Montag, 6. Juni 2022
Die Gesellschafterin -05
hermann-jpmt, 11:42h
Ich nicke und gebe mein Handy an den Mann hinter dem Schreibtisch weiter. Die beiden Männer reden eine Weile, während der sich der Einrichtungsberater immer tiefer verbeugt. Nachdem die Verbindung getrennt ist, unterschreibe ich den Auftrag, der nun einen Umfang von 20.000 Euro bekommen hat. Für meine Ohren hört sich das nicht viel an. Ich werde den Betrag in Kürze aus reiner Neugier einmal in Yen umrechnen.
Der Mann erhebt sich und weist mir den Weg zurück zur Kundeninformation. Dort soll ich warten, während er seinen Wagen holt, sagt er. Es dauert etwas bis er kommt. Sicher hat er seine Abwesenheit seinem Vorgesetzten melden müssen. Unter vielen Verbeugungen führt er mich zu seinem Fahrzeug und ich nenne ihm meine Adresse. Er tippt sie in seinen Navi, der uns zu dem Appartementhaus führt.
In meiner Wohnung misst er die Räume mit einem Infrarot-Taschengerät aus und schreibt sich alle Zahlen auf. Er fragt, ob ich die Küchenzeile übernehmen will, oder ob er auch sie in das Programm aufnehmen soll. Ich gebe ihm mein Okay dafür. Auch will ich Bilder japanischer Künstler an der Wand, die hinterleuchtet werden sollen. All dies notiert er sich.
In der Zwischenzeit habe ich über den Laptop ein Hotel ausfindig gemacht, das in meinem finanziellen Rahmen liegt. Auf dem Weg zu dem Hotel frage ich den Mann, wie lange es dauert, bis die Wohnung nun bezugsfertig ist. Er gibt mir einen Rahmen von etwa zehn Tagen. Für so viele Nächte buche ich ein Zimmer in dem ausgesuchten Hotel.
In den folgenden Tagen melde ich mich bei der Verwaltung der Universität, die ich in den nächsten Jahren besuchen will und nehme eine Menge Informationsmaterial ins Hotel mit, um es in Ruhe durchzuarbeiten. Dabei mache ich mir eine ToDo-Liste, die ich in den freien Tagen abarbeiten will. Es gilt nun, mich in verschiedenen Kursen anzumelden.
*
Nun bin ich schon einige Monate auf der Universität. Hier herrscht eine völlig andere Atmosphäre als ich sie aus Japan gewohnt bin. Ich versuche, mich in meine Bücher zu vergraben und die geforderten Referate und Abhandlungen zu schreiben. Einer Eingebung spontan folgend habe ich mich bei einem chinesischen Kommilitonen gemeldet.
Er bietet einen Kurs zur Selbstverteidigung an. Dies, denke ich, ist der optimale Ausgleich zu dem theoretischen Studium mit der sitzenden Tätigkeit. Sein Spezialgebiet ist zwar das Kungfu und damit eine chinesische Kampfsportart, aber das ist für mich unwesentlich.
Neben mir besucht nur noch eine weitere Frau diesen Selbstverteidigungs-Kurs, neben zwölf Männern. Allesamt sind es Europäer. Sie gehen mich im Training hart an, aber ich weiß mich zu behaupten.
Nach einigen Wochen fragt einer der männlichen Kommilitonen, ob wir uns nicht einmal zum gegenseitigen Kennenlernen privat treffen könnten. Er bietet an, drei Tische in einem Bowling-Center für eine Stunde zu mieten. Kurze Zeit später sammelt er Geld von jedem von uns ein, um den Abend zu finanzieren.
An dem Termin gehe ich zu der Location und schaue mich darin um. Bald habe ich die drei Tische mit meinen Kommilitonen gefunden. Zehn aus unserer Kungfu-Gruppe sind anwesend, einige davon mit ihren Partnern. Einer erklärt mir, dass ich am Tresen Bowling-Schuhe leihen muss und will sich erheben, um mit mir dorthin zu gehen.
"Du weißt doch gar nicht, welche Schuhe für Frauen besser geeignet sind!" fährt ihm das weibliche Mitglied unserer Gruppe über den Mund.
Der junge Mann zieht eine enttäuschte Miene und setzt sich wieder, während sich die Sprecherin erhebt und mich zum Tresen führt. Unterwegs sagt sie zu mir:
"Lass dir von den Männern nur nichts vormachen, Hiko!"
"Vormachen... Wie meinst du das, Sabine?"
"Sie geben vor, etwas zu sein oder zu können, um Bewunderung zu erlangen. Im Grunde sind sie aber soo klein..."
Sie hält Daumen und Zeigefinger in kurzem Abstand zueinander, um ihren Satz zu untermalen. Inzwischen haben wir die Ausgabe der Bowlingschuhe erreicht. Sabine fragt, welche Größe ich habe. Ich sage unsicher:
"In meiner Heimat ist es JPN24. Ich weiß nicht, ob das hier die gleiche Größe ist."
"24? Ich glaube nicht," antwortet sie und schaut auf meine Füße. Dann sagt sie zu dem Mann hinter dem Tresen: "Gib uns mal 39."
Ich probiere die Schuhe an und mache zwei Schritte. Dann schüttele ich den Kopf.
"Doch ein wenig zu groß," meine ich und schlüpfe aus den Schuhen.
"Dann gib uns mal die 38!" weist sie den Mann an.
Ich probiere dieses Paar und nicke.
"Diese passen," sage ich.
"Okay," meint der Mann. Sabine sagt dazu:
"Siehst du! Wäre einer der Jungs mitgekommen, wäre das Problem nicht so schnell gelöst, wie übrigens alle anderen Probleme auch! Wir Frauen müssen unser Leben schon selbst in die Hand nehmen."
"Hm," mache ich. "Aber wie läuft dann bei euch die Paarbildung ab? Also bei uns ist das so: Wenn Zwei sich kennenlernen schaut Frau, ob der Mann einen guten Charakter hat, ob er sie beschützen und Verantwortung übernehmen kann. Dann freundet man sich an und stellt ihn irgendwann den Eltern vor. Wenn der Mann aber den Macho herauskehrt und bloß auf Sex aus ist, nimmt die Frau schnell Abstand von ihm."
"Das ist viel zu langwierig, Hiko. Die Frau nimmt hier in Europa die Zügel selbst in die Hand und lenkt den Mann, auf den sie es abgesehen hat. Männer sind doch so einfach gestrickt!"
Wir haben inzwischen unsere Gruppe wieder erreicht und lassen die Kugeln rollen. Die Stunde ist viel zu schnell vorbei. Die Schuhe geben wir wieder ab und verabschieden uns voneinander. Sabine fragt mich, ob ich zwei Tage später am Nachmittag Zeit hätte zum 'Schwofen bei ihr in der Bude'.
Sie hat mich mit ihren Ansichten neugierig gemacht und so sage ich zu.
Pünktlich stehe ich vor dem Haus, in dem sie wohnt und drücke die Klingel. Es knackt und mit leicht verzerrter Stimme höre ich ein "Halloo?"
"Ich bin es, Watanabe Hiko!" sage ich und eine Sekunde später summt der Türöffner.
Also drücke ich gegen die Haustüre und gehe hinein. Ich stehe in einem Treppenhaus. Von oben höre ich sie rufen:
"Hier bin ich, Hiko! Zweite Etage!"
Der Mann erhebt sich und weist mir den Weg zurück zur Kundeninformation. Dort soll ich warten, während er seinen Wagen holt, sagt er. Es dauert etwas bis er kommt. Sicher hat er seine Abwesenheit seinem Vorgesetzten melden müssen. Unter vielen Verbeugungen führt er mich zu seinem Fahrzeug und ich nenne ihm meine Adresse. Er tippt sie in seinen Navi, der uns zu dem Appartementhaus führt.
In meiner Wohnung misst er die Räume mit einem Infrarot-Taschengerät aus und schreibt sich alle Zahlen auf. Er fragt, ob ich die Küchenzeile übernehmen will, oder ob er auch sie in das Programm aufnehmen soll. Ich gebe ihm mein Okay dafür. Auch will ich Bilder japanischer Künstler an der Wand, die hinterleuchtet werden sollen. All dies notiert er sich.
In der Zwischenzeit habe ich über den Laptop ein Hotel ausfindig gemacht, das in meinem finanziellen Rahmen liegt. Auf dem Weg zu dem Hotel frage ich den Mann, wie lange es dauert, bis die Wohnung nun bezugsfertig ist. Er gibt mir einen Rahmen von etwa zehn Tagen. Für so viele Nächte buche ich ein Zimmer in dem ausgesuchten Hotel.
In den folgenden Tagen melde ich mich bei der Verwaltung der Universität, die ich in den nächsten Jahren besuchen will und nehme eine Menge Informationsmaterial ins Hotel mit, um es in Ruhe durchzuarbeiten. Dabei mache ich mir eine ToDo-Liste, die ich in den freien Tagen abarbeiten will. Es gilt nun, mich in verschiedenen Kursen anzumelden.
*
Nun bin ich schon einige Monate auf der Universität. Hier herrscht eine völlig andere Atmosphäre als ich sie aus Japan gewohnt bin. Ich versuche, mich in meine Bücher zu vergraben und die geforderten Referate und Abhandlungen zu schreiben. Einer Eingebung spontan folgend habe ich mich bei einem chinesischen Kommilitonen gemeldet.
Er bietet einen Kurs zur Selbstverteidigung an. Dies, denke ich, ist der optimale Ausgleich zu dem theoretischen Studium mit der sitzenden Tätigkeit. Sein Spezialgebiet ist zwar das Kungfu und damit eine chinesische Kampfsportart, aber das ist für mich unwesentlich.
Neben mir besucht nur noch eine weitere Frau diesen Selbstverteidigungs-Kurs, neben zwölf Männern. Allesamt sind es Europäer. Sie gehen mich im Training hart an, aber ich weiß mich zu behaupten.
Nach einigen Wochen fragt einer der männlichen Kommilitonen, ob wir uns nicht einmal zum gegenseitigen Kennenlernen privat treffen könnten. Er bietet an, drei Tische in einem Bowling-Center für eine Stunde zu mieten. Kurze Zeit später sammelt er Geld von jedem von uns ein, um den Abend zu finanzieren.
An dem Termin gehe ich zu der Location und schaue mich darin um. Bald habe ich die drei Tische mit meinen Kommilitonen gefunden. Zehn aus unserer Kungfu-Gruppe sind anwesend, einige davon mit ihren Partnern. Einer erklärt mir, dass ich am Tresen Bowling-Schuhe leihen muss und will sich erheben, um mit mir dorthin zu gehen.
"Du weißt doch gar nicht, welche Schuhe für Frauen besser geeignet sind!" fährt ihm das weibliche Mitglied unserer Gruppe über den Mund.
Der junge Mann zieht eine enttäuschte Miene und setzt sich wieder, während sich die Sprecherin erhebt und mich zum Tresen führt. Unterwegs sagt sie zu mir:
"Lass dir von den Männern nur nichts vormachen, Hiko!"
"Vormachen... Wie meinst du das, Sabine?"
"Sie geben vor, etwas zu sein oder zu können, um Bewunderung zu erlangen. Im Grunde sind sie aber soo klein..."
Sie hält Daumen und Zeigefinger in kurzem Abstand zueinander, um ihren Satz zu untermalen. Inzwischen haben wir die Ausgabe der Bowlingschuhe erreicht. Sabine fragt, welche Größe ich habe. Ich sage unsicher:
"In meiner Heimat ist es JPN24. Ich weiß nicht, ob das hier die gleiche Größe ist."
"24? Ich glaube nicht," antwortet sie und schaut auf meine Füße. Dann sagt sie zu dem Mann hinter dem Tresen: "Gib uns mal 39."
Ich probiere die Schuhe an und mache zwei Schritte. Dann schüttele ich den Kopf.
"Doch ein wenig zu groß," meine ich und schlüpfe aus den Schuhen.
"Dann gib uns mal die 38!" weist sie den Mann an.
Ich probiere dieses Paar und nicke.
"Diese passen," sage ich.
"Okay," meint der Mann. Sabine sagt dazu:
"Siehst du! Wäre einer der Jungs mitgekommen, wäre das Problem nicht so schnell gelöst, wie übrigens alle anderen Probleme auch! Wir Frauen müssen unser Leben schon selbst in die Hand nehmen."
"Hm," mache ich. "Aber wie läuft dann bei euch die Paarbildung ab? Also bei uns ist das so: Wenn Zwei sich kennenlernen schaut Frau, ob der Mann einen guten Charakter hat, ob er sie beschützen und Verantwortung übernehmen kann. Dann freundet man sich an und stellt ihn irgendwann den Eltern vor. Wenn der Mann aber den Macho herauskehrt und bloß auf Sex aus ist, nimmt die Frau schnell Abstand von ihm."
"Das ist viel zu langwierig, Hiko. Die Frau nimmt hier in Europa die Zügel selbst in die Hand und lenkt den Mann, auf den sie es abgesehen hat. Männer sind doch so einfach gestrickt!"
Wir haben inzwischen unsere Gruppe wieder erreicht und lassen die Kugeln rollen. Die Stunde ist viel zu schnell vorbei. Die Schuhe geben wir wieder ab und verabschieden uns voneinander. Sabine fragt mich, ob ich zwei Tage später am Nachmittag Zeit hätte zum 'Schwofen bei ihr in der Bude'.
Sie hat mich mit ihren Ansichten neugierig gemacht und so sage ich zu.
Pünktlich stehe ich vor dem Haus, in dem sie wohnt und drücke die Klingel. Es knackt und mit leicht verzerrter Stimme höre ich ein "Halloo?"
"Ich bin es, Watanabe Hiko!" sage ich und eine Sekunde später summt der Türöffner.
Also drücke ich gegen die Haustüre und gehe hinein. Ich stehe in einem Treppenhaus. Von oben höre ich sie rufen:
"Hier bin ich, Hiko! Zweite Etage!"
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