Freitag, 24. Mai 2024
Eine neue Hoffnung -04
Bald werden wir in die Hütten zu den Familien eingeladen und setzen uns im Kreis auf den Boden. Ich sehe, dass die Menschen den Schneidersitz bevorzugen und setze mich genauso hin. Dann erhält jeder eine Schale mit Reis, Hähnchenfleisch und einer scharfen Soße. Aufschauend erkenne ich, dass die Leute mit den Fingern Reisbällchen formen und sie dann in ihren Mund befördern.

Mit der Zeit werden meine Finger klebrig davon, aber nach der Mahlzeit erhält jeder eine Schale Wasser und ein Gästetuch. Danach wird hier geschlafen. Die Abenddämmerung hat auch schon eingesetzt und das Geräusch des Dschungels ändert sich allmählich. Wir gehen in unsere Hütte und lassen das Moskitonetz herunter. Bald bin ich eingeschlafen.

Am nächsten Morgen wecken mich die lauten Geräusche des erwachenden Dschungels. Lange sträube ich mich dagegen, aber irgendwann öffne ich doch die Augen. Wir kleiden uns an, nachdem eine junge Frau zur Tür unserer Hütte hereingeschaut hat. Sie hat irgendetwas auf Nepali gesagt, oder ist es Hindi gewesen? Hier im Grenzgebiet bin ich mir nicht sicher. Dabei hat sie die gefalteten Hände zum Kinn gehoben und mit dem Kopf lächelnd genickt.

Sicher hat sie uns "Guten Morgen" gewünscht, interpretiere ich es. Als wir vor die Tür treten fällt mir als Erstes eine große Schüssel voll Wasser direkt an der Tür auf. Ich laufe zurück und hole Waschlappen, Handtuch und mein Zahnputzzeug. Emma, meine Hütten-Mitbewohnerin, macht dasselbe. Nach unserer Morgenhygiene gehen wir nach nebenan in die Hütte der Familie. Dort sitzen alle schon im Kreis und frühstücken.

Wir entschuldigen uns auf Englisch für unser Zuspätkommen und nutzen dabei die gleiche Geste, die die junge Frau heute Morgen gebraucht hat, nur mit einem eher verlegenen Gesichtsausdruck. Nachdem wir uns hinzugesetzt haben, erhalten wir auch eine Reisschale. Wieder nutzen wir zum Essen unsere Finger, wie alle hier.

Nach dem Frühstück schaut Emma nach den Anderen aus unserer Gruppe, während ich durch das Dorf spaziere. Alles ist so neu für mich. Nachdem ich zwischen zwei Hütten hindurchtrete, die etwas weiter auseinander stehen, sehe ich vor mir Männer auf den Feldern arbeiten. Kleine Kinder spielen ausgelassen seitlich an der Baumgrenze des Dschungels.

Ich gehe auf einem Wall weiter ins Feld hinein. Plötzlich fällt mir ein Junge auf, der vielleicht in die vierte Klasse gehen müsste. Der Junge arbeitet hier zwischen den Männern. Als er neugierig aufschaut, erkenne ich einen riesigen roten Fleck über der Nasenwurzel, der so unregelmäßig geformt ist, als hätte man ihm flüssiges Wachs dorthin geträufelt.

Ich assoziiere das Zeichen sogleich mit 'Kamaiya', der Bezeichnung für 'hart arbeitender Landarbeiter'. Das bedeutet hier eine Person, die für ihr Essen und Kleidung arbeiten muss, ohne darüber hinaus eine Bezahlung zu erhalten. Überrascht spreche ich ihn an und frage ihn auf Englisch:

"Are you a slave?"

Er erhebt sich und antwortet mir in gebrochenem Englisch:

"I human!"

Sofort entschuldige ich mich:
"Excuse me please, I didn’t want to deny that -Entschuldigung, das wollte ich nicht abstreiten-!"

Ich drehe mich auf dem schmalen Wall um, um wieder ins Dorf zurückzugehen. Da spricht er mich an:

"You Apsara?"

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