Sonntag, 6. Oktober 2024
Namasté -09
Ich versuche ihm zu gehorchen. Das Rückgrat durchdrückend, bemühe ich mich um einen aufrechten Gang. Ich hebe den Kopf und richte meinen Blick nach vorn, dort wo die Straße endet und ein schmaler Trampelpfad zwischen die Hütten des Dorfes führt.

Noch einmal tief durchatmend, balle ich meine Hände zu Fäusten, um nicht zu sehr zu zittern. Ein Schritt folgt dem anderen und dabei versuche ich nicht zu sehr an das zu denken, was mich im Dorf vielleicht erwarten wird.

Mitten auf dem Weg muss ich stehen bleiben, um keuchend ein- und auszuatmen. Unbewusst habe ich die Luft angehalten. Wie lange ich schließlich für die Strecke gebraucht habe, weiß ich nicht zu sagen. Doch jetzt bin ich da und kann es nicht glauben.

In die Runde blickend, frage ich mich:
'Sah das Dorf schon immer so trostlos und heruntergekommen aus? War die Hütte dort schon damals baufällig gewesen? Und das Dach dort... Hatte es schon damals nach einer Reparatur geschrien?'

Was sich da vor meinen Augen darbietet ist, in einem Wort ausgedrückt, einfach erbärmlich. Dennoch fühle ich einen leichten Hauch von Daheimsein. Viel hat sich hier also nicht verändert.

Aber auch das beunruhigt mich irgendwie. Neun Jahre bin ich fort gewesen! In der Stadt bringt jeder neue Tag Veränderungen mit sich. Aber hier hat sich in all den Jahren rein gar nichts getan. Es würde mich fast nicht wundern, wenn die Fliege, die damals am Tag vor meinem nächtlichen Fortgang um einen Haufen Kuhmist geschwirrt ist, dort immer noch ihre Runden drehen würde.

Ich seufze und betrete schließlich mit geschlossenen Augen mein Elternhaus.

"Manju!"

Erschrocken vom Klang meines eigenen Namens drehe ich mich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen ist.

Eine junge Frau rennt auf mich zu und umarmt mich im Sturm.

"Manju, oh Manju. Bist du das wirklich?"

"Ja ich bin es," bestätige ich ihr. "Ich bin wieder zurück, Vanita."

Sie schluchzt und ich spüre wie meine Bluse langsam feucht wird.

"Nicht weinen, Vanita," versuche ich sie zu trösten.

Meine Schwester ist zu einer hübschen 15jährigen jungen Frau herangewachsen.

"Tut mir leid," schluchzt sie. "Ach, Manju! Ich habe dich so vermisst!"

"Ich habe dich auch vermisst, Vanita."

Bei ihrem Namen bricht meine Stimme. Etwas Warmes gleitet von meinen Augen über meine Wangen hinunter zu meinem Mund, wo sich ein salziger Geschmack breit macht. Ich schließe sie so fest in die Arme wie ich nur kann, aus Angst sie würde sich in Luft auflösen, wenn ich sie je wieder losließe.

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