Samstag, 10. August 2024
Eine neue Hoffnung -30
Danach gehen wir alle vier nach oben in die Schlafräume. Ich ziehe Ashok demonstrativ mit zu mir in mein Zimmer. Dort räume ich zuerst den Koffer aus. Ashok sieht sich derweil im Zimmer um. An der Wand hängen ein paar Fotografien, die Papa vergrößern gelassen und hinter Glas eingerahmt hat.

Er fragt auf einmal:
"Hm, bist du das?"

Ich schaue von meiner Arbeit auf und gehe zu ihm. Bei ihm, umfasse ich seine Hüfte und lehne mich an ihn.

"Ja, das war, als ich in der GIZ war. Das ist eine Organisation, die sich um die ländliche und gesellschaftliche Entwicklung in Asien und Afrika kümmert. Nach der Rückkehr aus Nepal wollte ich unbedingt etwas Caritatives tun."

"Ah," macht er nun, dreht sich zu mir um und küsst mich. "Das finde ich sehr gut von dir! Du bist eben doch ein Engel, auch wenn du es nicht wahrhaben willst."

Am nächsten Morgen spreche ich beim Frühstück mit meinen Eltern den Behördenkram an. Lara ist mit ihrer Familie inzwischen längst abgereist. So sitzen wir zu viert am Tisch.

Papa meint:
"Die Behörden haben inzwischen Erfahrung mit Immigranten, die auf ihrer oft gefahrvollen Reise ihre Papiere verloren haben. Geht doch in Berlin zur Ausländerbehörde und erzählt dem Beamten von der gefahrvollen zweijährigen Reise Ashoks und dass ihm eines Morgens seine Papiere fehlten, dass man sie ihm im Schlaf gestohlen hat. Fragt der bearbeitende Beamte, wo das geschehen ist, dann nennt einen Ort im Osten Irans oder Süden Afghanistans, wo Ashok auch wirklich durchgekommen ist und wo er vielleicht gearbeitet hat, um seine Reisekasse aufzufüllen."

Mama nickt dazu und auch ich finde diesen Rat vernünftig. Wir bleiben noch ein paar Tage, dann machen wir uns auf den Heimweg nach Berlin. Dort begleite ich Ashok in die Ausländerbehörde und führe das einleitende Gespräch mit dem Angestellten. Dessen Namen habe ich vom Türschild abgelesen.

"Hallo, guten Morgen, Herr Schneider. Ich, oder besser, mein Bekannter hat ein Problem. Er stammt aus der Tharu-Ethnie, die in Nordindien und Süd-Nepal siedelt. Er hat sich auf den Weg nach Deutschland gemacht. Unterwegs sind ihm seine Papiere gestohlen worden. Nun bräuchte er neue."

"Hm, da muss er dieses Formular ausfüllen," antwortet der Mann und zieht ein Blatt aus einer Schreibtisch-Schublade.

Ich gebe es an Ashok weiter, der nun beginnt, die Fragen auf dem Formular zu lesen und die freien Felder auszufüllen. Ich wende mich wieder an den Mann und erkläre:

"Ich bin vor einigen Wochen das Ziel von Verbrechern geworden, die mir nach dem Leben getrachtet haben. Die Polizei hat die Schuldigen inzwischen ermittelt und verhaftet. Der ermittelnde Polizeibeamte hat Herrn Gurun in meinem Büro angetroffen, als er Unterlagen über einen bestimmten Mann aus meiner Kartei erhalten hat. Damals konnte sich Herr Gurun nicht ausweisen und hat gesagt, dass er seine Papiere zuhause liegen hat. Das Kommentar des Beamten damals war 'Wir sprechen uns noch'. Zum Glück haben wir bis jetzt keinen weiteren Besuch von der Polizei gehabt."

"Warum ist er nicht schon vorher, oder zumindest danach unverzüglich zu mir gekommen?" fragt der Angestellte stirnrunzelnd.

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