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Dienstag, 31. Mai 2022
Die Gesellschafterin -02
hermann-jpmt, 11:25h
Nach dem Frühstück laufen wir durch die engen Gassen des Hanamachi -Geisha-Viertels- und betreten eine Schule. Ungefähr zwanzig Mädchen in meinem Alter befinden sich hier mit einer Lehrerin. Bis in die Abenddämmerung lernen wir uns zu bewegen, zu gehen und anmutig zu laufen, sowie andere Bewegungen anmutig ausführen. Dabei müssen wir die Lehrerin möglichst genau in ihren Bewegungen kopieren.
*
Als ich zwölf Jahre alt werde dürfen Akiko und ich eine Geisha aus unserem Okiya zu einer Veranstaltung begleiten, um durch Zuschauen zu lernen. Mir ist nicht wirklich zum Zuschauen und Lernen zumute, denn am Vormittag dieses Tages ist ein Brief vom Nachbar meines Vaters angekommen. Sobo-San hat ihn mir vorgelesen:
"Kleine Hiko, als jemand der einst selbst ein Waisenkind war, tut es dieser bescheidenen Person leid, dir mitteilen zu müssen, dass dein ehrenwerter Vater von dieser Welt gegangen ist. Nun sind deine ehrenwerten Eltern wieder vereint..."
So sitze ich am Rande dieser Hochzeit, schaue zu der Geisha aus unserem Haus und sehe sie nicht. Mein Blick ist in weite Fernen gerichtet. Darum erschrecke ich, als mich ein junger Mann anspricht. Ich wende mich ihm zu und sehe, dass es der Bräutigam ist.
"Der Tag ist viel zu schön, um unglücklich zu sein, kleine Maiko -Geisha in Ausbildung-," sagt er lächelnd.
Er mag vielleicht zehn Jahre älter als ich sein und heute feiert er seine Hochzeit. Seine Eltern und Schwiegereltern sind reiche Industrielle. Sie sollen Nachfahren der Samurai sein, habe ich in der Okiya gehört. Die Okiya erhält für die Aufwertung seiner Hochzeit durch die Geisha von den Eltern 500.000 Yen pro Stunde hat mir Sobo-San verraten. Traurig schaue ich zu dem jungen Mann auf und versuche zu lächeln.
"Hättest du lieber süßes Gebäck oder Kirschen?"
"Sie meinen... zu Essen?" frage ich schüchtern.
"Ja. Ich persönlich mag lieber Kirschen. Na komm..."
Er macht eine Handbewegung zu den Tischen. Ich löse mich vom Stützbalken und folge dem Bräutigam. Seinen besonderen Tag heute darf ich nicht durch eine dunkle Wolke überschatten.
Am Tisch füllt er mir eine Schale mit Kirschen und gibt einen Löffel Sahne darüber. Dann überreicht er mir sein Arrangement. Ich nehme eine Kirsche in den Mund, schaue zu unserer Geisha hinüber und sage:
"Jetzt... bin ich auch eine Geisha!"
Der Bräutigam lacht und meint:
"Das ist richtig, ja."
Er beugt sich mir entgegen und fragt:
"Woher hast du wohl diese erstaunlichen Augen?"
"Die hat mir meine liebe Mutter gegeben!" antworte ich spontan.
"Das war sehr großzügig von ihr!" meint er.
"So sind auch Sie jetzt zu mir!" antworte ich ihm überzeugt.
Er lacht freundlich. In diesem Moment geht etwas in mir vor. Ich verwandele mich von einem traurigen Mädchen in ein Mädchen, das ein Ziel vor Augen hat, denn ich erkenne, wie es ist, eine Geisha zu sein. Tatsächlich lernt man auf diese Art junge Männer kennen. Leider ist dieser hier nun verheiratet. Aber es gibt sicher Andere.
Er nimmt ein Taschentuch aus seiner Weste und wickelt etwas Geld hinein.
"Hier!" sagt er. "Kaufe dir davon später etwas anständiges zu essen!"
Ich nehme sein Geschenk an und verbeuge mich tief. Einige Tage später laufe ich zum Fushimi Inari Taisha Schrein in der großen Stadt. Sein Taschentuch behalte ich in Ehren. Das Geld aber opfere ich für ein Gebet. Inbrünstig sage ich zu dem Kami:
"Bitte, lass mich eine Geisha werden und Tanaka-San irgendwann wiedersehen!"
Dann ziehe ich an dem dicken Seil, damit die Glocke ertönt. Anschließend laufe ich wieder zu meinem Okiya zurück.
In dieser Zeit verlässt uns eine Geisha. Man munkelt, sie hat einen Gönner gefunden und ihn geheiratet.
*
Im Spätherbst des Jahres, in dem ich 15 Jahre alt geworden bin, erhält die Oka-San Besuch. Ich schiebe das Türgitter auf und lasse den Besuch ein. Sie trägt einen teuren mehrlagigen Kimono und hat sich mit einem schräg gehaltenen Schirm gegen die tiefstehende Sonne geschützt.
Ich verbeuge mich tief vor der hohen Persönlichkeit, die in ihrem Kimono so elegant an mir vorbeischwebt, dass die Seide knistert. Sie übergibt mir den Schirm. Während ich ihn zusammenfalte, hat sie schon das Büro der Oka-San -Mutter- erreicht. Die Oka-San, die dort an der Tür gewartet hat, bittet sie herein und schenkt ihr Tee aus.
Das folgende Gespräch bekomme ich nur in Fetzen mit. Irgendwann kommt Sobo-San zu mir und sagt, ich solle meine Sachen packen. Die hohe Besucherin möchte mich mitnehmen und die Oka-San hat zugestimmt. Ich mache große Augen. Da muss es um eine Menge Geld gegangen sein, denn die Oka-San würde sicherlich nicht auf die zukünftigen Einnahmen verzichten wollen, die mit mir zu erwirtschaften wären.
Schnell habe ich meinen Koffer aus geflochtenem Stroh mit meinen wenigen Habseligkeiten gefüllt und warte im Eingangsbereich. Bald hält ein Taxi vor der Tür und der Fahrer kommt, um nach seinem Fahrgast zu fragen.
"Wo ist die Dame, die ein Taxi hierher bestellt hat?"
Kurz darauf öffnet sich die Tür des Büros der Oka-San und die hohe Dame tritt auf den Gang. Sofort verneige ich mich wieder und strecke ihr mit beiden Armen den zusammengelegten Schirm entgegen. Sie nimmt ihn mir ab und sagt:
"Folge mir, Hiko-chan!"
Ich schaue auf, während ich mich nach meinem Koffer bücke. Die Stimme kenne ich doch! Da die Dame nicht wartet, laufe ich ihr auf die Straße nach. Der Taxifahrer hält ihr die Fondtüre auf. Während sie einsteigt, macht sie eine weite Geste und sagt zu mir:
"Steig ein, Hiko-chan!"
Ich laufe in den kleinen anerzogenen Trippelschritten auf die andere Wagenseite. Der Fahrer überholt mich und hält nun auch mir die Tür auf. Als ich schließlich auf der Rücksitzbank neben der hohen Dame sitze und wir uns anschauen, erkenne ich in ihr die Geisha, die uns vor wenigen Jahren verlassen hat.
"Sakuri-San -Dame 'kleine Lilie'-!" sage ich überrascht.
Sie lächelt.
"Du musst schnell eine Geisha werden!" meint sie. "Das Okiya hat viel Geld verlangt."
*
Als ich zwölf Jahre alt werde dürfen Akiko und ich eine Geisha aus unserem Okiya zu einer Veranstaltung begleiten, um durch Zuschauen zu lernen. Mir ist nicht wirklich zum Zuschauen und Lernen zumute, denn am Vormittag dieses Tages ist ein Brief vom Nachbar meines Vaters angekommen. Sobo-San hat ihn mir vorgelesen:
"Kleine Hiko, als jemand der einst selbst ein Waisenkind war, tut es dieser bescheidenen Person leid, dir mitteilen zu müssen, dass dein ehrenwerter Vater von dieser Welt gegangen ist. Nun sind deine ehrenwerten Eltern wieder vereint..."
So sitze ich am Rande dieser Hochzeit, schaue zu der Geisha aus unserem Haus und sehe sie nicht. Mein Blick ist in weite Fernen gerichtet. Darum erschrecke ich, als mich ein junger Mann anspricht. Ich wende mich ihm zu und sehe, dass es der Bräutigam ist.
"Der Tag ist viel zu schön, um unglücklich zu sein, kleine Maiko -Geisha in Ausbildung-," sagt er lächelnd.
Er mag vielleicht zehn Jahre älter als ich sein und heute feiert er seine Hochzeit. Seine Eltern und Schwiegereltern sind reiche Industrielle. Sie sollen Nachfahren der Samurai sein, habe ich in der Okiya gehört. Die Okiya erhält für die Aufwertung seiner Hochzeit durch die Geisha von den Eltern 500.000 Yen pro Stunde hat mir Sobo-San verraten. Traurig schaue ich zu dem jungen Mann auf und versuche zu lächeln.
"Hättest du lieber süßes Gebäck oder Kirschen?"
"Sie meinen... zu Essen?" frage ich schüchtern.
"Ja. Ich persönlich mag lieber Kirschen. Na komm..."
Er macht eine Handbewegung zu den Tischen. Ich löse mich vom Stützbalken und folge dem Bräutigam. Seinen besonderen Tag heute darf ich nicht durch eine dunkle Wolke überschatten.
Am Tisch füllt er mir eine Schale mit Kirschen und gibt einen Löffel Sahne darüber. Dann überreicht er mir sein Arrangement. Ich nehme eine Kirsche in den Mund, schaue zu unserer Geisha hinüber und sage:
"Jetzt... bin ich auch eine Geisha!"
Der Bräutigam lacht und meint:
"Das ist richtig, ja."
Er beugt sich mir entgegen und fragt:
"Woher hast du wohl diese erstaunlichen Augen?"
"Die hat mir meine liebe Mutter gegeben!" antworte ich spontan.
"Das war sehr großzügig von ihr!" meint er.
"So sind auch Sie jetzt zu mir!" antworte ich ihm überzeugt.
Er lacht freundlich. In diesem Moment geht etwas in mir vor. Ich verwandele mich von einem traurigen Mädchen in ein Mädchen, das ein Ziel vor Augen hat, denn ich erkenne, wie es ist, eine Geisha zu sein. Tatsächlich lernt man auf diese Art junge Männer kennen. Leider ist dieser hier nun verheiratet. Aber es gibt sicher Andere.
Er nimmt ein Taschentuch aus seiner Weste und wickelt etwas Geld hinein.
"Hier!" sagt er. "Kaufe dir davon später etwas anständiges zu essen!"
Ich nehme sein Geschenk an und verbeuge mich tief. Einige Tage später laufe ich zum Fushimi Inari Taisha Schrein in der großen Stadt. Sein Taschentuch behalte ich in Ehren. Das Geld aber opfere ich für ein Gebet. Inbrünstig sage ich zu dem Kami:
"Bitte, lass mich eine Geisha werden und Tanaka-San irgendwann wiedersehen!"
Dann ziehe ich an dem dicken Seil, damit die Glocke ertönt. Anschließend laufe ich wieder zu meinem Okiya zurück.
In dieser Zeit verlässt uns eine Geisha. Man munkelt, sie hat einen Gönner gefunden und ihn geheiratet.
*
Im Spätherbst des Jahres, in dem ich 15 Jahre alt geworden bin, erhält die Oka-San Besuch. Ich schiebe das Türgitter auf und lasse den Besuch ein. Sie trägt einen teuren mehrlagigen Kimono und hat sich mit einem schräg gehaltenen Schirm gegen die tiefstehende Sonne geschützt.
Ich verbeuge mich tief vor der hohen Persönlichkeit, die in ihrem Kimono so elegant an mir vorbeischwebt, dass die Seide knistert. Sie übergibt mir den Schirm. Während ich ihn zusammenfalte, hat sie schon das Büro der Oka-San -Mutter- erreicht. Die Oka-San, die dort an der Tür gewartet hat, bittet sie herein und schenkt ihr Tee aus.
Das folgende Gespräch bekomme ich nur in Fetzen mit. Irgendwann kommt Sobo-San zu mir und sagt, ich solle meine Sachen packen. Die hohe Besucherin möchte mich mitnehmen und die Oka-San hat zugestimmt. Ich mache große Augen. Da muss es um eine Menge Geld gegangen sein, denn die Oka-San würde sicherlich nicht auf die zukünftigen Einnahmen verzichten wollen, die mit mir zu erwirtschaften wären.
Schnell habe ich meinen Koffer aus geflochtenem Stroh mit meinen wenigen Habseligkeiten gefüllt und warte im Eingangsbereich. Bald hält ein Taxi vor der Tür und der Fahrer kommt, um nach seinem Fahrgast zu fragen.
"Wo ist die Dame, die ein Taxi hierher bestellt hat?"
Kurz darauf öffnet sich die Tür des Büros der Oka-San und die hohe Dame tritt auf den Gang. Sofort verneige ich mich wieder und strecke ihr mit beiden Armen den zusammengelegten Schirm entgegen. Sie nimmt ihn mir ab und sagt:
"Folge mir, Hiko-chan!"
Ich schaue auf, während ich mich nach meinem Koffer bücke. Die Stimme kenne ich doch! Da die Dame nicht wartet, laufe ich ihr auf die Straße nach. Der Taxifahrer hält ihr die Fondtüre auf. Während sie einsteigt, macht sie eine weite Geste und sagt zu mir:
"Steig ein, Hiko-chan!"
Ich laufe in den kleinen anerzogenen Trippelschritten auf die andere Wagenseite. Der Fahrer überholt mich und hält nun auch mir die Tür auf. Als ich schließlich auf der Rücksitzbank neben der hohen Dame sitze und wir uns anschauen, erkenne ich in ihr die Geisha, die uns vor wenigen Jahren verlassen hat.
"Sakuri-San -Dame 'kleine Lilie'-!" sage ich überrascht.
Sie lächelt.
"Du musst schnell eine Geisha werden!" meint sie. "Das Okiya hat viel Geld verlangt."
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