Freitag, 16. August 2024
Eine neue Hoffnung -32
Dort treffen wir den schmächtigen Jungen ohne Rollstuhl an, als er aus seinem Zimmer kommt und sich im Flur erst in den Rollstuhl setzt. Die wenigen Schritte macht er in einer Art 'Watschelgang'. Die Beckenseite des Beines, das er gerade belastet, sinkt ein paar Zentimeter.

Mein besorgt fragender Blick trifft die Mutter des Jungen. Sie nickt uns aufmunternd zu und bittet uns an den Esstisch, dem sich der Junge nun auf seinem Rollstuhl nähert.

Die Mutter erklärt, nachdem sie sich auch gesetzt hat:
"Mike hat eine Hüftluxation. Sie ist kurz nach der Geburt festgestellt worden. Die Ärzte haben uns damals zur Operation geraten, aber ihre positive Prognose ist leider nicht eingetreten."

"Was bedeutet 'Hüftluxation'?" frage ich interessiert und mitfühlend.

"Die Kugel am oberen Ende des Oberschenkelknochens steckt normalerweise in einer 'Pfanne' im Hüftknochen. Ist die Pfanne zu klein ausgebildet oder zu flach, hat die Kugel keinen richtigen Halt. Jetzt halten nur noch die Sehnen der Oberschenkelmuskulatur den Knochen ungefähr am Platz. Dadurch entsteht der Watschelgang. Das sieht nicht nur erbarmungswürdig aus, das ist auch schmerzhaft und hält Mike nur wenige Schritte durch."

"Ah," mache ich und wechsele das Thema.

Wir helfen der Familie, wo wir können. Gleichzeitig ist da noch unser eigenes Problem. Ashoks Aufenthalt in Deutschland ist nur geduldet. Jederzeit kann die Duldung zurückgezogen und Ashok nach Nepal abgeschoben werden.

Ich spreche mit Papa darüber, ob er nicht intervenieren könnte, dass die Duldung aufgehoben wird und eine dauerhafte Niederlassung in Berlin akzeptiert wird. Während der Duldung ist es Ashok auch verboten, irgendeine Arbeit aufzunehmen. Papa verspricht mir, sich darum zu kümmern, sagt aber gleich, dass das nicht von Heut‘ auf Morgen machbar ist. Nach dem Telefongespräch fühle ich mich gleich leichter.

Ich mache mich von Terminen frei und fahre in Ashoks Begleitung zum Standesamt in unserem Stadtteil. Dort beantragen wir einen Hochzeitstermin. Gleichzeitig erkundigen wir uns in der indischen Community in Berlin nach einer Möglichkeit indisch/buddhistisch zu heiraten, da man 'indisch' eher mit hinduistisch verbindet. Wir erhalten eine Liste von Bekleidungshäusern für traditionelle indische Kleidung bis hin zu indischen Restaurants.

Damit ausgerüstet machen wir uns an die Planung des Ablaufs. Von Ashoks Seite kann niemand teilnehmen. Also vereinbaren wir, dass wir die indische Hochzeit am Samstag, zwei Tage nach der standesamtlichen Hochzeit festlegen. Wir suchen ein Restaurant, das einen Raum entsprechend ausstatten kann und an diesem Tag für uns frei hält. Diesen Raum mieten wir für den ganzen Tag an.

Eine indischstämmige Stylistin ist bereit unsere Hochzeit auszurichten. Wir vereinbaren mit ihr die Miete des seidenen Hochzeitsaris aus einem Bekleidungshaus unserer Wahl und des Brautschmucks von einem Juwelier, den sie uns vorschlägt. Diese Firma würde auch mit der Filmbranche zusammenarbeiten, erklärt sie. Trotzdem müssen wir neben der Miete auch eine Versicherung abschließen.
Meine Eltern und Lara mit Mann und den Töchtern sind am Vortag in Berlin angekommen und in einem Hotel untergekommen. Am frühen Morgen holen wir Lara mit ihrer Familie im Hotel ab. Mit dem Taxi geht es zum Bekleidungshaus, wo die Stylistin schon auf uns wartet.

Wir werden am Eingang willkommen geheißen und in einen kleinen Raum geführt. Mein Schwager hat, wie Papa, einen dunklen Anzug angezogen. Lara und Mama tragen ihr bestes Kleid. Ashok erhält einen weißen Anzug mit einem roten Schultertuch. Ich erhalte einen seidenen Sari in Weiß, auf eigenen Wunsch im Hinblick auf meine Mama, für die nur eine Hochzeit in Weiß infrage kommt. Von Seiten der Stylistin hätte ich auch verschiedene kräftige Farben wählen können. Darunter die entsprechende Unterkleidung.

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