Freitag, 24. Juni 2022
Aibou - Die Zofe -01
Mein Name ist Youki Momoi. Ich verlasse gerade die japanische Schule in Niederkassel und will mich auf mein Fahrrad schwingen, um die zwei Kilometer nachhause schnell hinter mich zu bringen. Wir haben heute die Schulabschlussfeier gehabt und ich habe mein Zeugnis in der Tasche, um es meinem Vater zu zeigen, wenn er von der Arbeit in einem Japan-Restaurant nachhause kommt. Dort ist er seit einigen Jahren beschäftigt und hat sich zum Küchenchef hochgearbeitet.

Plötzlich werde ich angesprochen. Ich wende mich dem Mann zu und höre zu, was er sagt:

"Sumimasen -Entschuldigung-. Hallo, möchten Sie nach Ihrer Schule für eine Agentur in Nippon arbeiten? Sie würden Ihnen auch eine Ausbildung bezahlen, Sie dann in ihrer Liste führen und Sie vermitteln!"

Der Mann hat einen teuren dreiteiligen Anzug an, bestehend aus Hose, Weste und Jacke, mit einigen goldfarbenen Accessoires, und scheint vielleicht etwa ein Dutzend Jahre älter als ich zu sein. Ich hebe die gefalteten Hände, verbeuge mich leicht und frage höflich, aber erstaunt:

"Konnichiwa -Guten Tag-. Aber, wieso ich?"

"Sehen Sie! Sie sind schlagfertig und kommen direkt auf den Punkt!" antwortet er lächelnd und nickt mir zu. "Daneben besitzen Sie eine gewisse Anmut. Ich will ehrlich zu Ihnen sein: Ich habe Sie in letzter Zeit beobachtet. Sie scheinen ein heiteres Wesen zu besitzen, gepaart von Sanftmut, Taktgefühl und Bescheidenheit. Sie haben auf dieser Schule eine gute Bildung erlangt und beweisen ein Gespür für Farbzusammenstellungen. All das sind gute Voraussetzungen, um in der Agentur groß herauszukommen, für die ich arbeite."

"Was kann man dort verdienen und wieviel freie Zeit habe ich?" frage ich rundheraus und hebe eine Augenbraue.

"Das kann ich Ihnen so genau leider nicht sagen," gibt er zu, "denn das kommt sehr stark auch auf Ihr Engagement und den Auftraggeber an. Sind Sie interessiert?"

Er überreicht mir seine Visitenkarte. Ich antworte jedoch zurückhaltend:

"Da muss ich zuerst meinen Vater fragen! Wann ginge denn die Ausbildung los, von der Sie sprechen?"

"Jedes Vierteljahr," erklärt er mir und verabschiedet sich unter Verbeugungen, zwei Schritte rückwärtsgehend.

Ich radele nun nachhause und zeige Mama strahlend mein Zeugnis, die mich daraufhin freudig umarmt. Das Zeugnis legen wir auf Papas Schreibtisch. Anschließend helfe ich Mama bei der Hausarbeit. Danach essen wir gemeinsam zu Abend. Meine Freundinnen haben sich über den Messenger bei mir gemeldet und wir haben uns verabredet, den Tag in einem Club ausklingen zu lassen. Bevor Papa nachhause kommt, bin ich wieder zurück und lege mich in meinem Zimmer schlafen.

Am nächsten Morgen frühstücken wir zusammen mit Papa. Ich habe Mama bei der Zubereitung geholfen und bringe nun die drei Schalen, gefüllt mit Reis und Ei an den Tisch, während Mama das Tablett mit dem Rest zum Frühstückstisch trägt.

Papa hat gute Laune, wie ich sehen kann. Bestimmt ist mein Zeugnis der Grund. Als wir am Tisch sitzen, schaue ich scheu zu ihm auf. Ich erzähle ihm von der Begegnung gestern Nachmittag und überreiche ihm die Visitenkarte des Mannes:

"Sumimasen -Entschuldigung-, shin?ainaru chichi -verehrter Vater-. Gestern hat mich ein Mann an der Schule angesprochen, der wohl ein Agent auf Talentsuche ist. Er sagte, ich strahle Heiterkeit, Sanftmut, Taktgefühl und Bescheidenheit aus. Daneben hätte ich ein gutes Gespür für Farbzusammenstellungen. All das wären Voraussetzungen, um in der Agentur groß herauszukommen, für die er arbeitet."

Papa schaut sich die Karte an und liest laut:
"Aibouejenshi Iwamatsu, Kyoto, Nihon. Yakusho Makoto, Jugyoin. -Zofen Agentur Iwamatsu, Kyoto, Japan. Yakusho Makoto, Agent (Mitglied)-."

Er schaut zuerst Mama an und danach mich.

"Weißt du, um was für eine Agentur es sich da handelt?" fragt er mich.

Ich werde unsicher. Das Wort 'Mode' geistert mir im Kopf herum. Nun antworte ich aber:

"Shinjitsude wanai -Nein, nicht wirklich-," und wedele schüchtern mit der erhobenen Hand.

"Es ist eine Agentur, die junge Frauen in die Haushalte von reichen Industriellen vermittelt. Du wirst dort der Hausherrin -Ushiro kara yuga- zugeordnet. Du hilfst ihr bei der Morgentoilette, dem Schminken, Frisieren, die richtige Bekleidung für den richtigen Anlass auswählen, den entsprechenden Schmuck anlegen. Du bedienst beim Speisen, hilfst ihr beim Planen und Organisieren von Empfängen. Du bist ihre Gesellschafterin auf Reisen.
Du bleibst bei den Empfängen im Hintergrund, sofern du nicht auch servieren musst. Jedenfalls lernst du dabei viele Leute kennen. Es ist möglich, dass dort dann ein zukünftiger Ehemann darunter ist.
Wenn die Agentur seriös ist, kannst du sozial aufsteigen. Das erfordert viel Disziplin deinerseits, angemessene Umgangsformen und das Führen einer angenehmen Konversation, wenn gewünscht. Traust du dir das alles zu?"

Ich höre betreten zu. Was Papa da aufzählt ist eine ganze Menge. Ich brauche eine Zeitlang, um das Gehörte zu verdauen. Schließlich antworte ich:

"Rippana chichi -Mein ehrenwerter Vater- kennt mich schon seit ich lebe. Würde er mir das alles zutrauen?"

Papa lacht und meint:
"Wichtig ist: Würdest DU es dir zutrauen? Bevor du in solch eine Familie kommst, erhältst du über die Agentur gewiss eine Ausbildung. Sie haben einen Ruf zu verlieren! Deshalb wirst du vorher gründlich geschult.
Wenn du diese Kenntnisse erworben hast, würdest du es dir dann zutrauen? Denke daran: Du könntest einem reichen jungen Mann begegnen."

Es stimmt! Der Mann hat von einer Ausbildung gesprochen. Da Papa eine Antwort erwartet, sage ich:

"Hai -Ja-, ich würde es mir zutrauen, shin?ainaru chichi -verehrter Vater-."

"Okay. Dann werde ich mit dem Mann ein Gespräch führen."

*

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