Dienstag, 15. Oktober 2024
Namasté -12
Mataji steht steif neben ihm. Sie zittert am ganzen Körper und ist den Tränen nahe. Ich sehe wie ihre Lippen immer wieder stumm meinen Namen formen.

"Willkommen zuhause, Manju!" heißt mich Pitaji willkommen.

Ich nähere mich ihm, nehme seine Hand und drücke meine Stirn voller Ehrfurcht darauf.

"Danke, Pitaji. Das hört sich unglaublich schön an!" erkläre ich unter Tränen.

"Manju!" rufen meine Schwestern und umarmen mich erneut.

Ich blicke auf. Bodhi und Ramesh lächeln.

Mataji weint vor Freude. Ich nähere mich nun auch ihr, um meine Stirn auf ihre Hand zu drücken. Anschließend umarme ich sie herzlich.

Pitaji schaut mich immer noch mit ausdruckslosem Gesicht an. Darin ist kein Hass zu sehen, eindeutig. Für einen Moment glaube ich sogar, dass es um seine Mundwinkeln leicht gezuckt hat.

Shri Pakskaranji ist vor sein Haus getreten. Er schaut mit einem rätselhaften Blick zu mir herüber. Ist dieses Glitzern dort in seinen Augen etwa Bewunderung?

Da fallen mir Ravis Worte ein. Mein Gruppenleiter hat zum Abschied gesagt:

"Du wirst kämpfen müssen - gegen jahrhundertealte Traditionen, gegen Unverständnis und Dummheit, gegen Böswilligkeit und falsch verstandene Gutmütigkeit. Aber eine Rückkehr in dein Dorf ist ein Sieg - auch in den Augen deiner Leute. Sie werden es nur nicht gleich zugeben wollen."

'Ach, Ravi. Wie Recht du wieder hast!' sage ich in Gedanken.

Die Sonne verschwindet allmählich hinter den Feldern. Aber ich weiß, dass sie wieder aufgehen wird und mit ihr ein strahlendneuer Morgen.

*

Ich schlafe wieder in meinem Elternhaus bei meinen Schwestern. Pitaji ist von ihnen umgestimmt worden, dass die Dorfschule bei Sonnenschein im Schatten unserer Hütte an den Abenden stattfinden darf. Wenn die Tage zu Ende sind und die Sonne untergeht, wird es in diesen Breiten schnell dunkel. Das begrenzt die Schulzeit auf etwa zwei Stunden.

'Aber zwei Stunden sind besser als nichts,' meine ich.

Ich kümmere mich als nächstes um die Liste für das Büro der 'Plan International India'. Zuerst notiere ich alles, was ich zum Betrieb der Dorfschule dringend benötige. Anschließend das, was ich im Laufe der nächsten Zeit brauchen werde. Ich beschreibe auf einem extra Blatt Papier die Situation, die ich hier vorgefunden habe und führe aus, wie es meiner Meinung nach weitergehen muss, damit hier eine wirkliche Dorfschule entstehen kann.

Als wieder einmal ein LKW eine Ladung Bauschutt auf dem Platz neben dem Dorf ablädt und die Leute die von altem Mörtel gereinigten Steine zu ihren Kollegen auf die Ladefläche hochwerfen, um sie dort für den Rücktransport zu stapeln, höre ich den LKW-Fahrer öfter von vorne beginnend zu zählen. So täuscht er Pitaji über die tatsächliche Zahl der Steine und damit über den Wert der Ladung.

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