir den Balkon und streben ihrem Büro zu.

"Endlich ist der lange Tag vorbei!" äußert sich jemand in unserer Nähe.

"Das ist er, Delegierter Sun Shi Yan. Aber die Arbeit beginnt ja erst!" meint Lai Yi Ni lächelnd zu ihm. Es ist der junge Mann, der uns vor ein paar Tagen in der Informationsveranstaltung begegnet ist und höflich Platz gemacht hat.

Er lächelt zurück.

"Sie erinnern sich an mich!" freut er sich.

"Möchten Sie mich ein Stück begleiten?" fragt sie ihn zuvorkommend.

Sun Shi Yan freut sich offensichtlich. Wir legen den Weg zu unseren Büros nun langsam schlendernd zurück. Er redet unterwegs ohne Punkt und Komma. Größenteils geht es ihm darum, zu erklären, wie überwältigend hier alles für ihn ist. Lai Yi Ni hört ihm höflich zu und bewahrt eine neutrale Miene.

"Ich bin sicher, Sie haben inzwischen ähnliche Eindrücke sammeln können," schließt Sun Shi Yan seinen Redefluss.

Lai Yi Ni schaut ihn freundlich neutral an. Nun wird er nervös. Wir sind vor den Aufzügen stehengeblieben. Mit unruhiger Stimme flüsternd, meint er:

"Wegen der Nachrichten, meine ich. Nicht dass ich Sie für unqualifiziert halte. Ganz bestimmt nicht! Sie sind nur neu, genau wie auch ich. Vielleicht könnten wir gemeinsam vorankommen."

Lai Yi Ni antwortet, selbstbewusst lächelnd:
"Ich denke, wir werden hier alle sehr schnell lernen, wie wir unsere Überzeugung einbringen können."

Sie scheint von Sun Shi Yan angenehm berührt zu sein. Fürs Erste trennen sich hier ihre Wege. Als der Aufzug hält, steigen wir ein und fahren auf unsere Ebene. Eine ältere Delegierte, die sich schon im Aufzug befunden hat, steigt mit uns aus und spricht Lai Yi Ni dabei an:

"Sie haben heute eine gute Figur gemacht, verehrte Kollegin."

"Was macht Sie da so sicher, hohe Dame?" fragt Lai Yi Ni zurück.

"Sie haben ein gutes Stehvermögen, zeigen weder Enttäuschung noch Entmutigung angesichts der Realität der Arbeit eines Delegierten. Viele kommen mit großem Enthusiasmus hierher, wollen viel erreichen und hangeln sich enttäuscht von Hürde zu Hürde."

Lai Yi Ni zwinkert lächelnd.

"Ah," antwortet sie. "Wenn das die einzige Voraussetzung ist, dann muss ich wohl für das Leben als Delegierte geboren worden sein."

"Und Zähne zeigen können Sie auch!" lacht die ältere Delegierte. "Mein Name ist Lang Jin Jin."

"Nun, ich habe sechs Jahre die Staatsgeschäfte der Deng geführt. Außerdem habe ich meinen ehrenwerten Vater oft bei Projekten im Ausland begleitet, soweit es meine Zeit erlaubte. Dabei lernt man eine distanzierte Herangehensweise, obwohl die Emotionen immer mitschwingen. Ich denke aber, ich sollte mich auch gegenüber anderen Methoden aufgeschlossen zeigen."

"Ich weiß! Letzteres habe ich bei ihrem Auftritt vor fünf Jahren vor dem Hohen Haus miterlebt. Sie haben die richtigen Worte zur richtigen Zeit gefunden!" urteilt die ehrenwerte Delegierte Lang Jin Jin. "Ich war damals noch ganz neu im Volkskongress. Es ist sehr interessant, ihren Wechsel in die große Politik mitzuerleben."

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