Dienstag, 24. September 2024
Namasté -05
Andere Kinder sind bei unserem Eintritt schon im Raum. Wir sollen uns auf freie Stühle an die Tische setzen. Ich begrüße das kleine Mädchen neben mir, das mich mit großen Augen anschaut:

"Namasté."

Auch sie legt nun ihre Handflächen vor der Brust aneinander und neigt den Kopf ein wenig. Sie antwortet mir ebenfalls mit "Namasté". Danach setze ich mich auf den Platz neben sie.

Die junge Frau, die uns hereingeführt hat, verteilt nun an jedes neue Kind in der Gruppe ein Heft und einen Stift. Nachdem wir sitzen und sie erwartungsvoll anschauen, lächelt sie uns an und fordert uns auf.

"Kommt näher zu mir! Füllt die leeren Sitze auf."

Wir rücken also weiter vor. Anschließend nimmt sie einen weißen Stift von der Leiste am unteren Rand der 'Tafel' und malt damit ein Zeichen auf die schwarze Fläche. Zu den anderen Kindern, die schon hier gesessen haben, sagt sie in freundlichem Ton:

"Seid einmal still! Lasst die Neuen einmal raten."

Uns fragt sie:
"Wer von den Neuen kennt das Zeichen?"

Da sich niemand meldet, fragt sie eines der anderen Kinder und bekommt sogleich einen Buchstaben genannt. Schritt für Schritt lernen wir mit der Zeit auf diese Weise schreiben und lesen. Dann führt sie neue Zeichen ein und erklärt, dass es sich dabei um Zahlen handelt. Im Anschluss daran erlernen wir auch das Rechnen. Ich bemühe mich, mir diese Fertigkeiten schnell anzueignen.

Zum Ausgleich bringen uns die jungen Frauen verschiedene Handarbeiten und die Haushaltsführung bei. In den Pausen höre ich, dass die Jungen stattdessen Unterricht in handwerklichen Fertigkeiten erhalten. Die Führung des Hauses hat dafür mit den örtlichen Handwerkern der Stadt Gespräche geführt. Die Meister kommen ins Haus. Sie erklären und zeigen den Jungen, was sie machen. Danach dürfen die Schüler es auch selbst probieren. Der eine oder andere Schüler, der sich dabei hervortut, wird nach Ende der Schulzeit als Lehrling in ihren Betrieb übernommen.

Wir Mädchen werden durch den Unterricht in Handarbeiten befähigt ein zweites Einkommen zu erzielen, wenn wir einmal heiraten sollten. Andere Mädchen erhalten eine Chance als Lehrerin eine Gruppe im Haus zu unterrichten, sobald eine der bisherigen Lehrerinnen uns durch Heirat verlässt.

Mit viel Engagement habe ich mich in den Jahren auf dieser Schule hervorgetan. So kommt es, dass ich ein halbes Jahr vor Ende meiner Schulzeit zum Schulleiter gerufen werde. Er lobt die besonderen Leistungen, die ich beim Aufenthalt im Haus gezeigt habe und bietet mir an, mit einem Stipendium von 'Plan International India' auf eine höhere Schule zu gehen. Dort könne ich lernen, als Lehrerin in eine Dorfschule zu gehen, wenn ich das möchte. Sollte ich weiter auf die höhere Schule gehen wollen, könne ich mit einem erweiterten Stipendium auch zur Universität gehen, regt er an.

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