Mittwoch, 13. April 2022
Lon-Wa-Lha - 17
Anschließend schicke ich die Tsomo zum Lopon, ihm zu sagen, dass das Essen nun fertig ist.

*

Nachdem Lobi nun zur Ratssitzung fortgegangen ist, frühstücke ich mit Nima. Hier wird ja schon zum Frühstück gebratenes Fleisch gereicht! Nicht etwa Süßes, wie in Deutschland. Danach zeigt mir Nima, die Wirtschaftsräume des Hauses, benennt die Gegenstände und erklärt mir die Funktionsweise, so gut es geht. Schließlich beginnt sie mit den Vorbereitungen für das Mittagessen. Ich denke mir, dass es mir sicher etwas bringt, wenn ich ihr dabei helfe - Learning by Doing - und so überträgt sie mir das Kleinschneiden der verschiedenen Gemüse. Dann sehe ich ihr beim Zubereiten eines Eintopfes zu, lasse mir die Gewürze erklären und schmecke zwischendurch öfter ab.

Schließlich sind wir fertig und ich gehe ins Büro, wo Lobi inzwischen Tee trinkend sitzt und etwas aufzeichnet. Sicher bereitet er die vorangegangene Sitzung für sich nach.

"Hi, Lobi, wie war dein Tag?"

"Gut, Liebes. Und deiner?"

"Interessant, Schatz! Dass man ohne Elektrizität auskommen kann, ist eine neue Erfahrung für mich."

"Denk an deine Urgroßeltern. Dort war es sicher nicht anders. Elektrizität gab es in Europa damals nur in Haushalten der Adeligen und Großbürger. Aber auch noch lange nicht so umfangreich wie heute. Wir beginnen gerade erst. Wir stehen quasi am Anfang des elektrischen Zeitalters, aber wir werden wohl nie den ganzen Alltag elektrifizieren, damit wir die Umwelt nicht belasten."

"Aha. Du, das Mittagessen ist fertig. Magst du in die Namkha -Halle- kommen?"

Lobsang legt den Stift zur Seite und erhebt sich. Ich stehe ebenfalls auf, während er den Bürotisch umrundet. Er nimmt mich in den Arm und gibt mir einen Kuss. Dann betreten wir zusammen die Halle.

Ein Krug Tee mit drei Schalen und das portionierte Fladenbrot stehen schon auf der großen Tafel. Wir treten an die Tafel, wo Kri-kri bereitsteht, ihrem Herrn eine dampfende Schale Tee zu reichen. Dieser nimmt die Schale und gibt sie an mich weiter. Eine zweite Schale stellt er an ihren Platz. Erst die dritte Schale behält er in der Hand, schnippt ein paar Tropfen auf den Norbu, sagt den Segensspruch und trinkt einen Schluck.

Dann setzen wir uns auf die Kissen, während Kri-kri in die Küche zurückgeht und mit einem Tablett an den Tisch kommt, auf dem drei größere Schalen, gefüllt mit dem Eintopf stehen. Diese Schalen gehen den gleichen Weg wie vorhin die Teeschalen.

Für den Nachtisch geht sie noch einmal in die Küche zurück. Sie bringt das leere Geschirr zur Spüle und kommt mit einem Joghurt-Beeren-Getränk für jeden zurück.

Während Kri-kri danach sicher das Geschirr in der Küche spült, soll ich Lobi noch etwas bei Tee am Tisch Gesellschaft leisten. Er nimmt mich in den Arm und ich lege meinen Kopf in die Kuhle zwischen seiner Brust und Oberarm. Die zärtliche Nähe genießend, vergeht die Zeit wie im Flug. Ich merke, dass ich in eine Traumwelt abzugleiten im Begriff bin.

Wie viel Zeit vergangen ist, weiß ich nicht, aber der Tee ist inzwischen kalt, als Lobi sich wieder rührt. Er stützt mich ab, während er aufsteht.

"Wenn du magst, dann begleite mich ein wenig beim Gang durch die Stadt," meint er.

"Au ja," rufe ich begeistert, springe auf und gebe Lobi einen Kuss. Während er zum Büro zurückgeht, bringe ich Nima den Krug Tee und die Trinkschalen in die Küche. Sie ist mittlerweile fertig mit Spülen, also gehe ich nun zu Lobsang.

"Liebes, komm mit ins Schlafzimmer," sagt er zu mir.

Wir durchqueren den Vorraum, das Herrenzimmer, wie er es nennt, und steuern im Schlafzimmer das Paravent an. Dort zeigt er mir ein großes rotes Wolltuch mit goldener Borte. Er legt es mir auf den Kopf, schlingt es mir eine Seite locker um den Hals und befestigt es mit einer goldenen Schnalle mit einem meeresblauen Stein darauf. Dann zeigt er mir Halbstiefel mit vielen Stickereien.

"Das wäre dein Mantel und deine Straßenschuhe, Liebes," sagt er lächelnd.

"Gehen alle Frauen außer Haus mit Schleier?"

"Dein Gesicht ist ja nicht verschleiert! Je nach Witterung kannst du dir das Tuch natürlich ins Gesicht ziehen, aber normalerweise darf jeder dein Gesicht sehen. Am Umhang erkennt man dich als freie Frau. Mägde haben für schlechte Witterung ebenfalls einen Umhang, der jedoch farblos schlicht ist."

Ich schaue mich im Spiegel an und komme mir etwas fremd vor. Dann drängt Lobi aber schon zum Aufbruch und ich wechsele schnell meine Schuhe.

*

Nachdem Lea bereit ist, betreten wir die Namkha -Halle-. Da ich Kri-kri nicht sehe, klatsche ich in die Hände. Kri-kri kommt aus dem Wirtschaftstrakt herein und knickst.

"Womit bist du im Augenblick beschäftigt, Kri-kri?" fragt Lobi.

"Herr, ich bessere gerade eure gereinigte Kleidung aus."

"Gut, mein Mädchen! Wir gehen in den Ort und sind zum Abendessen wieder zurück."

"Taglha Gon Lopon -Der Tigergott möge Euch beschützen, Herr.-"

"Tara Den Tsi -Tara, die große Göttin, segne dich, meine Kleine," gebe ich ihr zur Antwort und streiche ich kurz über die Wange. Sie nimmt schnell meine Hand, berührt den Handrücken leicht mit den Lippen und führt sie an ihre Stirn, während sie ein Knie leicht beugt.

Ich umfasse Leas Schultern und wir verlassen das Haus. Ein kühler Wind weht durch das Hochtal und pfeift zwischen den Häusern. Kinder lärmen, Frauen plaudern und einige Männer begegnen uns auf dem Weg durch die Stadt.

Draußen sagt Lea, während sie mich aus den Augenwinkeln anschaut:

"Dein Verhältnis zu Kri-kri ist kein distanziertes Dienstverhältnis, so wie ich das beobachte..."

Ich nicke ihr zu und lege meinen Arm um ihre Schultern.

"Ich fühle mich verantwortlich für sie, wie ein Vater für sein Kind, auch wenn sie nur wenig jünger ist. Daneben halte ich es nicht für gut, den Vorgesetzten heraushängen zu lassen. Ich kommandiere sie nicht herum, sondern baue auf ihre erworbenen Kenntnisse in Hauswirtschaft. Sie stellt sich selbst Aufgaben und führt sie aus, wie das Ausbessern der Kleidung eben. Ich muss das nicht befehlen! Dies benötigt meiner Meinung nach, ein freundschaftliches Dienstverhältnis. Ich zeige ihr meine Zuneigung und im Gegenzug engagiert sie sich für mich.
Wenn du so willst, lebe ich mit Kri-kri in einer Art 'romantischer Beziehung', die nicht über den Austausch von Zärtlichkeiten hinausgeht!"

"Aber, reicht ihr das denn?" fragt Lea mit Falten auf der Stirn. "Möchte sie nicht irgendwann mehr? Bin ich für sie nicht so eine Art Konkurrenz um deine Gunst. Entsteht da nicht Eifersucht im Laufe der Zeit?"

"Die Rollen sind zementiert," entgegne ich. "Du bist meine große Liebe und wirst meine Frau, wenn du willst. Allein zwischen uns entsteht körperliche Nähe! Sie ist meine Magd, für die ich mich einsetze, weil sie sich für mich einsetzt.
In früheren Jahrhunderten gab es in Europa adelige Damen, die Zofen hatten..."

"Ja, aber die adeligen Herren hatten auch Kinder mit diesen Zofen. Da gab es schon starke Eifersüchteleien!"

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