Mittwoch, 18. Mai 2022
Lon-Wa-Lha - 35
"Seit du bei mir bist, kommen mehr Kunden als früher. Du hast den Kundenkontakt vereinfacht. Dafür möchte ich dir mein großes Lob aussprechen."

Nach der Nennung ihres Namens hört sie auf zu essen und richtet ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich. Das erkennt man an ihrer Gestik: Sie setzt sich zurück auf ihre Fersen, richtet den Oberkörper kerzengerade auf und legt ihre Hände auf ihre Oberschenkel. Sie dreht den Kopf in meine Richtung, schaut mich aber nicht direkt an.

Jetzt neigt sie den Kopf, führt die gefalteten Hände an ihren Mund und antwortet leise:
"Danke, mein Lopon."

"Dein Platz ist ab heute an meiner rechten Seite, Beven. Du bist meine Erste Magd für den Bereich Betrieb! Komm zu mir!"

Während sie sich erhebt und an meine Seite kommt, rücken die Anderen und machen ihr Platz. Beven nimmt kniend neben mir Platz und wir setzen das Mittagessen fort. Sie ist eine attraktive Frau. Nach dem Ende des Mittagessens wende ich mich an die Magd zu meiner linken Seite:

"Lhakpa -am Mittwoch geboren-, unser Sohn Nudan Paldron -kraftvolles, ruhmreiches Licht- wird ein Jahr alt. Du wirst ein Fest zu seinen Ehren vorbereiten!"

"Ja, mein Lopon!"

Danach erhebe ich mich und beende so offiziell die Mittagspause. Jeder eilt an seine Arbeit. Bevor Beven die Halle verlassen hat, rufe ich sie noch einmal zu mir, während ich die Tür zum Herrenzimmer öffne.

"Dein Platz ist nun zu einem Teil in der Werkstatt - du wirst die Arbeiten beaufsichtigen und hast begrenzte Entscheidungsfreiheit - zum anderen Teil wirst du deine Verwaltungstätigkeit nach hier ins Büro verlagern. Was brauchst du, um noch effektiver arbeiten zu können?"

"Mein Lopon, eine Solaranlage auf dem Dach, die den Strom liefert und einen Laptop, in dem ich die Kundenkartei pflegen kann, wäre schön."

"Waren das in Europa deine Arbeitsmittel?"

"Ja, mein Lopon."

"Ich werde die Geräte bestellen. Lopon Sangpo Sherab, der Händler, wird sie im südlichen Flachland besorgen."

"Ich danke dir, mein Lopon."

Sie druckst herum.
"Hast du noch etwas auf dem Herzen, Beven?"

"Darf ich auf dem Fest zu Ehren des ersten Geburtstags von Nono Nudan Paldron tanzen, mein Lopon?"

"Hmm, Tsomo Lea versicherte mir, dass du eine sehr gute Tänzerin bist. Das wäre sicherlich eine Gelegenheit, dies zu überprüfen. - Ja, ich wünsche, dass du die Gäste mit deinem Tanz unterhältst! Enttäusche mich nicht!"

"Ganz bestimmt nicht, mein Lopon!"

"Dann an die Arbeit, Beven," lache ich.

*

"Lhakpa, wer ist eigentlich die Mutter des Nono?"

"Ich, Beven, seine Erste Magd," antwortet mir Lhakpa.
"Ah, du stehst Wangpoo Dondrup Yügyel emotional am nächsten! Warum hat er dich dann noch nicht zu seiner Gefährtin gemacht, Lhakpa?"

"Shita -die Erdgöttin- kennt die Gedanken des Lopon..." sinniert sie.

Tatsächlich ist es so, dass Wangpoo Dondrup Yügyel sich nicht für eine Frau entscheiden kann. Mal verbringt er die Nacht mit dieser, mal mit jener Magd.
Immer darauf bedacht, keine zu bevorzugen, um keine Eifersüchteleien zu entfachen. Das wird eine harte Nuss für mich! Fünfzehn Mägde gehören zu Dondrup Yügyels Haushalt. Mit mir arbeiten dreizehn davon in seiner Manufaktur. Bisher ist seine Wahl noch nicht auf mich gefallen.

Dann ist der Tag des Geburtstagsfestes da. Während Lhakpa das Fest vorbereitet und dafür drei meiner Mägde zugeteilt bekommt, arbeiten wir an einem Auftrag für Wangpoo Dorje Rabtern. Kurz nach Beginn des Festes dürfen wir die Arbeit beenden. Als wir den Aufenthaltsraum neben der Küche betreten, sehen wir ihn bunt geschmückt. Auch wir dürfen unter uns feiern.

Ich jedoch ziehe mich in mein Zimmer zurück, schminke mich und kleide mich um. Dann binde ich mir Glöckchen an die Gelenke und beginne meine Aufwärmübungen. Das Fest läuft schon drei Stunden und dementsprechend angeheitert sind die Gäste, als ich gerufen werde.

Leichtfüßig eile ich zu der freien Fläche neben den Musikern, wo auch schon der Maskentanz aufgeführt worden ist - die jungen Männer sitzen mit ihren Masken neben der Tanzfläche. Die Musik beginnt langsam. Ich bewege mich in fließenden Bewegungen. Allmählich wird die Musik schneller und wilder. Ich spiele mit den Gefühlen der Männer, öffne mein Gewand ein wenig und schließe es wieder, nähere mich einem der Männer kokett mit schlängelnden Bewegungen als suchte ich seinen Schutz und entferne mich wieder, bevor er mich berühren kann. Meine Füße stampften zum Klang der Glöckchen an meinen Gelenken.

Ich bemerke nicht, dass alle Männer mich gebannt beobachten und den Takt der Trommeln mitklatschen. Ich tanze, um sie zu erregen und Sehnsucht nach meinem Körper zu wecken und plötzlich merke ich, dass mein Körper ihnen eine Botschaft schickt, die ich selbst kaum verstehe, die ich fürchte. Es ist, als entwickelt mein Körper ein eigenes Leben, als spräche er zu den Männern. Schließlich sinke ich völlig außer Atem vor Wangpoo Dondrup Yügyel zu Boden. Der Hausherr gibt mir einen Wink, mich zu entfernen. Ich gehe in mein Zimmer, um sich auszuruhen.

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