Montag, 9. September 2024
Eine neue Hoffnung -40
Allmählich wird unsere Wohnung zu klein. Bisher hat Padma in ihrem Kinderbettchen bei uns im Schlafzimmer geschlafen. Bald wird sie ein eigenes Zimmer brauchen, wo sie ungestört ihre Hausaufgaben machen kann. Da lese ich, dass im benachbarten Stadtteil eine Drei-Zimmer-Wohnung angemietet werden kann. Dort hätte Padma ein Kinderzimmer.

Nach unserem Umzug schauen wir uns nach einem Kindergartenplatz um und melden Padma dort an. Zwei Jahre später ist es Zeit, dass sie in die Schule kommt. Glücklicherweise ist die Grundschule gleich neben dem Kindergarten. Anfangs machen wir weiterhin einen gemeinsamen Spaziergang zur Schule, wie vorher zum Kindergarten. Später geht Padma den Schulweg allein.

In den vergangenen Jahren habe ich den Führerschein gemacht und Leni hat mir zur bestandenen Prüfung einen Kleinwagen geschenkt. Dieser fahrbare 'Einkaufskorb' und 'Kinderwagen' ist gerade richtig für mich. Jetzt hole ich Padma zum Schulschluss ab und bringe sie in mein 'Ashram'. Dort mache ich uns ein schnelles Mittagessen, zumeist auf Reisbasis. Danach zieht sich Padma zurück und macht ihre Hausaufgaben.

Währenddessen setze ich mich in einen Nebenraum und meditiere, bis sie mich stört, weil sie mit irgendeiner Aufgabe nicht klarkommt. Ich helfe ihr und bald fragt sie mich, warum ich auf dem Boden sitze und worüber ich so angestrengt nachdenke.

"Das nennt man meditieren," erkläre ich ihr. "Dadurch kann man wunderbar entspannen, Padma. Es lehrt gelassen und geduldig zu werden. Mit der Zeit wird man dadurch auch achtsam. Man hetzt nicht mehr, sondern nimmt sich Zeit, die kleinen Schönheiten im Leben zu erkennen. Du hast sicher schon einmal eine Pusteblume gesehen und deren Samen in die Luft gepustet.
Achtsam sein, heißt aber nicht trödeln. Wenn man einen Auftrag hat, muss man ihn erst einmal erledigen. Wenn man mit einer Gruppe unterwegs ist, muss man oft gewisse Zeiten einhalten. Darum gelingt das meist erst in Ruhe."

Meine Kleine schaut mich groß an und geht wieder an ihre Hausaufgaben. Irgendwann fragt sie mich:

"Kann man durch meditieren auch seine Hausaufgaben besser erledigen?"

Ich muss lachen und nehme sie in meine Arme.

"Deine Hausaufgaben dienen der Übung und Vertiefung der Lerninhalte im Unterricht. Dazu musst du gut aufpassen, was die Lehrerin sagt und wie sie es an der Tafel vormacht. Hast du etwas nicht richtig verstanden, solltest du dich melden und direkt nachfragen! Sie wird es dann mit einfacheren Worten noch einmal versuchen.
Um Lerninhalte in den Kopf zu bekommen und im Gedächtnis abzulegen, ist die Meditation der falsche Weg!"

"Manches fällt mir aber schwer zu begreifen!" mault Padma.

"Das ist nur natürlich, Liebes. Wir sind alle Menschen, und damit nicht perfekt. Aber wir müssen perfekt werden wollen! Verstehst du? Dazu dienen deine Fragen. Frag' den Lehrern ruhig 'Löcher in den Bauch' bis du etwas verstanden hast!"

"Okay," meint meine Kleine, umarmt mich kurz und läuft wieder an ihren Schreibtisch.

Als sie schließlich die Mittelstufe abgeschlossen hat, biete ich ihr an nach der Schule das Meditieren zu lernen. Schon in der Mittelstufe habe ich begonnen, ihr den Buddhismus nahe zu bringen. Sie hat das Glück, dass ihr Sportlehrer die Klasse gefragt hat, wer sich für Judo interessiert. Er hat damit zweierlei im Sinn, hat er mir bei einem Tag der Offenen Tür erzählt.

Zum einen sollen die Schüler Selbstvertrauen gewinnen und sich zu wehren wissen, ganz besonders die Mädchen, und zum anderen will er ihren Ehrgeiz anstacheln und sie im örtlichen Judo-Verein anmelden und an Wettbewerben teilnehmen lassen. Ich habe lächelnd genickt und meine Zustimmung gegeben.

'Die Idee des Mannes ist nicht schlecht,' denke ich mir.

Als Padma dann vor der Wahl steht, welchen Beruf sie später ausüben möchte, kommt sie auf die Idee, dass die Firma ihres Großvaters in die dritte Generation geht, wenn sie sie später einmal übernimmt. Da meine 'Große' ein gutes Zahlenverständnis besitzt, schlagen wir ihr also eine Ausbildung im Bankenbereich vor. Leni besorgt ihr einen Ausbildungsplatz.

Ich bin seit Jahren durch den Kontakt mit buddhistischen Menschen in ganz Deutschland zu deren Familienfesten unterwegs gewesen, wenn ich eingeladen werde, um als 'heiliger Mann' eine Hochzeit oder eine Beerdigung zu leiten. Besonders die indischen Mitbürger betiteln mich dann mit 'Paramapaavan', was in Deutsch 'deine Heiligkeit' bedeutet. Ich lasse sie, obwohl es mir egal ist, wie man mich anspricht.

Eine Handvoll Männer lebt inzwischen ebenfalls im Ashram in Berlin und wird von mir zum 'Sadhu' ausgebildet. Sie sind unverschuldet in die Arbeitslosigkeit gerutscht und erhalten so eine neue Hoffnung, eine neue Perspektive für ihr Leben.

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