Donnerstag, 26. Mai 2022
Lon-Wa-Lha - 39
Lächelnd meint er:
"So etwas trägt man also hier!"

Ich habe eine weite Hose an, darüber ein knielanges und seitlich geschlitztes Longshirt und als Abschluss eine Felljacke, da es zu dieser fortgeschrittenen Jahreszeit schon ziemlich kalt werden kann. Die Arme leicht anhebend, drehe ich mich lächelnd vor ihm und erkläre:

"So geht man im Himalaya im Alltag aus dem Haus, Daidí."

Der Lopon schaltet sich lächelnd ein und meint, wir sollten den Flughafen langsam verlassen. Der restliche Weg dauere noch. Schnell stelle ich ihn meinen Eltern -mo thuismitheoirí- vor und alle verbeugen sich leicht voreinander. Nun überlasse ich Lopon Loden Chenpo die Führung und beantworte Mamaí eine Menge Fragen auf dem Weg nach draußen.

Draußen vor dem Flughafengebäude winkt der Lopon ein Tuktuk heran. Hierbei handelt es sich um ein Taxi, in dem wir und die Koffer bequem Platz finden. Es hat rundum eine Karosserie - bei der allerdings die Türen fehlen.

Wir klettern hinein, während der Fahrer hilft die Koffer zu verstauen. Anschließend fahren wir aus der Stadt hinaus. Der Lopon lässt an der Wiese halten, an der wir vor wenigen Stunden die Motorradrikscha bestiegen haben. Wir steigen aus und wandern die Straße weiter stadtauswärts, während das Tuktuk dreht und nach Katmandu zurückfährt.

Etwa eine Viertelstunde später und einen Kilometer weiter, erfüllt ein leises Brummen die Luft, das schnell lauter wird. Daidí schaut mich an. Ich lächele ihm zu und sage:

"Das dürfte unser Trikopter sein, der uns gleich aufnimmt und nach Lon-Wa-Lha bringt."

Und tatsächlich! Das dumpfe Klopfen schwillt zu dem typischen Hubschrauber-Geräusch an und kurz darauf senkt sich die schlanke Karosserie des Trikopters neben der Straße auf die Wiese. Nachdem die Glaskuppel der Kabine zurückgeschoben ist, steigen wir ein und verstauen die Koffer meiner Eltern. Schließlich wird die Kabine wieder geschlossen, die Hosenträgergurte und die Kommunikationshelme angelegt und der Pilot startet.

In geringer Höhe folgen wir den Hochtälern und bestaunen die Berge um uns herum. Fast zwei Stunden später landet der Pilot unter dem Felsüberhang am Rande von Lon-Wa-Lha. Nachdem wir ausgestiegen sind, führt Lopon Loden Chenpo uns auf die Gebäude von Lon-Wa-Lha zu.

Meine Eltern haben sicher eine andere Art Häuser erwartet. Sie blicken erstaunt auf die Ansammlung von 'Steinhaufen'. Wieder erkläre ich ihnen:

"Die heutigen Bewohner von Lon-Wa-Lha gehören zur Volksgruppe der Mongolen. Vor einigen Jahrzehnten sind sie noch umhergezogen und haben in speziellen Zelten, den Jurten übernachtet. Sie sind solange an einem Ort geblieben, bis dort die Weiden abgegrast waren.
Eine größere Gruppe, eine Stammesgemeinschaft, hat sich irgendwann im Süden Tibets in Lehmbauten in der Form von Jurten niedergelassen und mit der Yak-Zucht begonnen. Gleichzeitig haben sie begonnen mit den Staaten des Himalaya und mit Indien Handel zu treiben. Sie haben vier größere Siedlungen errichtet.
Irgendwann haben die Chinesen in einer Kommandoaktion mit Militär die Siedlungen zerstört und die Mönche des damaligen Klosters festgenommen. Der Rest der Leute sind in den Himalaya geflüchtet und haben hier den Ort Lon-Wa-Lha neugegründet. Auch das Kloster ist hier auf dem Staatsgebiet von Nepal neugegründet worden. Die Gebäude habe jetzt allerdings nur noch entfernt eine Ähnlichkeit mit der Form der früheren Jurte. Sie bestehen auch nicht mehr aus Holz und Lehm, sondern aus Felsgestein."

"Ja, genauso sehen sie auch aus," kommentiert Daidí meinen Vortrag.

Lopon Loden Chenpo steuert den Vordereingang an und betätigt den Türklopfer. Kurz darauf wird die Tür geöffnet. Lhakpa steht im Eingang und verbeugt sich lächelnd. Ich mache meine Eltern darauf aufmerksam, dass sie ihre Schuhe gegen Pantoffel wechseln sollten. Danach durchqueren wir mit unseren Gästen die Namkha -Halle- und gehen über die Treppe in das Stockwerk darüber.

Oben stehen wir in einem Mittelgang. Diesen entlanggehend, erklärt der Lopon meinen Eltern, wo der Wangpoo -Ratsherr- wohnt und wo wir beide unsere Wohnung haben. Dann bleiben wir vor einer Tür stehen. Lopon Loden Chenpo macht eine umfassende Geste und sagt:

"Die restlichen Türen führen in die Wohnungen der Kamlahari oder dahinter befinden sich Gästezimmer."

Damit öffnet er die Tür, vor der wir stehengeblieben sind und wir betreten den Raum. Darin befinden sich ein Tisch und verschiedene Sitzgelegenheiten. Hinter einem Schiebeelement zeigt er meinen Eltern ein Schlafzimmer und daran angrenzend einen begehbaren Kleiderschrank. Auch ein Badezimmer findet sich hier.

Dann lassen wir meine Eltern -mo thuismitheoirí- allein, damit sie sich in ihrer Gästewohnung einleben können. Als die Essenszeit näher rückt, holt Beven ihre Eltern zu Tisch in die Halle. Die ganze Hausgemeinschaft sitzt zum Essen zusammen an der Tafel.

Wangpoo Dondrup Yügyel erhebt sich und begrüßt meine Eltern herzlich. Dann bietet er ihnen Platz an seiner Seite an. Mein Lopon setzt sich mit einem Platz Abstand daneben. Dort darf ich mich später niederlassen. Jetzt aber soll ich mich zuerst bei Lhakpa melden, der nun die Funktion der Hausdame zukommt und die Mägde dirigiert.

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