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Sonntag, 27. Februar 2022
Cuiraraill -56-
hermann-jpmt, 11:02h
"So, hier wir sind!" sagt Curadh Eamon in seinem unvergleichlichen Deutsch.
Wir steigen aus und Curadh Eamon führt uns zu einem Aufzug, der uns ins Oberland bringen soll. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Aufzug kommen wir in dem Tunnelsystem unter den bienenstockförmigen Häusern von Cuiraraill an. Immer wieder gibt es an den Wänden Schaufenster, in denen die Bauern und Handwerker für ihre Produkte werben.
Curadh Eamon folgend, stehen wir bald vor einer Tür, die er aufschließt. Wir steigen die Treppe gleich in das Obergeschoss hoch. Dort angekommen, zeigt er Ute ihr Gästezimmer und das Bad. Er deutet auf die restlichen Türen in dieser Etage und erklärt ihr, dass dort die Privaträume liegen. Das Bad jedoch von allen Personen im Haus benutzt wird. Daher kann es auch schon einmal abgeschlossen vorgefunden werden. Für das dringende Bedürfnis stünde dann eine Etage tiefer im Foyer eine Gästetoilette zur Verfügung. Er wünscht Ute eine gute Nacht und lässt sie allein, während ich ihm in sein Schlafzimmer folge.
*
Wieder einmal ist eine Beziehung zu einem Mann zerbrochen. Das Aus kommt ausgerechnet während meines Seminars in Schwerin. In der Stimmung gehe ich, Ute Mansfeld, in die Kantine des Studentenheims und kaufe mir einen Kasten Bier. Irgendwie schaffe ich es die zehn Kilo hoch in mein Zimmer zu tragen, setze mich auf mein Bett und öffne die erste Flasche...
Am Vormittag des nächsten Tages werde ich erst wieder wach. Vor dem Bett reiht sich eine Batterie leerer Flaschen. Im Bett riecht es unangenehm. Ich muss wohl erbrochen haben. Vergeblich versuche ich, einen klaren Gedanken zu fassen. Alles dreht sich. Ich lasse mich wieder auf das Kopfkissen zurücksinken. Nachdem einige Zeit vergangen ist, angele ich mein Handy von der Nachtkommode und rufe meinen Bruder Ralf an. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe, aber Ralf sagt mit eindringlichem Ton:
"Bleib, wie und wo du gerade bist! Ich komme und hole dich heim. Bis ich bei dir bin, geht es dir bestimmt wieder etwas besser."
Am Nachmittag ist Ralf endlich bei mir und hilft mir zu packen. Die leeren Flaschen sortiert er in den Kasten zurück und bringt ihn in die Kantine, während ich unter die Dusche gehe. Am frühen Abend fährt er mit mir in unsere Heimatstadt an der norddeutschen Küste zurück. Ich sitze während der ganzen Fahrt wie ein Häufchen Elend neben ihm. Die Nacht darf ich bei ihm und seiner Frau Susi auf der Couch verbringen.
Am nächsten Morgen hilft Susi mir, meine Sachen in meine Wohnung zu bringen, da Ralf wieder arbeiten ist. Ich weine mich bei Susi aus, die jedoch wenig Verständnis zeigt. So oder so ähnlich sind bisher alle Trennungen von mir 'begossen' worden. Diesmal ist es wohl besonders schlimm gewesen. Ich hätte an Erbrochenem ersticken können, hat mir schon Ralf auf der Heimfahrt vorgeworfen. Susi bläst in das gleiche Horn.
In den folgenden Tagen mache ich ausgedehnte Spaziergänge über die Deiche, während der Wind meine Haare zerzaust. Mein Studium, und damit den gehobenen Dienst im Arbeitsamt kann ich jetzt knicken. Was bleibt mir jetzt?
Ralf spricht von einer Auslandsreise. Dabei könne ich Abstand gewinnen, meint er, und Susi pflichtet ihm bei. Nur wohin?
Da fällt mir Lara ein. Mit ihr bin ich einmal gut befreundet gewesen. Sie lebt nun in Irland. Wir haben nur noch sporadischen Kontakt über Whatsapp. Mal sehen, die Weite der irischen Landschaft tut mir bestimmt gut.
Ich nehme also mein Handy und tippe einen Glückwunsch zu ihrem Geburtstag hinein. Ich komme damit zwar vier Wochen zu spät, aber irgendwie muss ich mich ja melden.
Lara bedankt sich etwa drei Stunden später und fragt, wie es mir geht.
"Nicht besonders..." schreibe ich zurück.
"Bist du krank?" fragt sie nun.
"Nein, das ist es nicht," schreibe ich, und erkläre ihr meine jetzige Situation. Ich schreibe dann auch, dass Ralf mir eine Auslandsreise vorgeschlagen hat, um mir über mich wieder klar zu werden.
Sie fragt mich, ob ich schon ein Ziel vor Augen habe.
"Nein, ich bin total unschlüssig..." schreibe ich ihr.
Darauf kommt längere Zeit keine Antwort. Dann kommt eine ganze Serie von Bildern in meinem Handy an. Dazu schreibt Lara:
"Ich habe den Bürgermeister von Cuiraraill nach irischem Brauch geheiratet. Curadh Eamon ist einverstanden, dass du hier Urlaub machst, wenn du möchtest - und solange du bleiben magst."
"Du lebst in solchen Steinhaufen? Keinen richtigen Häusern?" schreibe ich ihr im ersten Erstaunen. Irgendwie kommt es mir vor, als hätte ich so etwas schon einmal gesehen.
Wir steigen aus und Curadh Eamon führt uns zu einem Aufzug, der uns ins Oberland bringen soll. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Aufzug kommen wir in dem Tunnelsystem unter den bienenstockförmigen Häusern von Cuiraraill an. Immer wieder gibt es an den Wänden Schaufenster, in denen die Bauern und Handwerker für ihre Produkte werben.
Curadh Eamon folgend, stehen wir bald vor einer Tür, die er aufschließt. Wir steigen die Treppe gleich in das Obergeschoss hoch. Dort angekommen, zeigt er Ute ihr Gästezimmer und das Bad. Er deutet auf die restlichen Türen in dieser Etage und erklärt ihr, dass dort die Privaträume liegen. Das Bad jedoch von allen Personen im Haus benutzt wird. Daher kann es auch schon einmal abgeschlossen vorgefunden werden. Für das dringende Bedürfnis stünde dann eine Etage tiefer im Foyer eine Gästetoilette zur Verfügung. Er wünscht Ute eine gute Nacht und lässt sie allein, während ich ihm in sein Schlafzimmer folge.
*
Wieder einmal ist eine Beziehung zu einem Mann zerbrochen. Das Aus kommt ausgerechnet während meines Seminars in Schwerin. In der Stimmung gehe ich, Ute Mansfeld, in die Kantine des Studentenheims und kaufe mir einen Kasten Bier. Irgendwie schaffe ich es die zehn Kilo hoch in mein Zimmer zu tragen, setze mich auf mein Bett und öffne die erste Flasche...
Am Vormittag des nächsten Tages werde ich erst wieder wach. Vor dem Bett reiht sich eine Batterie leerer Flaschen. Im Bett riecht es unangenehm. Ich muss wohl erbrochen haben. Vergeblich versuche ich, einen klaren Gedanken zu fassen. Alles dreht sich. Ich lasse mich wieder auf das Kopfkissen zurücksinken. Nachdem einige Zeit vergangen ist, angele ich mein Handy von der Nachtkommode und rufe meinen Bruder Ralf an. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe, aber Ralf sagt mit eindringlichem Ton:
"Bleib, wie und wo du gerade bist! Ich komme und hole dich heim. Bis ich bei dir bin, geht es dir bestimmt wieder etwas besser."
Am Nachmittag ist Ralf endlich bei mir und hilft mir zu packen. Die leeren Flaschen sortiert er in den Kasten zurück und bringt ihn in die Kantine, während ich unter die Dusche gehe. Am frühen Abend fährt er mit mir in unsere Heimatstadt an der norddeutschen Küste zurück. Ich sitze während der ganzen Fahrt wie ein Häufchen Elend neben ihm. Die Nacht darf ich bei ihm und seiner Frau Susi auf der Couch verbringen.
Am nächsten Morgen hilft Susi mir, meine Sachen in meine Wohnung zu bringen, da Ralf wieder arbeiten ist. Ich weine mich bei Susi aus, die jedoch wenig Verständnis zeigt. So oder so ähnlich sind bisher alle Trennungen von mir 'begossen' worden. Diesmal ist es wohl besonders schlimm gewesen. Ich hätte an Erbrochenem ersticken können, hat mir schon Ralf auf der Heimfahrt vorgeworfen. Susi bläst in das gleiche Horn.
In den folgenden Tagen mache ich ausgedehnte Spaziergänge über die Deiche, während der Wind meine Haare zerzaust. Mein Studium, und damit den gehobenen Dienst im Arbeitsamt kann ich jetzt knicken. Was bleibt mir jetzt?
Ralf spricht von einer Auslandsreise. Dabei könne ich Abstand gewinnen, meint er, und Susi pflichtet ihm bei. Nur wohin?
Da fällt mir Lara ein. Mit ihr bin ich einmal gut befreundet gewesen. Sie lebt nun in Irland. Wir haben nur noch sporadischen Kontakt über Whatsapp. Mal sehen, die Weite der irischen Landschaft tut mir bestimmt gut.
Ich nehme also mein Handy und tippe einen Glückwunsch zu ihrem Geburtstag hinein. Ich komme damit zwar vier Wochen zu spät, aber irgendwie muss ich mich ja melden.
Lara bedankt sich etwa drei Stunden später und fragt, wie es mir geht.
"Nicht besonders..." schreibe ich zurück.
"Bist du krank?" fragt sie nun.
"Nein, das ist es nicht," schreibe ich, und erkläre ihr meine jetzige Situation. Ich schreibe dann auch, dass Ralf mir eine Auslandsreise vorgeschlagen hat, um mir über mich wieder klar zu werden.
Sie fragt mich, ob ich schon ein Ziel vor Augen habe.
"Nein, ich bin total unschlüssig..." schreibe ich ihr.
Darauf kommt längere Zeit keine Antwort. Dann kommt eine ganze Serie von Bildern in meinem Handy an. Dazu schreibt Lara:
"Ich habe den Bürgermeister von Cuiraraill nach irischem Brauch geheiratet. Curadh Eamon ist einverstanden, dass du hier Urlaub machst, wenn du möchtest - und solange du bleiben magst."
"Du lebst in solchen Steinhaufen? Keinen richtigen Häusern?" schreibe ich ihr im ersten Erstaunen. Irgendwie kommt es mir vor, als hätte ich so etwas schon einmal gesehen.
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