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Montag, 2. Mai 2022
Lon-Wa-Lha - 27
hermann-jpmt, 10:48h
---Die Dasi aus Irland---
Ich, Lea Gonpo, bin von meiner Schwiegermutter, der Gefährtin des Wandii Tashi Gonpo, zu einem Teekränzchen eingeladen worden. Gespannt darauf, was mich im Haus des Ortsvorstehers von Lon-Wa-Lha erwartet, habe ich Kri-kri Bescheid gesagt und mich auf den Weg gemacht.
Wenige Minuten darauf betätige ich den Türklopfer an der massiven Haustür vor mir. Kurz darauf öffnet sich die Tür und Malika, eine der beiden Mägde des Wandii, lässt mich ein. Ich wechsele schnell in Hausschuhe und will in die Namkha -Halle- gehen. Malika führt mich jedoch durch die Küchentür in den neben der Küche liegenden Hausarbeitsraum.
Dort sitzt die Tsanmo -Frau des Wandii- zusammen mit drei weiteren Tsomo -Herrinnen-. Zwei der Frauen haben blonde Haare. Die beiden anderen sind braunhaarig. Irgendwie macht mich das stutzig. Die Tsanmo Leonie Yiga sieht mich hinzutreten und begrüßt mich, freundlich lächelnd:
"Ah, hi, Lea Gonpo. Please sit down!"
Ich setze mich auf das freie Sitzkissen und schaue in die Runde. Ausnahmslos europäische Gesichter schauen mir neugierig entgegen.
"I would like to introduce you to our group -Ich stelle dir gern unsere Runde vor-," beginnt Leonie Yiga nun und erklärt mir, wer alles mir gegenübersitzt.
Ich bin erstaunt, dass sich insgesamt vier Deutsche als Ehefrauen einheimischer Männer in Lon-Wa-Lha aufhalten. Nun stoße ich als fünfte Europäerin zu diesem Tee-Kränzchen hinzu.
Ich erfahre, dass es sich um Freundinnen von Leonie handelt, die es nach und nach auf unterschiedlichen Wegen nach Lon-Wa-Lha verschlagen hat. Ihr Antrieb sind wohl die Erzählungen der Tsanmo über das Leben hier gewesen. Das ist nun allerdings schon viele Jahre her, als der Ort noch im Norden zu Füßen des Himalaya gelegen hat.
"Wie ist es denn zum Umzug eines ganzen Ortes hinein in die Berge gekommen?" frage ich, neugierig geworden.
"Daran ist der 'große Bruder' im Norden Schuld," meint Leonie Yiga kopfnickend.
Die Runde ist plötzlich einsilbiger geworden. Leonie seufzt und ergänzt:
"Du solltest schon die nähere Vergangenheit kennen, um mögliche zukünftige Geschehnisse richtig einordnen zu können."
Dann beginnt sie zu erzählen:
"Als ich Tashi vor etwa 30 Jahren geheiratet habe, gab es ein Siedlungsgebiet von vier Orten im südlichen tibetischen Hochland. Lon-Wa-Lha ist der Bedeutendste gewesen. Die anderen Orte hießen Ba-Lu-Lha, Seng-Ge-Lha und Gyel-Tag-Lha. Der Dalai-Lama trat irgendwann einmal an den Vater von Tashi Gonpo heran, mit der Bitte, mit ihm das Pao Wao der ozeanischen Völker auf Hawaii zu besuchen.
Seit dem Amtsantritt von Tashis Vater haben wir auch rege Handelsbeziehungen in den Süden. Das war sicher dem 'Großen Bruder im Norden' ein Dorn im Auge, neben den lamaistischen Mönchen überhaupt.
Ein Ergebnis dieser Handelsbeziehungen mit Indien ist der Bau der Trikopter oder 'Tarn' in einer nordindischen Flugzeugwerft gewesen. Über diese Tarn ist auch der Dalai Lama informiert gewesen. Deshalb hat er uns gebeten, mit einer Delegation an diesem Pao Wao teilzunehmen.
Tashi sagte mir, dass er etwa drei Monate fort sein würde, weil er auch mit einem Vaka -polynesischem Doppelrumpfboot- reisen würde. Ich integrierte mich mit dem kleinen Lobsang und Nima in dieser Zeit in den Haushalt meines Schwiegervaters."
Leonie wird von der Erinnerung überwältigt. Eine der anderen Frauen legt einen Arm um ihre Schultern und übernimmt:
"Tashi ist, statt der projektierten drei Monate, schon vier Monate fort gewesen. Trauer hat sich unter uns schon ausgebreitet, als die Magd Malika ungestüm zu Leonie vordringt, jegliche Benimmregel über den Haufen werfend. Sie berichtete außer Atem, dass sich der Wangpoo gemeldet hat.
Leonie konnte dann mit ihm reden und er berichtete von einem Schiffbruch mit dem Vaka auf der Rückreise und dass der Tarn sie auf dem Meer aufgespürt und an Bord genommen hat. Naturgewalten sind halt Unwägbarkeiten, gegen die man nichts machen kann. Acht Tage sollte es nach seiner Berechnung noch dauern bis er wieder bei uns ist.
Drei Tage später hörten wir ein Geschwader von Hubschraubern näherkommen. Der Wandii sammelte in aller Eile die Wangpoo und Lopon von Lon-Wa-Lha um sich und befahl uns Frauen mit den Kindern und Jünglingen aus dem Ort zu fliehen, uns in kleinen Gruppen in alle Himmelrichtungen zu verstreuen und uns zu verstecken.
Das war, als die Chinesen den Ort dem Erdboden gleich gemacht haben, während des Chinesisch-Indischen Krieges... Später haben wir erfahren, dass es allen Orten unseres Siedlungsgebietes genauso ergangen ist. Tashi hat Leonie auch noch berichtet, dass er kurz mit seinem Vater gesprochen hat. Der Wandii hat ihm befohlen, sich von den Siedlungen fern zu halten. Er soll nicht zu Hilfe kommen, sondern Tage später die versprengten Flüchtlinge aufsammeln und mit ihnen Lon-Wa-Lha jenseits der Grenze wieder neu aufbauen."
Ich, Lea Gonpo, bin von meiner Schwiegermutter, der Gefährtin des Wandii Tashi Gonpo, zu einem Teekränzchen eingeladen worden. Gespannt darauf, was mich im Haus des Ortsvorstehers von Lon-Wa-Lha erwartet, habe ich Kri-kri Bescheid gesagt und mich auf den Weg gemacht.
Wenige Minuten darauf betätige ich den Türklopfer an der massiven Haustür vor mir. Kurz darauf öffnet sich die Tür und Malika, eine der beiden Mägde des Wandii, lässt mich ein. Ich wechsele schnell in Hausschuhe und will in die Namkha -Halle- gehen. Malika führt mich jedoch durch die Küchentür in den neben der Küche liegenden Hausarbeitsraum.
Dort sitzt die Tsanmo -Frau des Wandii- zusammen mit drei weiteren Tsomo -Herrinnen-. Zwei der Frauen haben blonde Haare. Die beiden anderen sind braunhaarig. Irgendwie macht mich das stutzig. Die Tsanmo Leonie Yiga sieht mich hinzutreten und begrüßt mich, freundlich lächelnd:
"Ah, hi, Lea Gonpo. Please sit down!"
Ich setze mich auf das freie Sitzkissen und schaue in die Runde. Ausnahmslos europäische Gesichter schauen mir neugierig entgegen.
"I would like to introduce you to our group -Ich stelle dir gern unsere Runde vor-," beginnt Leonie Yiga nun und erklärt mir, wer alles mir gegenübersitzt.
Ich bin erstaunt, dass sich insgesamt vier Deutsche als Ehefrauen einheimischer Männer in Lon-Wa-Lha aufhalten. Nun stoße ich als fünfte Europäerin zu diesem Tee-Kränzchen hinzu.
Ich erfahre, dass es sich um Freundinnen von Leonie handelt, die es nach und nach auf unterschiedlichen Wegen nach Lon-Wa-Lha verschlagen hat. Ihr Antrieb sind wohl die Erzählungen der Tsanmo über das Leben hier gewesen. Das ist nun allerdings schon viele Jahre her, als der Ort noch im Norden zu Füßen des Himalaya gelegen hat.
"Wie ist es denn zum Umzug eines ganzen Ortes hinein in die Berge gekommen?" frage ich, neugierig geworden.
"Daran ist der 'große Bruder' im Norden Schuld," meint Leonie Yiga kopfnickend.
Die Runde ist plötzlich einsilbiger geworden. Leonie seufzt und ergänzt:
"Du solltest schon die nähere Vergangenheit kennen, um mögliche zukünftige Geschehnisse richtig einordnen zu können."
Dann beginnt sie zu erzählen:
"Als ich Tashi vor etwa 30 Jahren geheiratet habe, gab es ein Siedlungsgebiet von vier Orten im südlichen tibetischen Hochland. Lon-Wa-Lha ist der Bedeutendste gewesen. Die anderen Orte hießen Ba-Lu-Lha, Seng-Ge-Lha und Gyel-Tag-Lha. Der Dalai-Lama trat irgendwann einmal an den Vater von Tashi Gonpo heran, mit der Bitte, mit ihm das Pao Wao der ozeanischen Völker auf Hawaii zu besuchen.
Seit dem Amtsantritt von Tashis Vater haben wir auch rege Handelsbeziehungen in den Süden. Das war sicher dem 'Großen Bruder im Norden' ein Dorn im Auge, neben den lamaistischen Mönchen überhaupt.
Ein Ergebnis dieser Handelsbeziehungen mit Indien ist der Bau der Trikopter oder 'Tarn' in einer nordindischen Flugzeugwerft gewesen. Über diese Tarn ist auch der Dalai Lama informiert gewesen. Deshalb hat er uns gebeten, mit einer Delegation an diesem Pao Wao teilzunehmen.
Tashi sagte mir, dass er etwa drei Monate fort sein würde, weil er auch mit einem Vaka -polynesischem Doppelrumpfboot- reisen würde. Ich integrierte mich mit dem kleinen Lobsang und Nima in dieser Zeit in den Haushalt meines Schwiegervaters."
Leonie wird von der Erinnerung überwältigt. Eine der anderen Frauen legt einen Arm um ihre Schultern und übernimmt:
"Tashi ist, statt der projektierten drei Monate, schon vier Monate fort gewesen. Trauer hat sich unter uns schon ausgebreitet, als die Magd Malika ungestüm zu Leonie vordringt, jegliche Benimmregel über den Haufen werfend. Sie berichtete außer Atem, dass sich der Wangpoo gemeldet hat.
Leonie konnte dann mit ihm reden und er berichtete von einem Schiffbruch mit dem Vaka auf der Rückreise und dass der Tarn sie auf dem Meer aufgespürt und an Bord genommen hat. Naturgewalten sind halt Unwägbarkeiten, gegen die man nichts machen kann. Acht Tage sollte es nach seiner Berechnung noch dauern bis er wieder bei uns ist.
Drei Tage später hörten wir ein Geschwader von Hubschraubern näherkommen. Der Wandii sammelte in aller Eile die Wangpoo und Lopon von Lon-Wa-Lha um sich und befahl uns Frauen mit den Kindern und Jünglingen aus dem Ort zu fliehen, uns in kleinen Gruppen in alle Himmelrichtungen zu verstreuen und uns zu verstecken.
Das war, als die Chinesen den Ort dem Erdboden gleich gemacht haben, während des Chinesisch-Indischen Krieges... Später haben wir erfahren, dass es allen Orten unseres Siedlungsgebietes genauso ergangen ist. Tashi hat Leonie auch noch berichtet, dass er kurz mit seinem Vater gesprochen hat. Der Wandii hat ihm befohlen, sich von den Siedlungen fern zu halten. Er soll nicht zu Hilfe kommen, sondern Tage später die versprengten Flüchtlinge aufsammeln und mit ihnen Lon-Wa-Lha jenseits der Grenze wieder neu aufbauen."
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