Mittwoch, 7. August 2024
Eine neue Hoffnung -29
"Das verspreche ich dir sehr gerne!" antwortet Ashok mit ernstem Gesicht. "Und noch mehr: Ich werde stets auf dich achten, dass dir niemand etwas antun kann!"

Wieder küssen wir uns leidenschaftlich. In eine Atempause hinein sage ich:

"Mein Siddharta! Mein Prinz!"

In den folgenden Wochen unternehmen wir alles gemeinsam. Wir kennen die Mainau bald in- und auswendig. Dass wir in getrennten Schlafzimmern schlafen, empfinde ich nicht gut, obwohl... Es ist ja auf meinen Wunsch geschehen. Bevor wir zusammen einschlafen, sind wir zärtlich zueinander. Anfangs hat er mich schüchtern gestreichelt. Ich habe seine Hand geführt, damit er die Stellen auf meiner Haut erkennt, die mich wohlig erzittern lassen. Irgendwann rückt er nahe an mich heran und legt seine Hand um meine Schultern. Ich flüstere:

"Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass mich jemand so lieb festgehalten hat."

Er legt seine Wange an meine und antwortet:
"Du siehst wunderschön aus!"

Da Ashok damit offensichtlich an mir vorbeiredet und mir doch dabei ein liebes Kompliment macht, muss ich lachen. Ich drehe mich auf den Rücken und gebe ihm einen Kuss.

Am darauffolgenden Morgen beim Frühstück frage ich ihn:

"Du warst noch nicht bei den Behörden, seitdem du in Deutschland bist? Du hast keine Aufenthaltsgenehmigung?"

Er schüttelt den Kopf und schaut mich aufmerksam an:
"Nein, daran habe ich nicht gedacht," antwortet er.

"Du hast auch keine Papiere von nepalesischen Behörden, keine Geburtsurkunde?" frage ich weiter.

"Nein," antwortet Ashok. "So etwas bekommst du bei den Tharu nicht. Und wenn du diese Papiere von den indischen oder nepalesischen Behörden haben willst, brauchst du Geld!"

Ich nicke und verspreche ihm:
"Ich werde mich darum kümmern, sobald wir von hier wegkommen!"

*

Irgendwann danach erhalte ich einen Anruf von Papa, in dem er erklärt, dass der Clanchef und seine Familienmitglieder, die mir nach dem Leben getrachtet haben, verhaftet worden sind. Der Haftrichter hat Untersuchungshaft beantragt. Papa ist einverstanden, dass wir erst einmal wieder zurück nach Bad Hindelang kommen. Wir sagen Frau Meyer Bescheid und ich packe meinen Koffer. Danach fahren wir mit der Bodenseefähre nach Lindau und spazieren gemütlich zum Bahnhof. Dort kaufe ich unsere Fahrkarten und wir warten bis unser Zug abfährt.

Wir fahren mit Zügen, die alle paar Kilometer an kleinen Bahnhöfen halten und an Haltepunkten auf freier Strecke bremsen, wenn dort Menschen stehen. Unsere Zugverbindung beinhaltet auch viermaliges Umsteigen und dauert daher sieben Stunden bis zum Zielbahnhof. In Bad Hindelang angekommen, gehen wir wieder nebeneinander zu Fuß in die Altstadt zum Haus meiner Eltern.

Ich habe sie informiert, wann unser Zug eintrifft. Daher finden wir das Haus noch hell erleuchtet, obwohl es schon spät ist. Ich klingele und Mama kommt an die Haustür. Sie öffnet uns und schließt mich in die Arme. Dann reicht sie Ashok die Hand und nähert sich mit ihrer Wange der seinen. Papa kommt in dem Moment aus dem Wohnzimmer und wir begrüßen uns ebenfalls herzlich.

... link (0 Kommentare)   ... comment