Mittwoch, 20. April 2022
Lon-Wa-Lha - 21
Der Innenraum hat drei Sitzreihen zu drei Sitzen mit einem schmalen Mittelgang. Direkt vorne sitzt der Pilot und unser Führer setzt sich neben ihn, nachdem er die Kabinentür geschlossen hat. Dann fährt der Pilot den Antrieb wieder hoch und wir heben ab. Nun geht es in wenigen Dutzend Metern Höhe über die grandiose irische Landschaft. Irland trägt zurecht den Beinamen 'Die grüne Insel'.

Bald erreichen wir die wildromantische Steilküste. Der Pilot steuert sein Fluggerät über die Klippe hinaus auf das Meer und geht in den Sinkflug über. Es ist, als befänden wir uns in einem abwärts fahrenden Fahrstuhl. Dabei dreht er um hundertachtzig Grad, so dass wir die Felsen vor uns sehen. Plötzlich taucht eine Höhle mit rechteckigem Eingang vor uns auf. Nun fliegt der Pilot vorsichtig in den erleuchteten Innenraum und setzt das Fluggerät drinnen ab.

Unser Führer erhebt sich aus seinem Sitz und öffnet uns die Kabinentür.

"Darf ich die ehrenwerten Herrschaften bitten, mir zu folgen?" fragt er und tritt auf den Boden der Höhle, während ein Tor zufährt und die Höhle vor der Außenwelt abschließt.

Wir verlassen also unser Fluggerät und folgen dem Mann zu einer weiteren Tür. Der Mann drückt einen Knopf und nach wenigen Minuten fahren die beiden Türflügel zur Seite. Nun betreten wir eine Aufzugkabine, die uns nach oben bringt. Als sie stoppt und sich die Tür öffnet habe ich den Eindruck, in eine U-Bahnstation zu kommen. Nach wenigen Minuten bleiben wir vor einer massiven Eichentür stehen und unser Führer betätigt eine Klingel.

Kurz darauf öffnet uns eine junge Frau in Mägdekleidung und macht einen Curtsey -Hofknicks-.

"Willkommen in der Herberge 'Ardaigh Celtic' -'Keltische Rose'-!" sagt sie und macht den Eingang frei.

Wir müssen nun eine Treppe emporsteigen und kommen in einen Gastraum. Dort steht der Iarla und kommt breit lächelnd auf uns zu, um uns überschwänglich zu begrüßen. Eine Tafel ist für uns eingedeckt. Die junge Frau führt uns noch eine Etage höher und zeigt uns drei Zimmer. Danach gehen wir hinunter an die Tafel und speisen fürstlich.

'Wenn ich den Rest der Woche hier wohnen soll, muss ich meine nepalesische Kleidung, aber auch mein Hochzeitskleid, aus Cork hierherholen,' denke ich und mache die Gesellschaft darauf aufmerksam, dass ich nicht für die Hochzeit ausgerüstet bin.

Meine Eltern nicken. Auch sie sind nicht festlich gekleidet und möchten nach Cork zurück, den Koffer packen. Iarla Chiaraí telefoniert und nach dem Essen gesellt sich ein Mann in dunkler Butler-Uniform dazu. Der Lord stellt ihn lächelnd als 'James' vor, seinen ehemaligen Butler. Der Mann bringt uns mit einem Oldtimer nach Cork. Darüber wird es leider Nacht, als wir ankommen.

"Der Ford A Sedan von 1930 fährt 63 Meilen Höchstgeschwindigkeit," erklärt James unterwegs, aber aufgrund seines Alters will er ihn nicht schneller als mit 35 mph bewegen.

Trotzdem ist die Fahrt ein Erlebnis. Wir übernachten noch einmal zuhause und bieten dem Mann das Gästezimmer an. Nach einem irischen Frühstück am nächsten Morgen. Geht es mit einem Koffer und einer Schachtel auf den Rückweg. Wieder dauert es drei Stunden, in denen uns jedes andere Fahrzeug überholt. Zum Mittagessen sind wir in der 'Keltischen Rose' zurück.

Nach dem Mittagessen gehen wir in das Zimmer meiner Eltern. Dort hilft mir Mama beim Anziehen des Hochzeitskleides. Eine halbe Stunde später kommen wir die Treppe in die Halle hinunter. Inzwischen hat sie sich mit der Clique meiner Freundinnen und ihren Partnern gefüllt. Auch meine Verwandten, denen wir den Weg nach Cuiraraill erklärt haben, sind angekommen. Die Tische, an denen die Hochzeitsgesellschaft sitzt, sind mit irischen Wildblumen dekoriert, dazwischen immer wieder kleine Glöckchen. Handgefertigte Wachskerzen mit Honigduft brennen an jedem zweiten Platz.

Der Iarla Chiarraí erhebt sich lächelnd und streckt mir einladend seine Hände entgegen. Alle Köpfe rucken herum und schauen mir in Begleitung meiner Eltern entgegen. Lobsang hat einen dunkelblauen Anzug mit blaugrün kariertem Kilt angelegt. Er erhebt sich ebenfalls und strahlt mich an.

Im Verlauf der folgenden Zeremonie wickelt der Iarla ein Band um unsere Hände und rezitiert dabei einen Spruch. Dieser Brauch heißt hier 'Tying the knot'. Gleich darauf ertönen die Klänge einer Harfe. Ihre Klänge fangen die Zartheit und Romantik des Augenblicks wunderbar ein. Der Méara von Cuiraraill legt uns ans Herz, das Band zuhause an gut sichtbarer Stelle aufzuhängen, damit wir immer an unsere gegenseitigen Hochzeitsschwüre erinnert werden.

Wir tauschen Ringe, die ein Herz und eine Krone zeigen, gehalten von zwei Händen - die irischen Symbole für Liebe, Treue und Freundschaft. Beim Anstecken achten wir darauf, dass die Spitze des Herzens auf den Träger zeigt. Das zeigt denen, die mit der Symbolik vertraut sind, dass wir vergeben sind.

"Lasst Liebe und Freundschaft regieren!" sagt Iarla Eamon Chiarraí beim Ringtausch.

Nach der Zeremonie werden wir alle von den Mägden der Herberge bewirtet. Für die musikalische Untermalung des Essens sorgen die Harfenistin und ein hinzu gekommener Flötenspieler. Nach dem Essen erhebt sich mein Patenonkel und rezitiert:

"May the wind always be at your back, may the sun shine warm upon your face, the rains fall soft upon your fields and until we meet again, may God hold you in the palm of your hands -Möget ihr den Wind immer im Rücken, die Sonne immer warm im Gesicht, den Regen immer sanft auf euren Feldern und, bis wir uns wiedersehen, eure Hände immer in Gottes Hand haben-."

Danach folgt der fröhliche Teil des Festes. Ein Dudelsackspieler tritt auf, der mit seiner Uileann Pipe für eine ausgelassene Stimmung sorgt. Die irischen Tänze sind sehr rasant im Tempo, wobei die Hacken in schnellem Rhythmus auf den Tanzboden geschlagen werden. Lobsang zuliebe tanze ich mit ihm einen langsamen Tanz, um danach mit meinem Patenonkel die rasanten Tänze zu zeigen. Immer wieder hören wir von den Gästen und auch vom Personal:

"Go maire tù -Möget ihr lange leben-!"

Zu vorgerückter Stunde gehen wir zu jedem Gast und bedanken uns mit einem kleinen Geschenk und ein paar herzlichen Worten. Dazu haben wir im Vorfeld handgemachte irische Pralinen liebevoll verpackt.
Bevor das Fest endet kredenzt der Wirt ein Glas Honigwein. Der Met hat hier in Irland die Bedeutung, dass die Fruchtbarkeit des Paares gefördert werden soll.

Anschließend, Mitternacht ist schon durch, ziehen wir uns auf unsere Zimmer zurück und auch für meine Verwandten und Freunde stehen Zimmer zur Verfügung. Am nächsten Vormittag nach dem Frühstück verabschieden wir meine Leute. Dazu habe ich das Gewand angelegt, das mir Lobi am Ende meiner Semesterferien damals geschenkt hat.

Wir bleiben noch ein paar Tage Gäste des Iarla Chiarraí, dann bringt er uns nach Dublin zum Flugzeug. Meine Eltern machen den Flug nach Katmandu mit. Sie wollen auch die bevorstehende buddhistische Hochzeit miterleben.

Ich habe Mama und Papa in den letzten Wochen auf den Ablauf soweit vorbereitet, wie Lobi sie mir erklärt hat:

"Im Buddhismus gilt eine Verbindung zwischen Mann und Frau als etwas überaus Kostbares," sage ich. "Ein Sakrament wie im Christentum ist die Eheschließung jedoch nicht. Die buddhistische Hochzeitsfeier wird eher als eine soziale als eine religiöse Feier betrachtet.
Spezielle Vorgaben oder Ratschläge Buddhas zu Trauung und Ehe gibt es nicht. Buddha hat jedoch empfohlen, dass sich die Eheleute respektieren und eine gleichberechtigte Partnerschaft eingehen sollen.
Um sich sinnvolle Ratschläge für das Leben in der Ehe geben zu lassen, kann das Brautpaar einen Lama hinzuziehen. Der Lama erteilt auch den Segen für die Beziehung."


Ich warte einen Augenblick, dann rede ich weiter:
"Vor der Hochzeit bittet der zukünftige Ehemann die Eltern seiner Braut um die Hand ihrer Tochter und schenkt ihnen Hadas. Das sind weiße seidene Schals. Nehmen sie die Hadas an, sind sie mit dem Antrag einverstanden und verfassen einen Heiratsvertrag. Vor dem Hochzeitsfest erhalten die Verwandten der Braut vom Bräutigam Handschmuck, Kopfschmuck sowie Kleidung.
Am Hochzeitstag legen Brautpaar und Gäste reich verzierte volkstümliche Kleidungsstücke an. Vor der Lokalität werden die Hochzeitsgäste von den Angehörigen und Freunden des Paares erwartet. Die Gäste nehmen zuerst Platz. Anschließend betritt das Brautpaar die Lokalität, gefolgt von ihren Eltern."

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