Dienstag, 24. Mai 2022
Lon-Wa-Lha - 38
Dann fragt mich Wangpoo Dondrup Yügyel, welche Stoffe ich auf Lager nehme, um trotzdem noch auf Auftrag fertigen zu können. Ich sage es meinem Lopon. Der fremde Lopon hört die ganze Zeit aufmerksam zu. Dann befiehlt mein Lopon mir, die Gäste mit meinem Tanz zu unterhalten. Nun kommt Lhakpa hinzu, um die Bewirtung zu übernehmen. Als mich mein Lopon stoppt, schaue ich unsicher zwischen den Herren hin und her. Aber mein Lopon lächelt und im Gesicht des Gastes meine ich, Verlangen zu erkennen. Anschließend soll ich mich kurz mit den Mädchen beschäftigen.

Auch diese Probe habe ich wohl kurz darauf bestanden, denn der Lopon lässt mich wieder am Tisch Platz nehmen. Er sagt:

"Dies ist Lopon Loden Chenpo. Er wird bei mir die Funktion des Einkäufers übernehmen und mich entlasten. Wenn du also ab jetzt Material zum Arbeiten brauchst, ist er dein direkter Ansprechpartner. Lopon Loden Chenpo vor wenigen Jahren einen Schicksalsschlag erlitten: Seine Gefährtin ist leider bei der Geburt der Zwillinge gestorben. Seither kümmert sich seine verehrte Schwester um die Kleinen, während er durch die Jagd zum Lebensunterhalt des Hauses seines Schwagers beiträgt. Dies soll jetzt anders werden!"

Ich nicke und verbeuge mich vor Loden Chenpo.

"Ich werde mich von nun an mit Lopon Loden Chenpo zusammentun, damit deine Manufaktur gedeiht, mein Lopon!" sage ich in Richtung Wangpoo Dondrup Yügyel.

"Ihr werdet eine eigene Wohnung in meinem Haus beziehen!" meint mein Lopon.

'Ah,' denke ich, 'daher rühren die Bautätigkeiten in der letzten Zeit.'

*

Lopon Loden Chenpo ist sehr respektvoll. Langsam entwickelt sich eine Freundschaft zwischen mir, Beven O'Connor, und der 'rechten Hand' von Wangpoo Dondrup Yügyel. Eines Tages, bei einem gemeinsamen Spaziergang umgeben von den majestätischen Achttausendern, trägt er mir die Gefährtenschaft an. Überwältigt von meinen Gefühlen drücke ich mich an seine Brust und taste mich mit den Fingern zu seinem Gesicht vor. Er beugt sich zu mir herab und minutenlang sind unsere Lippen vereinigt.

An den Händen haltend gehen wir den Weg nach Lon-Wa-Lha zurück und umgehend beginnt mein Lopon damit, das Fest vorzubereiten. Schnell steht fest, dass meine Eltern ebenfalls daran teilnehmen dürfen, denn der Wandii hat zugestimmt, dass wir den Trikopter nutzen dürfen. Auf Anraten Leas habe ich meinen Eltern bei meiner Abreise gesagt, dass sie sich Skype auf eines ihrer Handys laden sollen.

Papa hat gesagt, dass Mama zu unserem Handy-Anbieter gehen wird und sich dabei helfen lässt. Wenige Tage darauf habe ich den ersten Probekontakt aus dem Geschäft erhalten. In Folge haben wir sporadisch Kontakt miteinander gehalten. Nun ist Mamaí völlig aus dem Häuschen, als ich ihr von der Neuigkeit berichte. Auf die Frage, was sie denn auf einer solchen Hochzeit am Besten anzieht, antworte ich schmunzelnd:

"Bringt für die Feier doch irische Folklore mit! Hier trägt auch niemand Jeans und Tshirt, oder Anzug und Krawatte. Ich werde auch kein Kleid wie Princess Belle von Walt Disney tragen!"

Sechs Wochen später ist es endlich soweit. Etwa eine Woche vor dem Fest des Versprechens fliegt Lopon Loden Chenpo mit mir und dem Piloten des Trikopters nach Katmandu. Wir landen außerhalb der Stadt. Der Pilot lässt uns aussteigen und hebt wieder ab, um in der Nähe auf unsere Rückkehr zu warten.

Wir beide wandern auf die Stadt zu und der Lopon winkt der ersten leeren Motorradrikscha, der wir begegnen. Danach dauert es noch eine halbe Stunde bis wir den Flughafen erreichen. Die Maschine aus Neu Delhi, wo meine Eltern umgestiegen sind, dürfte schon vor einer Stunde gelandet sein. Wir gehen also zum Ankunftsterminal und ich schaue, ob ich meine Eltern an der Gepäck-Abfertigung entdecke.

Nach fast einer Stunde sehe ich beide auf den Abfertigungsschalter zugehen. Beide haben europäische Alltagskleidung an, was Hose und Jacke bedeutet. Bald darauf haben sie zwei Rollenkoffer in Händen und wenden sich dem Ausgang zu. Ich ziehe den Lopon mit und strebe ihnen entgegen. Wenige Meter voneinander entfernt, entdeckt mich Mamaí. Sie macht Daidí auf uns aufmerksam, lässt ihren Koffer stehen und läuft auf mich zu. Daidí kümmert sich nun auch um ihren Koffer und folgt Mamaí langsamer.

Ich mache zwei Schritte auf meine Mutter zu und umarme sie herzlich. Kurz darauf falle ich auch Papa um den Hals. Nach der herzlichen Begrüßung macht er einen Schritt zurück und mustert mich von oben bis unten.

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