Freitag, 22. April 2022
Lon-Wa-Lha - 22
"Hm, heutzutage darf doch sicher jeder tragen, was ihm angemessen erscheint, nur das Brautpaar sollte sicher die reichverzierten volkstümlichen Kleidungsstücke tragen?" fragt Papa.

Ich nicke und antworte:
"Ich denke, ja. Aber ich frage Lobi noch einmal."

Dann fahre ich mit meinen Erklärungen fort:
"Vom Lama, der die Zeremonie leitet, wird nun die Hochzeit für eröffnet erklärt. Er verliest weise buddhistische Worte. Von den Gästen erhält das Hochzeitspaar währenddessen je einen Hada überreicht. Anschließend darf getanzt werden. Um sich bei den Gästen zu bedanken, verteilt das Brautpaar danach Wein und Hadas an sie."

"Du hast eben von einer 'Lokalität' gesprochen," fragt Papa, "was zählt alles dazu?"

Ich antworte ihm:
"Früher war es die Jurte. Heute ist es in Lon-Wa-Lha das Haus der Familie des Bräutigams. Auch sind heutzutage moderne Tänze und Lieder üblich, nicht mehr ethnische Tänze und Lieder. Zur Krönung gibt es dann ein üppiges Festmahl. So eine Hochzeit kann mehrere Tage in Anspruch nehmen. Zum Abschied findet wieder eine Zeremonie statt."

*

Unser Flugzeug startet in den Abendhimmel von Dublin. Es heißt, dass wir in der Nacht in Dubai zwischenlanden zum Betanken der Maschine. Ich bin jedoch erst spät eingeschlafen vor Nervosität, denn dies ist mein erster Flug. Als ich erwache ist es draußen vor dem Kabinenfenster schon hell. Ich sehe unter uns eine Wolkendecke, aus der hier und da grauweiße Berggipfel emporragen.

Es ist ein grandioses Bild, dass mich sekundenlang fesselt. Ich drehe mich zu Patrick, meinem Mann um, um ihm das Panorama draußen zu zeigen, doch er schläft noch den 'Schlaf der Gerechten'. Also schaue ich weiter aus dem Fenster. Manchmal öffnet sich die Wolkendecke und gibt den Blick auf die Gebirgslandschaft frei.

Als das Flugzeug zur Landung ansetzt, wird Patrick endlich wach. Ich erzähle ihm von meinen Eindrücken, die er im Schlaf verpasst hat, während wir das Flugzeug verlassen.

Nachdem wir unseren Koffer erhalten haben und die Einreiseformalitäten erledigt sind, halten wir Ausschau nach Lea und ihrem frischgebackenen Ehemann Lobsang, sowie seinen Eltern Tashi und Leonie Gonpo. Es ist nicht leicht, sie unter den anderen Leuten hier im Ankunftsbereich zu entdecken. Erst als sie auf uns zukommen, erkenne ich, Maegan O?Sullivan, sie unter dien vielen anderen Leuten.

Tashi Gonpo spricht uns lächelnd an:
"Guten Morgen, Patrick und Maegan. Wie war der Flug?"

Patrick grinst und entgegnet:
"Good morning, ich habe es vorgezogen zu schlafen, aber Maegan kann sicher mehr dazu sagen. Sie war zu nervös zum Schlafen."

Dafür knufft sie ihn in die Seite und meint:
"Die Zwischenlandung habe ich auch verschlafen! Dafür habe ich den Flug durch das Gebirge mitbekommen heute Morgen. Es war grandios!"

Tashi nickt und sagt:
"Das ist es! Aber nun kommt. Wir fahren in die Stadt und halten an einer Garküche, um den ersten Hunger des Tages zu stillen. Dann geht es weiter."

Er führt uns aus dem Flughafengebäude und hält zwei Motorrad-Rikschas an. Nach kurzem Palaver lädt er uns ein, hinten aufzusteigen, wobei Lobsang sich zu uns gesellt, während Lea bei Tashi und Leonie aufsteigt. Unser Fahrer folgt der anderen Motorrad-Rikscha bis sie am Straßenrand hält. Nun parkt unser Fahrer direkt daneben quer zur Fahrtrichtung mit dem Vorderrad auf dem Bürgersteig.

Tashi ist derweil schon vorgegangen und hat bei dem Koch an seinem fahrbaren Ofen etwas bestellt. Anschließend verteilen Lea und Leonie das schnelle Essen und auch die Fahrer bekommen je eine Portion. Nachdem wir uns gesättigt haben, geht es weiter auf den Motorrad-Rikschas bis wir die letzten Häuser hinter uns gelassen haben. Die Fahrer bekommen ihr Beförderungsentgelt, das laut Leas Umrechnung lächerlich gering ist. Aber die Männer bedanken sich mit vielen Bücklingen und fahren in die Stadt zurück.

Kaum sind die Männer unseren Blicken entschwunden, hören wir das typische Geräusch, dass ich auch in Irland zuerst für Hubschraubergeräusch gehalten habe, als wir nach Cuiraraill gebracht worden sind. Interessiert schaue ich mich um und tatsächlich nähert sich uns ein ähnliches Fluggerät. Es ist etwas schlanker als der Quadrokopter des Iarla Eamon Chiarraí.

Das Fluggerät landet auf der Wiese neben unserer Reisegruppe. Tashi und Lobsang gehen darauf zu und helfen dem Piloten, die gläserne Kuppel zu öffnen und eine Trittleiter einzuhängen. Wir haben uns inzwischen genähert und steigen nun ein. Drinnen befinden sich zwei Reihen mit drei Einzelsitzen und dahinter ein schmaler Raum für unsere Koffer. Vorne an den Kontrollen befinden sich noch einmal zwei Einzelsitze.

Nachdem wir Platz genommen und die Männer das Kabinendach geschlossen haben, müssen wir auch hier Helme überziehen, die das Motorengeräusch stark dämpfen und uns anschnallen. Tashi hat sich neben den Piloten gesetzt. Der Pilot fährt die Maschinen hoch und wir heben ab.

Auf Patricks Frage zu Beginn des Fluges erklärt uns Lobsang:

"Dies ist ein Trikopter aus einer indischen Werft. Er fliegt mit drei Mantelschrauben, die verstellbar aufgehängt sind. Ungefähr so wie die Drohnen, nur größer."

Patrick nickt verstehend und wir genießen die vorbeiziehende Gebirgslandschaft. Ab und zu sind Schafherden und Rinder zu erkennen, die irgendetwas ziehen. Fast eine Stunde später, nach einem Tiefflug, der sich durch die Gebirgstäler geschlängelt hat, landen wir unter einem Felsüberhang in der Nähe von hohen Steinhaufen, die mich an die Häuser in Cuiraraill erinnern.

Wir gehen auf ein weitläufiges Haus zu und Tashi betätigt einen Hammer, den er aus einer Mauernische nimmt. Er schlägt damit gegen die massive Holztür. Kurz darauf öffnet eine Frau in einfarbiger brauner Kleidung und knickst vor uns. Tashi sagt etwas und sie gibt den Eingang frei. Wir treten ein und Tashi wendet sich nun uns zu.

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