Donnerstag, 3. März 2022
Cuiraraill -58-
Die Tür wird aufgestoßen und herein kommt Alainn mit einem Tablett in der Hand. Drinnen gibt sie der Tür mit der Ferse einen Stoß, der sie wieder in den Rahmen zurückbefördert.

Ich habe mich aufgesetzt und Alainn klappt Beine unter dem Tablett aus. Dann stellt sie es vor mich über meine Oberschenkel. Anschließend macht sie mit den Kissen eine Rückenlehne, in die ich hineinrutsche. Alainn hebt nun das Tablett an, um es näher an mich zu rücken. Dabei sagt sie lächelnd:

"Ein echt irisches Brunch. Guten Appetit!"

Sie will sich wieder zurückziehen, doch ich stoppe sie mit den Worten:

"Danke dir, Alainn! Du hast gestern am Hubschrauber etwas von einer Subkultur gesagt..."

Alainn setzt sich zu mir auf das Bett und beginnt:
"Diese Art 'Hubschrauber' nennen wir Duaithníocht. Das bedeutet auf Deutsch 'Tarn'. Angetrieben wird er von mehreren verstellbaren Mantelschrauben. Es gibt sie in verschiedenen Größen, von PKW- bis Lieferwagen-Größe.
Was eine Subkultur ist, weißt du bestimmt. In Deutschland leben viele Volksgruppen, die nicht integriert sind in einer Art Subkultur unter sich. Mit uns verhält es sich anders: Wir waren integriert, fühlen uns in der westlichen Gesellschaft mit ihrem Gewinnstreben, dem Produzieren 'auf Teufel, komm heraus' und dem damit verbundenen Benehmen, als hätten wir nicht nur den einen Planeten, aber höchst unwohl.
Daneben gibt es in den Beziehungen ein Machtgefälle: Der Mann entscheidet, die Frau gehorcht..."

Ich mache große Augen. Die Information muss ich erst einmal sacken lassen. Außerdem sieht der Brunch vor mir auf dem Tablett verführerisch aus. Alainn will sich schon erheben, da frage ich sie kauend:

"Und du gehorchst, wenn Eamon etwas sagt?"

"Ja," sagt sie einfach, was mich erstaunt. Sie ergänzt: "Ich weiß mich bei ihm geborgen. In seiner Nähe fühle ich mich aufgehoben. Er würde nie etwas verlangen, was mir schadet! Er ist kein Egoist. Dann schon eher das Gegenteil, ein Altruist. Er kümmert sich um alles."

Meine Augen werden immer größer.

"Darüber musst du mir bei Gelegenheit mehr erzählen," sage ich.

Alainn nickt und erhebt sich. Im Verlassen des Zimmers sagt sie:

"Das mache ich! Iss jetzt erst einmal in Ruhe fertig."

Dann bin ich allein und kümmere mich um das Essen vor mir auf dem Tablett.

*

Nach dem Brunch im Bett gehe ich ins Bad und mache mich frisch. Danach ziehe ich mir etwas Legeres an und räume den Inhalt meines Koffers in den Schrank. Den leeren Koffer schiebe ich in den Zwischenraum zwischen dem Schrank und einem Schubladenschränkchen mit aufgesetztem, ausklappbarem Spiegel. Danach verlasse ich das Gästezimmer mit dem Tablett und dem gebrauchten Geschirr und Besteck in den Händen. Ich gehe zur Treppe und darüber eine Etage tiefer.

Unten angekommen sehe ich eine große Halle, spärlich möbliert, und voraus ein kleinerer Raum mit einer Garderobe an der Wand. Von beiden Räumen gehen einige Türen seitlich ab.

Zuerst stehe ich unschlüssig da. Plötzlich kommt Alainn aus einer Tür. Sie sieht mich, lächelt und nimmt mir meine Last ab. Sie kehrt mit dem Tablett in der Hand um und ich folge ihr.

Alainn führt mich in die Küche und stellt Geschirr und Besteck in die Spüle. Das Tablett stellt sie hochkant zu weiteren. Dann drückt sie mir ein Geschirrtuch in die Hand und beginnt zu spülen. Während ich abtrockne, erklärt Alainn:

"Uns ist der Schutz der uns umgebenden Natur sehr wichtig, denn wir leben in und von ihr. Kommerzielle Ausbeutung der Natur ist uns ein Gräuel. Aus der Erde kommt alles. Dies kannst du auch auf das Verhältnis des Curadhs zur Frau anwenden: Ihm ist der Schutz der Frau sehr wichtig, denn er lebt mit und von ihr."

"Aber ihr verwendet ganz selbstverständlich Strom und Treibstoff!" halte ich, Ute, meiner Freundin vor.

"Der Strom kommt aus einem Wasserkraftwerk," erwidert Alainn, "und auch der Treibstoff wächst quasi draußen auf den Feldern. Da werden keine fossilen Quellen angezapft."

"Hm," mache ich, "und was bedeutet 'der Curadh lebt von der Frau'?"

"Damit ist keine Ausbeutung gemeint!" antwortet Alainn. "Du siehst mich hier für meinen Curadh arbeiten, also lebt er auch von meiner Arbeit..."

"Oh, okay," sage ich.

Es entsteht eine kleine Pause in der Unterhaltung. Nach kurzer Zeit beginnt Alainn erneut:

"Wir verstehen die Menschen nicht als Herren über die Natur, sondern als ein Teil davon. Als solcher ist der Mensch gehalten, aus den natürlichen Ressourcen nur das Notwendige zu entnehmen, und zu versuchen, das Entnommene der Natur wieder zurückzugeben. Unbrauchbares wird receycelt.
Da wir die Natur schützen, und uns selbst als Teil der Natur begreifen, sind für uns auch die Frauen schützenswert. Wir nutzen die Ressourcen der Natur, soweit es der Natur nicht schadet - und so nutzen wir die Ressourcen der Frau, soweit es ihr nicht schadet."

"Aber immer wird der Mann über die Frau gestellt. Warum gibt es bei euch keine Gleichberechtigung?" frage ich nun.

"Also, ich fühle mich ausgesprochen wohl in diesem Machtverhältnis. Ich brauche mich um das große Ganze nicht kümmern. Das macht mein Curadh. Ich kann ihm voll vertrauen. Er trägt die Verantwortung vorzüglich!"

"Was bedeutet der Titel 'Curadh', mit dem du Eamon immer wieder einmal bezeichnest?"

"Curadh bedeutet auf Deutsch in etwa 'Meister/Herr'."

"Er ist für dich also dein Herr. Du bist seine... seine..."

"Ich bin seine Wench. Das bedeutet auf Deutsch 'Magd'. - Nicht Sklavin! Ich bin für ihn ein fühlendes Wesen, kein Gegenstand, oder Spielzeug!"

"Ah, okay!" antworte ich, habe ich doch 'Sklavin' im Kopf gehabt. "Sind alle Frauen bei euch Mägde?"

"Nicht alle!" Alainn schüttelt den Kopf. "Einige dominante Frauen haben Knechte!"

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