Samstag, 16. März 2024
Kiron, der Sucher -11
Ich bleibe gelassen und antworte geduldig:
"Niemals darfst du angreifen, Amal! Damit ginge ja das erste Leid von dir aus. Du darfst dich aber verteidigen. Wenn der Gegner sich als übermächtig erweist, und du sterben solltest... Habe keine Angst! Der Tod ist nicht das Ende. Du wirst wiedergeboren und der Kreislauf des Lebens beginnt wieder von vorne. Das geschieht so oft, bis du ein Leben wie Buddha zu führen verstehst. Dann erreichst du auch das Nirwana."

"Kuna -Gut-, und was bedeutet der 'Achtfache Pfad', Paramapaavan -deine Heiligkeit-?"

"Dazu möchte ich dir erklären, Amal, wenn die Menschen die Lebensregeln des 'Achtfachen Pfades' genau befolgen, überwinden sie die Habgier und können zur wahren Erkenntnis aller Dinge gelangen. Sie führen den Menschen auf einen Mittelweg zwischen einem Leben in Luxus und einem Leben des Verzichts. Willst du später ein Guru werden wie ich, dann sollte dir der Verzicht zur Lebensaufgabe werden."

Ich füge eine kleine Gedankenpause ein, um dem Jungen Gelegenheit zum Nachdenken zu geben, dann fahre ich fort:

"Erstens, heißt es da, bemühe dich um Weisheit und verhalte dich immer richtig. Zweitens, sei gütig und friedfertig. Drittens, lüge niemals. Viertens, tue keinem Lebewesen Böses an und stehle nicht. Fünftens, schade niemandem und zerstöre die Natur nicht. Sechstens, gib dir Mühe und erfülle deine Pflichten. Siebtens, sei achtsam, denke und handele stets besonnen. Und schließlich achtens, konzentriere dich, denke nach und meditiere."

Amal geht nun eine ganze Weile stumm neben mir her. In seinem Kopf arbeitet es. Irgendwann antwortet er resigniert:

"Das sind keine leichten Regeln!"

Ich schaue ihn an und ermutige ihn:
"Sei nicht so schnell entmutigt, Amal! Alles braucht seine Zeit. Du bist ja auch erst seit gestern mein Shishy -Schüler-. Noch ist kein Meister aus den Wolken gefallen! Geduld und Gelassenheit sind wichtige Eigenschaften im Leben. Ein Guru muss den Leuten Gutes tun, ihnen Freude bereiten, bescheiden leben und seine Mitmenschen immer wieder seelisch aufrichten.
Siddharta Buddha ist 80 Jahre alt geworden, bis er starb und ins Nirwana einging."

"So lange?" macht er nun und schaut mich mit großen Augen an.

Ich lache fröhlich auf und antworte ihm:
"Nein, so lange musst du nicht warten! Wenn du konsequent an dir arbeitest, hast du die Regeln in fünf oder zehn Jahren verinnerlicht und lebst sie. Ich wollte damit nur sagen, dass Menschen nun einmal nicht perfekt sind! Aber sie müssen perfekt werden wollen, dann schaffen sie vieles."

Vor uns tauchen Hütten am anderen Flussufer auf. Ein Boot liegt da und Kinder toben ausgelassen im Wasser.
Ich setze mich mit untergeschlagenen Beinen in den Sand und beginne zu meditieren. Amal lässt sich neben mir nieder. Er schaut dem Treiben zu. Bald höre ich ihn fragen:

"Paramapaavan -deine Heiligkeit-, ich möchte gerne mitspielen. Darf ich?"

Ich nicke. Er geht ins Wasser, um sich bald auf die Wellen zu werfen und zu den anderen Kindern zu schwimmen. Wieder suche ich in der Meditation nach Prana -Lebenshauch-. Irgendwann kann ich Prana erkennen. Es ist, als würde ich wellenförmige Gebilde sehen, die von den Lebewesen um mich herum ausgehen.

Das Prana der Kinder ist in ständiger Bewegung. Amal erkenne ich dazwischen an einer besonderen 'Färbung', die ich mir in der Nacht eingeprägt habe. In einiger Entfernung schleicht ein Baagh -Tiger- herum, der von den Kindern angelockt worden ist. Möglicherweise hat er Hunger. Er nutzt jede Deckung.

... comment