Freitag, 25. Dezember 2020
Yamato Nadeshiko -1-
- BUNREI NO SHIMA -

Ich verbeuge mich respektvoll vor meinem Chef. Unsere Company hat eine künstliche Insel entwickelt, auf der die Bewohner umweltschonend und weitgehend autark leben können. Es ist eine Zukunftsvision, um den Menschen im Pazifik zu helfen, deren Lebensraum im Klimawandel untergehen wird.

Der Bau eines Prototyps ist abgeschlossen. Schlepper brauchen die Insel nur noch an ihren Bestimmungsort zu bringen und dort verankern. Ein letztes Problem wäre da leider noch: Die Insel sollte bewohnt sein, um ihre Alltagstauglichkeit einige Jahre lang unter Beweis zu stellen.

Nun bringe ich meinem Chef einen Vorschlag:
„Sumimasen -Entschuldigung-, Amatsuka-Sama, mein ehrenwerter Onkel ist ebenso Nachfahre eines edlen Samurai-Geschlechts. Er könnte die Insel sogar kaufen. Aber damit wäre uns zurzeit sicher nicht gedient. Was ich anmerken wollte, ist dies: Tanaka-San hat Verbindungen, die uns bei der Suche nach geeigneten Test-Bewohnern helfen könnten! Dozo Yoroshiku Oneigaishimasu -Sei bitte nett zu mir-.“

„Arigatou gozaimasu –Vielen Dank-. Dann sagen Sie ihrem ehrenwerten Onkel, er möge sich mit mir in Verbindung setzen, sobald es seine Zeit erlaubt, kudasai – bitte!“

*

Ich heiße Masao Tanaka und wie man unschwer von meinem Namen ableiten kann, bin ich Kanadier japanischer Abstammung. Meine Eltern kenne ich nicht. Meine Mutter ist früh gestorben. Seitdem bin ich in einem Internat hier in Edmonton aufgewachsen. Angeblich hat das Erbe meiner Mutter die Kosten des Internats getragen.

Nun soll ich wohl ein Studium beginnen, mit dessen Hilfe ich mir in ein paar Jahren eine Existenz aufbauen kann. Aber nach all den Arbeiten, Prüfungen und Beurteilungen möchte ich mir erst einmal eine Auszeit gönnen. Ich bepacke mein Fahrrad und strebe auf die nahegelegenen Rockies zu. Unterwegs kommen mir bestimmt Ideen, die ich später umsetzen könnte, wenn ich das nötige Fachwissen besitze. Damit stünde nach der Reise ‚zu mir selbst‘ auch die Fachrichtung fest, die ich im kommenden Studium einschlagen will.

Drei Tage bin ich unterwegs, als ich mich wieder einmal auf einen flachen Felsen zu einer Rast niederlasse. Ich hole die Tüte mit den belegten Brötchen hervor, die ich mir am Morgen im Youth Hostel eingesteckt habe und will hineinbeißen. Das Geräusch eines Hubschraubers erfüllt die Luft und macht mich neugierig.

‚Was mögen die Ranger denn jetzt suchen?‘ frage ich mich in Gedanken. ‚Oder handelt es sich um einen Routineflug zur Kontrolle des Geländes?‘

Vorsorglich knülle ich die Tüte zusammen und schiebe sie in meine Gepäckträger-Tasche. Anschließend schaue ich mich um. Das Fluggerät ist nur zu hören. Sehen kann ich es nicht.

Plötzlich hebt es sich direkt vor mir aus der Schlucht. Es schwebt am Rande des Abhangs, als das Cockpit auf meiner Seite geöffnet wird und ein Mann, asiatischer Abstammung, auf das Plateau zu mir herausklettert. Er trägt keine Ranger-Uniform! Was er trägt, ähnelt eher althergebrachter traditioneller japanischer Kleidung. Das lässt mich ihm neugierig entgegenschauen.

„Hello,“ begrüßt er mich. „Do you are Tanaka-San?“

Ich antworte, interessiert nickend:
„Ja, der bin ich. Vermisst mich etwa irgendwer?“

Mein Gegenüber lächelt und verbeugt sich leicht.

„Sumimasen -Entschuldigung-, so kann man es tatsächlich bezeichnen. Ihr ehrenwerter Vater, Tanaka-Sensei, bittet Sie Ihn zu besuchen. Sie möchten auch eine Handvoll kanadische Erde mitbringen, kudasai -bitte-.“

„Mein Vater?“ frage ich. „Ich hatte nie einen Vater! Meine liebe Mutter ist früh gestorben und ich bin in einem Internat aufgewachsen!“

Der Mann verbeugt sich wieder.

„Ihr ehrenwerter Vater entstammt einem alten Samurai-Geschlecht. Er ist vor achtzehn Jahren zurückgerufen worden, und dem Ruf seines Otou-San -Vaters- gefolgt. So wie ich Sie jetzt bitte, dem Ruf ihres Vaters zu folgen!“

„Okay,“ meine ich. „Und wohin verstauen wir mein Gepäck?“

„Sie brauchen nichts! Sie erhalten alles neu! Schieben Sie das Rad an den Rand des Plateaus und geben Sie ihm einen Stoß. Das beschäftigt erst einmal mögliche Suchtrupps. Vergessen Sie die Bitte ihres Vaters nicht!“

Ich ziehe als die leere Tüte wieder aus der Gepäckträger-Tasche und stecke sie mir in die Hose. Danach lasse ich das Rad mit sämtlichem Gepäck in die Schlucht fallen und lausche dem Geräusch hinterher. Anschließend nehme ich die Tüte zur Hand und fülle sie zur Hälfte mit Erde, die ich zwischen den Felsen finde.

Der Mann macht nun eine einladende Handbewegung in Richtung des Fluggeräts, dass eher ein Quadrocopter zum Personentransport ist, als ein regulärer Hubschrauber. Ich steige ein und der Mann folgt mir, hinter sich das Cockpit schließend.

Während des nun folgenden, gut dreistündigen Fluges durch die Rockies, frage ich die beiden Männer über meinen Vater aus. Sie erzählen mir, dass mein Vater damals an das Sterbebett seines Vaters gerufen wurde. Er hat dann die Firma meines Großvaters übernommen. Ursprünglich wollte er meine Mutter und mich später nachholen. Als sie jedoch überraschend verstorben ist, hat er meine weitere Erziehung durch ein Internat veranlasst, um mich nach erfolgreichem Studienabschluss zu sich zu holen.

„Und das ist jetzt genau der vorgesehene Zeitpunkt?“ frage ich, denn ich stehe doch gerade am Beginn meines Studiums.

Der Mann neben dem Piloten lächelt.

„Es haben sich Veränderungen ergeben. Ihr ehrenwerter Otou-San -Vater- hat seine Firma verkauft und mit dem Geld eine Insel gekauft. Die Mitarbeiter seiner Firma hat er, ganz nach Samurai-Tradition, bei sich behalten. Sie bilden jetzt die Bevölkerung der Insel. Seine Mitarbeiter leben dort als Selbstversorger beinahe autark.“

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