Samstag, 2. April 2022
Lon-Wa-Lha - 11
hermann-jpmt, 11:30h
"Okay," sagt sie. "Kommen Sie gerne in die Seomrai beo -Wohnhalle-. Darf ich Ihren Namen wissen?"
"Ich heiße Lea O'Sullivan," gebe ich bereitwillig Auskunft.
Der Eingangsbereich öffnet sich nach wenigen Metern in einen großen ovalen, spärlich möblierten Raum. Sie bietet mir einen Platz an einer großen Tafel an, die etwa zehn Zentimeter niedriger ist, als normale Esstische. Sie schiebt dazu einen Hocker heran.
Dann klopft sie an eine Tür, die seitlich von der Halle abgeht. Ich höre:
"Herein!"
Die Frau öffnet nun die Zimmertür und macht einen ebensolchen Curtsey, wie vorhin vor mir.
"Eine Mhuire O´Sullivan -Lady O´Sullivan- ist angekommen, Curadh Eamon."
Drinnen kratzt ein Stuhl über den Boden. Die Frau durchquert die Halle, mir noch einmal ein freundliches Lächeln schenkend, und verschwindet hinter einer anderen Tür.
Dann erscheint ein Mann in traditioneller Kleidung in der Zimmertür, so dass ich mich irgendwie um Jahrhunderte in der Zeit zurückversetzt fühle. Er lächelt mich an und nähert sich dem Tisch, an dem ich sitze. Hier nimmt er einen Sessel, zieht ihn an den Tisch und setzt sich übereck zu mir.
"Dia dhuit, Iníon O'Sullivan -Hallo, Miss O'Sullivan-, Sie haben meinen Brief erhalten?"
Ich kann im Moment nur nicken.
"Ich habe ihn in Vertretung des Sohnes des Wandii von Lon-Wa-Lha, Lobsang Tenzin Gonpo, geschrieben," erklärt mein Tischnachbar. "Er hat mich um 'Amtshilfe' gebeten, da ein Brief aus Lon-Wa-Lha wohl einige Wochen unterwegs gewesen wäre."
Mir dämmert langsam, wer mein Tischnachbar ist...
"Ich möchte mich vielmals bedanken, a ardbheirte -Ihre Hochwohlgeboren-" versuche ich die feudale Anrede. "Ich begann schon, eine Depression zu entwickeln."
Nun lächelt der Mann milde und meint mit sanfter Stimme:
"Das kann ich sehr gut verstehen. Aber nun haben Sie ja eine Kommunikationsmöglichkeit über Satellit. Ich gratuliere Ihnen übrigens zu ihrer Wahl. Wangpoo Lobsang Gonpo ist ein Ehren-Mann mit vorzüglichen Manieren, dem man sich getrost anvertrauen kann! Darin ist er ganz sein Vater."
Die Frau, die mich hereingelassen hat, bringt nun Tee und Geschirr auf den Tisch. Danach rafft sie ihr Mägdekleid, kniet sich mir gegenüber auf ein Kissen und schenkt den Tee aus. Sie reicht dem Iarla die erste Tasse, die dieser an mich weiterreicht. Die nächste Tasse, die sie ihm ebenfalls reicht, stellt er vor sie. Erst die dritte Tasse behält er in der Hand.
Nun tunkt er Zeige- und Mittelfinger in den Tee und lässt den Tee von seinen Fingern auf einen Stein in der Tischplatte fallen. Dazu sagt er:
"Nádúr neamhbhásmhar, tabhair saol fada sona dár n-aoi. -Unsterbliche Natur, schenke unserem Gast ein langes, glückliches Leben.-"
Ich mache große Augen und frage:
"Das Ritual habe ich noch nie gesehen! Können Sie es mir erklären?"
"Dazu muss ich Ihnen zuerst einmal die Bedeutung des Steins erklären: Der Clocha bhaile -Heimstein- ist unsere Verbindung zur Natur. Wir haben Spaziergänge in der Umgebung von Cuiraraill gemacht und dabei über die Natur nachgedacht - meditiert. Irgendwann ist uns dabei ein Stein aufgefallen, der irgendwie besonders ist.
Man sagt, nicht der Mensch findet einen Stein, sondern der Stein sucht sich seinen Menschen. Die Natur hat dabei 'ihre Finger im Spiel'. Der Clocha bhaile ist unser Bindeglied zur Natur und Mittelpunkt verschiedener Zeremonien.
Er nimmt eine herausragende Stellung in unserem Leben ein, aus Respekt vor der uns umgebenden Natur. Nun habe ich Sie der Natur, wie einem beseelten Wesen, ans Herz gelegt."
"Woher kommt das?"
"Nun, wir haben weltweiten Kontakt zu Völkern, die näher an der Natur leben, wie unsere industrialisierte Gesellschaft in Europa. Von diesen Menschen haben wir übernommen, was uns schlüssig erschien. Ihnen wird es in Lon-Wa-Lha ebenso begegnen.
Wir beuten die natürlichen Ressourcen unseres Planeten nicht aus Profitgier oder Ignoranz aus - 'Nach mir die Sintflut' -, sondern wir verstehen es so, dass die Erde uns geborgt wurde. Und Geliehenes, das wir irgendwann zurückgeben müssen, werden wir doch pfleglich behandeln?!"
"Hm, ja, da haben Sie recht..."
Ich habe ein langes interessantes Gespräch mit Iarla Eamon Chiarraí, verbunden mit sehr gutem Essen. In der Abenddämmerung bringt mich Alainn zur Herberge und redet mit dem Wirt, dass ich auf Kosten Seiner Durchlaucht übernachten kann. Am nächsten Tag fahre ich nachhause zurück.
Angeregt durch das lange Gespräch mit dem Iarla habe ich ein fast endloses Thema, um mich mit Lobi zu unterhalten, bis die Semesterferien beginnen und ich eine Flugreise nach Nepal antrete.
*
"Ich heiße Lea O'Sullivan," gebe ich bereitwillig Auskunft.
Der Eingangsbereich öffnet sich nach wenigen Metern in einen großen ovalen, spärlich möblierten Raum. Sie bietet mir einen Platz an einer großen Tafel an, die etwa zehn Zentimeter niedriger ist, als normale Esstische. Sie schiebt dazu einen Hocker heran.
Dann klopft sie an eine Tür, die seitlich von der Halle abgeht. Ich höre:
"Herein!"
Die Frau öffnet nun die Zimmertür und macht einen ebensolchen Curtsey, wie vorhin vor mir.
"Eine Mhuire O´Sullivan -Lady O´Sullivan- ist angekommen, Curadh Eamon."
Drinnen kratzt ein Stuhl über den Boden. Die Frau durchquert die Halle, mir noch einmal ein freundliches Lächeln schenkend, und verschwindet hinter einer anderen Tür.
Dann erscheint ein Mann in traditioneller Kleidung in der Zimmertür, so dass ich mich irgendwie um Jahrhunderte in der Zeit zurückversetzt fühle. Er lächelt mich an und nähert sich dem Tisch, an dem ich sitze. Hier nimmt er einen Sessel, zieht ihn an den Tisch und setzt sich übereck zu mir.
"Dia dhuit, Iníon O'Sullivan -Hallo, Miss O'Sullivan-, Sie haben meinen Brief erhalten?"
Ich kann im Moment nur nicken.
"Ich habe ihn in Vertretung des Sohnes des Wandii von Lon-Wa-Lha, Lobsang Tenzin Gonpo, geschrieben," erklärt mein Tischnachbar. "Er hat mich um 'Amtshilfe' gebeten, da ein Brief aus Lon-Wa-Lha wohl einige Wochen unterwegs gewesen wäre."
Mir dämmert langsam, wer mein Tischnachbar ist...
"Ich möchte mich vielmals bedanken, a ardbheirte -Ihre Hochwohlgeboren-" versuche ich die feudale Anrede. "Ich begann schon, eine Depression zu entwickeln."
Nun lächelt der Mann milde und meint mit sanfter Stimme:
"Das kann ich sehr gut verstehen. Aber nun haben Sie ja eine Kommunikationsmöglichkeit über Satellit. Ich gratuliere Ihnen übrigens zu ihrer Wahl. Wangpoo Lobsang Gonpo ist ein Ehren-Mann mit vorzüglichen Manieren, dem man sich getrost anvertrauen kann! Darin ist er ganz sein Vater."
Die Frau, die mich hereingelassen hat, bringt nun Tee und Geschirr auf den Tisch. Danach rafft sie ihr Mägdekleid, kniet sich mir gegenüber auf ein Kissen und schenkt den Tee aus. Sie reicht dem Iarla die erste Tasse, die dieser an mich weiterreicht. Die nächste Tasse, die sie ihm ebenfalls reicht, stellt er vor sie. Erst die dritte Tasse behält er in der Hand.
Nun tunkt er Zeige- und Mittelfinger in den Tee und lässt den Tee von seinen Fingern auf einen Stein in der Tischplatte fallen. Dazu sagt er:
"Nádúr neamhbhásmhar, tabhair saol fada sona dár n-aoi. -Unsterbliche Natur, schenke unserem Gast ein langes, glückliches Leben.-"
Ich mache große Augen und frage:
"Das Ritual habe ich noch nie gesehen! Können Sie es mir erklären?"
"Dazu muss ich Ihnen zuerst einmal die Bedeutung des Steins erklären: Der Clocha bhaile -Heimstein- ist unsere Verbindung zur Natur. Wir haben Spaziergänge in der Umgebung von Cuiraraill gemacht und dabei über die Natur nachgedacht - meditiert. Irgendwann ist uns dabei ein Stein aufgefallen, der irgendwie besonders ist.
Man sagt, nicht der Mensch findet einen Stein, sondern der Stein sucht sich seinen Menschen. Die Natur hat dabei 'ihre Finger im Spiel'. Der Clocha bhaile ist unser Bindeglied zur Natur und Mittelpunkt verschiedener Zeremonien.
Er nimmt eine herausragende Stellung in unserem Leben ein, aus Respekt vor der uns umgebenden Natur. Nun habe ich Sie der Natur, wie einem beseelten Wesen, ans Herz gelegt."
"Woher kommt das?"
"Nun, wir haben weltweiten Kontakt zu Völkern, die näher an der Natur leben, wie unsere industrialisierte Gesellschaft in Europa. Von diesen Menschen haben wir übernommen, was uns schlüssig erschien. Ihnen wird es in Lon-Wa-Lha ebenso begegnen.
Wir beuten die natürlichen Ressourcen unseres Planeten nicht aus Profitgier oder Ignoranz aus - 'Nach mir die Sintflut' -, sondern wir verstehen es so, dass die Erde uns geborgt wurde. Und Geliehenes, das wir irgendwann zurückgeben müssen, werden wir doch pfleglich behandeln?!"
"Hm, ja, da haben Sie recht..."
Ich habe ein langes interessantes Gespräch mit Iarla Eamon Chiarraí, verbunden mit sehr gutem Essen. In der Abenddämmerung bringt mich Alainn zur Herberge und redet mit dem Wirt, dass ich auf Kosten Seiner Durchlaucht übernachten kann. Am nächsten Tag fahre ich nachhause zurück.
Angeregt durch das lange Gespräch mit dem Iarla habe ich ein fast endloses Thema, um mich mit Lobi zu unterhalten, bis die Semesterferien beginnen und ich eine Flugreise nach Nepal antrete.
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