Montag, 2. Oktober 2023
Ein südafrikanischer Traum -07
Die Menschen verschwenden nichts. Wenn sie Nahrung haben, essen sie alles bis zum letzten Krümel auf. Manchmal meint man, ihr Bauch schwillt dabei immer mehr an! Sie respektieren die Natur zu sehr, um etwas wegzuwerfen. Aber sie wissen auch nicht, wann sie das nächste Mal wieder Jagdglück haben, so dass sie von der Mahlzeit zehren, bis sie wieder ein Tier erlegen können. Sie würden im Gegenzug auch nie ein Tier töten, wenn sie es nicht als Nahrung verwerten können.

Sie haben keine Streichhölzer, um Feuer anzuzünden. Seit Anfang an bin ich fasziniert, wenn ich sehe, wie sie Feuer machen. Sie reiben einen Stock ganz schnell an einem anderen, bis die Reibungshitze ein Flämmchen züngeln lässt.

Nach der gemeinsam verbrachten Nacht zieht Lindiwe dauerhaft bei mir ein und wir holen uns beim Schamanen des Clans den Schutz der Götter der Khoikhoi. Dazu wird ein Fest gefeiert, bei dem die Männer des Clans tanzen und die Frauen im Kreis um sie herumsitzen, singen und klatschen. Der Tanz ist anfangs normal, wird dann aber immer wilder. Der Vollmond beleuchtet die Szenerie gespenstisch.

Danach spreche ich sie darauf an, dass ich nicht ewig in der Wildnis leben kann. Mein Beruf erfordert es, dass ich irgendwann in meine Heimat zurückkehren muss. Gern würde ich mit ihr immer wieder für ein paar Wochen zu ihrem Clan zurückkommen.

Sie schaut mich unsicher an und fragt, was man denn wissen muss, um den Alltag in meiner Heimat zu bestehen. Sie scheint ein wenig enttäuscht zu sein, dass ich ihre Heimat verlassen will.

"Um in den Städten bestehen zu können, muss du Englisch und Japanisch sprechen können," erkläre ich ihr. "Englisch konntest du schon sprechen, bevor ich zu euch kam, und japanisch hast du in den letzten Monaten von mir gelernt. Du musst auch ganz gut rechnen können, denn dort holst du dir nicht einfach aus der Natur, was du brauchst. Du tauschst Nahrung und alles, was du zum Leben brauchst in Geschäften gegen Geld ein. Davon haben wir Monat für Monat nur eine begrenzte Menge zur Verfügung."

Ich erkläre ihr in möglichst einfachen Worten das Leben in der Zivilisation und beginne, sie im Rechnen, Lesen und Schreiben zu unterrichten. Als ich meine Studie fertig habe, frage ich Lindiwe, ob sie mit mir nach Johannesburg geht. Dort habe ich eine bessere Internet-Verbindung zu meiner Universität in Osaka.

Wir lassen uns von den Rangern zu einer Lodge bringen, wo ein Überlandbus hält, der uns nach Windhuk bringt. Dort lasse ich sie in Bekleidungsgeschäften stöbern. Bald hat sie sich eine Garderobe zusammengestellt, mit der sie sich glücklich fühlt.

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