Freitag, 25. November 2022
Aino sasayaki -Flüstern der Liebe- 16
"Emi-San," flüstert er mit rauher Stimme. "Endlich darf ich dich wiedersehen!"

Für uns ist es tatsächlich schwer. Er arbeitet als Ingenieur in leitender Position beinahe täglich 14 bis 16 Stunden. An den Abenden bis spät in die Nacht liegen meine Termine. Auch jetzt hat er nicht viel Zeit. Hinzu kommt, dass Körperkontakt in der japanischen Öffentlichkeit verpönt ist. Doch dieser kurze Moment mit meinem Kareshi und Danna -Freund und Gönner- hat einfach sein müssen.

Wir gehen plaudernd nebeneinander her zum Ausgang des Parks. Ich strahle ihn an, als ich erzähle, dass ich bald eine kleine Schwester -Imoto- haben werde, wenn sich das Mädel nicht zu dumm anstellt. Er nickt anerkennend.

Das Wetter am nächsten Tag ist nicht schön. Es regnet in Strömen. Ich ziehe also über meinen Kimono einen Haori -Jacke- an. Mein Danna hat mir vor Monaten einen Haori mit weichem weiten Kragen geschenkt. Dazu nehme ich einen Schirm mit nach draußen und rufe mir ein Taxi.

An der Agentur angekommen, entlohne ich den Taxifahrer und gehe auf das Haus zu, in dem die Agentur liegt. Im Eingang schließe ich den nassen Schirm und fahre mit dem Aufzug zu der Etage hoch. Dort klingele ich an der Glastür. Die Dame an der Rezeption drückt auf den Öffner und verbeugt sich leicht.

Ich frage sie, ob Ohgo-San anwesend ist.

"Ja, Emi-San, sie wartet im Büro von Ichiyama-San."

Ich wende mich zum Büro des Agenturleiters und klopfe an. Kurz darauf öffnet mir die Sekretärin. Sie lächelt mich an und macht den Weg frei.

"Ah," höre ich von drinnen. "Konnichiwa, Emi-San. Schön, dass sie gekommen sind."

Der Agenturleiter hat sich hinter dem Schreibtisch erhoben, lächelt mir entgegen und schaut dann die junge Frau an, die nun ebenfalls aufgestanden ist. Sie dürfte gerade 16 oder 17 Jahre alt sein und trägt eine Schuluniform. Ich nähere mich dem Schreibtisch. Die junge Frau verbeugt sich tief vor mir. Mich ihr zuwendend, übergebe ich ihr meinen nassen Schirm.

"Das ist Ohgo-San," stellt er mir die junge Frau vor, die sich nun wieder leicht verbeugt.

Die Sekretärin kommt hinzu und serviert Tee. Also setze ich mich auf den freien Stuhl am Schreibtisch. Ich bedanke mich bei der Sekretärin und hebe meine Tasse grazil an. Über den Rand der Tasse schaue ich nun Ohgo-San an und sage:

"Konnichiwa, Ohgo-San. Was hat dich dazu bewogen, eine so lange und harte Ausbildung anzustreben?"

"Konnichiwa, rippana Emi-Sama -Guten Tag, ehrenwerte Dame Emi-. Ich denke, ich brauche etwas mehr Selbstvertrauen. Meine Zeugnisse sind gut, aber nicht überragend. Dadurch habe ich leider Probleme bei der Berufswahl. Eine Geisha ist so etwas wie ein Model. Sie erntet Bewunderung. Das wieder lässt mein Selbstvertrauen sicher mit der Zeit aufblühen."

"Hm," sage ich nun und lächele dem Agenturleiter und der jungen Frau zu. "Auf den Mund gefallen bist du sicherlich nicht! Was tust du aber, wenn du aufgrund der Anforderungen der Ausbildung feststellst, dass die angestrebte Berufung doch nichts für dich ist?"

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