Mittwoch, 17. Juli 2024
Eine neue Hoffnung -22
Ich lege meine Stirn in Falten. Die Erinnerung an die Schocks überwältigt mich einen Moment. Papa schaut von mir zu Ashok. Dieser beginnt zu berichten:

"Ehrenwerter Herr Mrachartz, diese Lösegeldgeschichte ist anders als üblich. Man sollte meinen, dass jemand entführt wird, um später gegen Lösegeld freigelassen zu werden. Diese Verbrecher gehen dafür aber zu aggressiv vor, und dadurch lassen sie sich durch mich leicht erfühlen.
Vorgestern habe ich ihre verehrte Tochter in einen Club begleitet. Es ergab sich einfach so, ungeplant. Wir blieben unbehelligt bis Leni aufbrechen wollte. Plötzlich kam es zu einem Messerangriff. Ich konnte ihn leicht abwehren, denn die Leute verstanden sich nicht auf waffenlose asiatische Verteidigungstechnik.
Daraufhin hat mich ihre verehrte Tochter gebeten, sie gestern Morgen zur Arbeit zu begleiten. Wir wurden von einem Auto verfolgt, das sich auf einem mehrspurigen Teilstück neben uns setzte. Der Mann neben dem Fahrer richtete eine Schusswaffe auf Leni. Ich konnte den Mann am Steuer verunsichern, so dass er das Steuer verriss, als sich der Schuss löste. Der Schuss ging ins Leere und der andere Wagen zerschellte an einem der Straßenbäume.
Weitere Verbrecher haben sich während der Arbeitszeit ihrer verehrten Tochter an ihr Auto geschlichen und dort irgendetwas gemacht. Bevor sie möglicherweise eine Autobombe installiert haben und wir auf der Heimfahrt durch eine Explosion getötet worden wären, habe ich ihr geraten, für die Heimfahrt ein Taxi zu rufen und das Bürohaus auf unüblichem Weg über den Hinterausgang zu verlassen.
Nachdem Sie ihr geraten haben, eine Zeitlang Berlin den Rücken zu kehren, habe ich ihr geraten, ihr Wohnhaus über den Hintereingang zu betreten und wieder zu verlassen. Wir haben dann für die Fahrt zum Hauptbahnhof auch wieder ein Taxi benutzt."

Lara ist während der Erzählung wieder ins Wohnzimmer gekommen, um ihre Mädchen durch das Fenster zu beobachten. Mama ist ebenfalls hinzugekommen und muss sich wohl setzen, als sie hört was Ashok erzählt. Sie greift meine Hände über den Tisch und schaut mich besorgt an. Auch Papas Miene drückt tiefe Sorge aus.

Ich fühle mich nun bemüßigt, die Wogen etwas zu glätten, und berichte vom Besuch des Polizeikommissars. Dabei erkläre ich, dass ich dem Mann das Stammblatt des Clanchefs mitgegeben habe, den Papa für den Verursacher hält.

Papa nickt und meint:
"Das weitere wird nun die Polizei erledigen."

Er wendet sich an Ashok und fragt ihn, den Atem anhaltend:

"Wer sind Sie?"

"Ich bin ein nepalesischer Sadhu," erklärt dieser. "Ihre verehrte Tochter erschien mir in jungen Jahren wie ein Engel und hat mich aus der Schuldknechtschaft befreit. Sie hat mich einem zufällig anwesenden Sadhu ans Herz gelegt, um mir eine Zukunft zu geben.
Von dem heiligen Mann habe ich alles über den Buddhismus gelernt. Er hat mir beigebracht, den Menschen mit Mitgefühl gegenüber zu treten. Er hat mich außerdem gelehrt, wie man sich ohne Waffen verteidigt. Zu seinem Lernstoff zählte auch die Meditation. Sie hilft dabei, ausgeglichen und gelassen durch das Leben zu gehen. Bei tiefer Meditation kann ich nun auch neben mich treten, dabei mich und meine Umgebung visuell und emotional beobachten."

"Oh," macht Papa, als Ashok geendet hat.

Dann fragt er:
"Das war in Nepal, als meine Tochter Sie ausgelöst hat. Wie sind sie nach Deutschland gekommen?"

"In unserer Philosophie gibt es Engel oder Feen. Es heißt, sie wohnen auf den höchsten Bergen und sind die Begleiter von 'erleuchteten Wesen', die ihr Wirken zum Wohl der Menschen einsetzen und selber kurz vor dem Übergang ins Nirwana stehen. Ich habe ihre verehrte Tochter gefragt, ob sie ein Engel sei. Mir kam sie damals wie ein Engel vor.
Als sie nun wegfahren wollte, habe ich gefragt, ob sie wieder zurück in die Berge fährt und wo sie dort wohnt. Sie hat mir dann Deutschland und Berlin genannt und hat mir ihren Namen auf ein kleines Blatt Papier geschrieben."

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